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578 Oesterreich. Die neuesten Wiener Blätter melden: Ueber Graz und Umgebung ging am 15. Juli Abends unter Donner und Blitz, begleitet von einem heftigen Hagelwetter, ein furcht barer Wolkenbruch nieder. Derselbe dauerte über vier Stunden und richtete in der Stadt große Verheerungen in Gärten und Kellern an. In mehreren Ortschaften der Umgegend ist der Scha den ungemein groß. Die Ernteaussichten sind gänzlich vernichtet. Der herrliche Schloßpark in Eggenberg, dem Grafen Herberstein gehörig, ist gänzlich devastirt. Sogar Menschen schwebten in Lebensgefahr. Stündlich befürchtet man das Eintreffen neuer Unglücksnachrichten. — Die Stadt Kaplitz bei Budweis ist am 15. Juli von einem großen Brande heimgesucht worden. 80 Häu ser sind gänzlich niedergebrannt, darunter das Postgebäude und das Telegraphenamt. Leider ist auch der Verlust eines Menschen lebens zu beklagen, indem der Landwehrbezirksfeldwebel Renz durch den Einsturz einer Rohrdecke erschlagen wurde. Schweiz. Der Nationalrath ist dem Beschlusse des Stände- raths wegen Verwilligung von 400,000 Fres, für Organisation der Betheiligung an der Wiener Weltausstellung beigetreten, hat aber den vom Ständerath bewilligten Betrag von 30,000 Fres, zur Unterstützung solcher Arbeiter, welche die Ausstellung besuchen wollen, auf 60,000 Fres, erhöht. Frankreich. Bezüglich der neuen Anleihe werden bereits alle Vorbereitungen mit Eile betrieben, da die Emission nach der Annahme des Gesetzentwurfs in der Nationalversammlung nicht mehr lange auf sich warten lassen wird. Die Staats schuld Frankreichs, die neue Anleihe einbegriffen, stellt sich nun folgendermaßen heraus: Staatsschuld vor dem Kriege 7660 Mil lionen, Anlehen von 1870 und 1871 3090 Mill., Schuld an die Bank 1550 Mill., Entschädigung an Eisenbahngesellschaften 325 Mill., Schuld an die Stadt Paris 200 Mill., schwebende Schuld 705 Mill., Unterhaltung der Occupationstruppen, Ent schädigung an die besetzten Departements, Emissionskosten für die Anleihen 2450 Mill., neue Anleihe 3500 Mill., in Summa 19,480 Millionen. Frankreich erhält demnach eine Staatsschuld von beinahe zwanzig Milliarden Francs. — Die National versammlung hat am 16. Juli ein Amendement Ferah's, die Patentsteuer zu revidiren und zu verdoppeln, mit 381 gegen 218 Stimmen verworfen. Louis Blanc will, daß das Amnestie gesetz noch vor den Ferien discutirt werde. Debehre, der Be richterstatter der Commission, welche der Amnestie nicht günstig gestimmt ist, verlangt, die Ansicht der Regierung darüber zu hören. Thiers erklärt, die Zeit für die Amnestie käme erst dann heran, wenn das Werk der Gerechtigkeit vollbracht sein werde. Hierauf wurde die Dringlichkeit der Berathung des Amnestiegesetzentwurfes abgelehnt. In der Sitzung am 17. Juli kam die Nachtragsforderung der Regierung von 200 Millionen zur Balancirung des Budgets zur Berathung. Nach einer sehr lebhaften Debatte wurde die Discussion vertagt. Belgien. Der Strike in Borinage hat nunmehr bedeutende Dimensionen angenommen. Mehr als 10,000 Arbeiter sind bei demselben betheiligt. Von Brüssel sind Gendarmen und von Mons Truppen dorthin abgesandt, weil Ruhestörungen be fürchtet werden. England. Der internationale Gefängnißcongreß in London hat seine Berathungen am 13. Juli beendigt. — In dem Lon doner Bezirk Paddington ist die erst vor vier Jahren mit einem Kostenaufwande von 30,000 Pfund Sterling gebaute Mary- Magdalene - Kirche gänzlich niedergebrannt. Amerika. Ein New - Iorker Blatt richtet folgenden Hülfe- ruf an die deutschen Hafenbehörden: „Viel wird gegenwärtig von der Beschützung der Auswanderer auf dem Meere gesprochen, aber selbst Das wird verabsäumt, was unbedingt für sie ge schehen müßte. Die Stärke der Auswanderung hat eine Ueber- füllung der Schiffe zur Folge, welche auf keine Weise geduldet werden kann. Nicht selten langen hier in New-Jork Dampf schiffe mit 1200 und mehr Passagieren an. Man mag es nun fertig bringen, sie an Bord einigermaßen anständig, mit leid licher Berücksichtigung der Gesundheit zu placiren. Wie ist es aber mit ihrer Sicherheit bestellt? Ist, falls unterwegs ein Unglück geschehen, etwa die Maschine unbrauchbar werden, das Schiff scheitern oder verbrennen sollte, auch nur die Möglichkeit zur Rettung der Passagiere gegeben? Keineswegs. Müßte das Schiff verlassen werden, so wäre, da viel zu wenig Rettungs boote vorhanden sind, die Mehrzahl unrettbar verloren, und wahrscheinlich würden bei der unausbleiblichen Verwirrung und Verzweiflung Alle untergehen. Können die überseeischen Hasen behörden es verantworten, die Schiffe mit solcher Menschenfracht abgehen zu lassen? Ist es nicht dringend geboten, wenigstens dafür zu sorgen, daß die Möglichkeit der Rettung Aller im Falle eines Unglücks gegeben ist? Das hier mit Pocken- und Masernkranken angekommene Bremer Segelschiff „Athene" hatte über 700 Passagiere, aber keinen Schiffsarzt an Bord. Man mußte sich mit dem Medicinkasten behelfen, dessen Inhalt der an medicinischer Weisheit ganz unschuldige Capitän nach Be lieben vertheilte, und waren die Folgen der traurigsten Art. Kein Emigrantenschiff sollte ohne einen Schiffsarzt aus dem Hafen gelassen werden. Die Sorglosigkeit ist wahrhaft entsetzlich." Vermischtes. Das „I. f. B." schreibt in seiner Nr. 24: „Das Gesammt- gewicht (20,000 Ctr.) und Herstellungszeit (200 Arbeitstage) des erforderlichen Papieres zum Wiener Weltausstellungscatalog haben wir bereits in Nr. 12 zu berechnen versucht. Wir nahmen damals Octav an und erhielten als Bedarf für 100 Bogen bei 500,000 Auflage 100,000 Ries. Heute wollen wir annehmen, daß man den Catalog in Sedez drucken können wird, wodurch Masse und Gewicht des Papieres nicht beeinflußt, die Zahl der Riese aber auf 50,000 reducirt wird. Veranschlagt man nun die Dicke (Höhe) eines Rieses aus nur IV2 Zoll, was eher hinter der Wirklichkeit Zurückbleiben dürfte, sd erhält man für 50,000 Ries 75,000 Zoll oder 6250 Fuß, schreibe sechstausend zweihundertfünfzig Fuß, welche die Höhe des zu verdruckenden und notabene erst zu fabricirenden Papierballens ergeben! Um sich eine deutlichere Vorstellung von dieser riesigen Papiersäule machen zu können, führen wir an, daß sie 14^ Mal so hoch sein würde als der Thurm des Straßburger Münsters, der be kanntlich 438 Pariser Fuß mißt, daß sie die absolute Höhe des St. Gotthardspasses fast erreicht, die des Splügen- und des Simplonpasses aber übersteigt! Ein Zeitungsherausgeber in Victoria schreibt in seiner neuesten Nummer: „Leider ist jetzt äußerst wenig, ja fast gar nichts zu berichten; die Menschen sind heutzutage alle so wohlhabend und deshalb tugendhaft geworden, daß wir, wenn das so fortgeht, unser Geschäft aufstecken werden. Unsere einzige Hoffnung ist das jetzt cursirende Gerücht, daß eine Schiffsladung deportirter Verbrecher auf dem Wege nach hier sich befindet. Ist das der Fall und haben die Verbrecher erst hier festen Fuß gefaßt, so wird es uns an interessantem Stoff wohl nicht mangeln." Der Siegelring. (Fortsetzung und Schluß). „Erlauben Sie, Excellenz, Ihr Mährchen beginnt unwahrscheinlich zu werden", fiel der Herzog dem Minister ins Wort, und in dem Tone, in welchem er dies sagte, drückte so viel Unruhe und Angst sich aus, daß die Anwesenden betroffen den hohen Gast anblickten. Der Blick des Polizeiministers ruhte mit durchbohrender Kraft auf den bleichen Zügen des Herzogs. „Erlauben Sie, Durchlaucht, dürste ich viel leicht für einen kurzen Augenblick um Ihren Siegelring bitten?" erwiderte er. „Ich habe ihn oft betrachtet und bewundert, aber noch nie Gelegenheit gefunden, ihn —" „Ich wüßte nicht, weshalb dieser Ring eine so bohe Bewunderung verdient", sagte der Herzog, während er den Ring abstreifte und ihn auf den Tisch warf. „Die Fassung des grünen Steines ist plump und nur der Diamant, den der Juwelier auf der Mitte dieses Steines angebracht hat, besitzt einigermaßen Werth." Der Polizeiminister hatte den Ring ausgenommen. „Ich glaube nicht zu irren, wenn ich behaupte, daß dieser Ring zwei geheime Kapseln enthält", nahm er nach einer Weile das Wort, „man findet das oft bei diesen großen, massiven Ringen." „So viel mir bekannt ist, enthält dieser Ring keine Kapseln ", erwiderte der Herzog, der sich sichtbar zwang, seiner Ausregung Herr zu werden. Der Minister schüttelte den Kopf und schob die feine Spitze seines Federmessers unter den Stein. Seine Vermuthung hatte ihn nicht getäuscht, der Stein war in zwei Hälften getheilt und jede dieser Hälften bedeckte eine Kapsel. Die Fassung