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448 macht bekannt, daß die königl. Kassenstellen zur Annahme von Reichsgoldmünzen verpflichtet, zugleich aber auch ermächtigt sind, Zahlungen in Reichsgoldmünzen nach deren festem Werth zu leisten. — In der Reichstagssitzung vom 31. Mai hat General- postdirector Stephan bei Berathung des neuen deutsch-öster reichischen Postvertrages eine für die zukünftige Feststellung der Fahrpostportotaxe bedeutsame Erklärung abgegeben. Die Reichs- Postverwaltung beabsichtigt, die große Zahl der verschiedenen Zonen wegfallen zu lassen und für Packete bis zu einem Gewichte von 5 Kilogrammen ----- 10 Pfund ein Einheitsporto von 5 Gro schen für das ganze Reich herbeizuführen. Um die für die kleine Industrie wichtigen Sendungen kleinerer Päckereien für kurze Entfernungen zu erleichtern, werde für Entfernungen bis zu 10 Meilen ein Satz von 2^ Groschen festgesetzt werden. — Die am Sonntag in Dresden verbreiteten Gerüchte, in Böhmen seien neue Wolkenbrüche niedergegangen und infolge dessen in Prag neue Wassergefahr und eine abermalige Hochfluth der Elbe zu erwarten, haben sich glücklicherweise nicht bestätigt. Preußen. Der Reichstag hat am 3. Juni zunächst den Auslieferungsvertrag mit Großbritannien debattelos in erster und zweiter Lesung genehmigt, worauf die erste Lesung des Gesetz entwurfs, betreffend den außerordentlichen Geldbedarf für die Reichseisenbahnen in Elsaß - Lothringen, sowie des Gesetzentwurfs, betreffend die Verwendung des Ueberschusses aus der Verwaltung der französischen Landesposten durch die deutsche Reichspost verwaltung während des Krieges gegen Frankreich in den Jahren 1870 und 1871, folgte. Alsdann ging das Haus zur Etats- berathung über. Am 4. Juni hat der Reichstag den Antrag des Abg. v. Hoverbeck, die Aufhebung des zweiten Absatzes des 8 28 der Reichsverfassung betr., in zweiter Lesung angenommen. — Aus Bochum vom 30. Mai wird der „Volkszeitung" geschrieben: „Auf der in letzter Woche hier abgehaltenen General-Versammlung der Aktionäre der hiesigen Gußstahlfabrik hat das Direktorium und der Ver- waltungsrath einen Plan zur Bildung einer Arbeiter-Genossenschaft vor gelegt, der sowohl wegen der Prinzipien, auf denen er beruht, als durch die Bedeutung der Aufgaben, die ihm gestellt, wie durch die Größe der Mittel, die ihm zur Verfügung gestellt werden sollen, auch in weiteren Kreisen Beachtung verdient. Bei der Schnelligkeit, mit der in unserer industriellen Stadt die Bevölkerung angewachsen ist, und besonders mit der die Zahl der Arbeiter bei der raschen Entwicklung der hiesigen Gußstahl- Zndustrie gestiegen ist, von nicht ganz 200 vor 17 Zähren auf mehr als 4000 gegenwärtig, zeigt sich die unabweisbare Nothwendigkeit, mittelst des Vereinswesens d. h. durch eine genossenschaftliche Vereinigung die geistigen und leiblichen Bedürfnisse dieser, aus den verschiedensten Gegenden zusammen gekommenen, den verschiedensten Konfessionen und Altersklassen angehörigen Bevölkerung Befriedigung zu verschaffen. Das soll nun durch diese neue Genossenschaft in umfassender Weise geschehen. Sie soll also, wie es in dem Plane heißt, durch Erwerbung von Grundstücken und Gebäuden event. Neubau von Wohnungen für ca. 1000 Familien und etwa ebensoviel un- verheirathete Personen gesunde, billige und dabei den Anforderungen der Sittlichkeit in Bezug auf das Familienleben entsprechende Wohnungen schaffen. Zn Verbindung damit sollen gemeinnützige, auf die Beförderung materieller sowohl als sittlicher Zwecke gerichtete Anstalten errichtet werden, also Wasch- und Badeanstalten, Kinderbewahranstalten, Vereinslocale für Unterricht, Gesang rc. Die Genossenschaft wird ferner die Aufgaben eines Konsumvereins für ihre Mitglieder erfüllen durch An- und Verkauf von Lebensmitteln, Kleidungsstücken rc. Ebenso wird sie Spar- und Darlehns- kasse, Kranken- und Unlerstützungskasse, Znvaliden- und Pensionskasse bilden. Die Erfüllung solcher Aufgaben setzt natürlich einmal eine wohl- organisirte Verwaltung und dann eine volle, vermögensrechtliche Selbst ständigkeit gegenüber der Verwaltung der Aktiengesellschaft, aus deren Ar beitern sie gebildet wird, selbst voraus. Die Vermögensobjekte, welche die Aktiengesellschaft dieser neuen Genossenschaft zuweist, müssen ihr also zur ganz selbstständigen Verwaltung überwiesen werden. Zu einer solchen, vermögensrechtlich selbstständigen Stellung gehören natürlich vor allem Korporations-Rechte für den Verein, die für denselben bei den Staats- Behörden nachgesucht werden, da das von Schulze-Delitzsch im Reichstage vorgelegte Dereinsgesetz für jetzt wenig Aussicht auf Genehmigung im Reichs tage und im Bundesrathe zu haben scheint. Die Genossenschaft selbst wird gebildet von Beamten, Meistern und Arbeitern des Bochumer Vereins für Gußstahl-Fabrikation, die sich ihren Vorstand und ihre Verwaltung selbst wählen. Der Bochumer Verein für Gußftahl-Fabrikation behält sich dabei nur die Rechte vor, die ihm die Sicherheit gewähren, daß das Vermögen des neuen Vereins seinem Zwecke gemäß verwaltet wird und durch Auf lösung der Genossenschaft nicht gefährdet werden kann. Die Mittel, mit denen der Verein arbeiten soll, bestehen nun in der Zuweisung des von der Gußftahlfabrik für Versorgungszwecke rc. gegründeten Fonds, ferner aus den schon vorhandenen Arbeiter-Häusern, den für den Bau weiterer Häuser gekauften Grundstücken von circa 10,000 Quadrat-Ruthen, dann aus dem Vermögen der Kranken- und Unterstützungskasse, welche mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde überwiesen werden soll, dann aus dem etwa 5900 Thlr. betragenden Ueberschuß aus dem Unterstützungs-Fond vom Kriegsjahre 1870/71 und aus den Eintrittsgeldern und Beiträgen der Mitglieder selbst. Die Gesammtsumme des in dieser Weise gebildeten Vermögens beläuft sich auf circa 330,000 Thaler. Die Betriebsmittel können dann durch Beleihung dieser VermögensobMe, unter Mitwirkung der Gußftahl-Fabrik, ohne Schwierigkeit auf eine Million erhöht werden, wenn das Bedürfniß dazu sich herausstellt. Die General-Versammlung hat diesen Plan, der von dem General-Direktor Baare ausführlich dargelegt wurde, einstimmig genehmigt. Die beiden Hauptpunkte also, der der Vermögensbeschaffung und der selbst ständigen Verwaltung durch einen von Mitgliedern erwählten Vorstand sind somit jetzt schon sicher gestellt. Zetzt gehört nur noch die Gewährung von Korporationsrechten dazu, damit die neue Genossenschaft in das Leben treten kann. Daran kann aber wohl in einem solchen Falle nicht gezweifelt werden und so darf man wohl hoffen, daß dies neue und großartige Unternehmen auf dem Gebiete des Vereins- und Genossenschafts-Wesens bald in das Leben treten wird." Bayern. Der Ministerpräsident Graf Hegnenberg - Dux ist am 2. Juni Abends gegen 7 Uhr in München gestorben. Oesterreich. Das Leichenbegängniß der Erzherzogin Sophie fand am 1. Juni in feierlichster Weise unter Theilnahme der kaiserlichen Familie, der in Wien anwesenden fremden Prinzen (darunter Kronprinz Albert von Sachsen und Prinz Luitpold von Bayern), der Minister, der Mitglieder des diplomatischen Corps, aller Notabilitäten und eines zahllosen Publikums statt. — Im Abgeordnetenhause erstattete am 3. Juni der Minister des Innern Frhr. v. Lasser in längerer Rede Bericht über die Katastrophe in Böhmen, sowie über die bereits getroffenen Verfügungen der Regierung und stellte ein Creditverlangen zur Unterstützung der Betroffenen in Aussicht. Der von Herbst gestellte Dringlichkeits antrag, der Finanzausschuß möge über die Böhmen zu gewährende Staatshilfe schleunigst berichten, wurde einstimmig angenommen. Italien. Die „Italienischen Nachrichten" schreiben: „Man kann ohne Gefahr, dementirt zu werden, versichern, daß es heute kein liberales Journal giebt, welches sich nicht mit dem herzlichen Empfang beschäftigen würde, welcher in Berlin dem kronprinz- lichen Paare von Italien zu Theil wird. Einstimmig drücken alle das lebhafteste Wohlgefallen darüber aus, und dieses Ereig- niß wird nicht wenig dazu beitragen, die Bande der Sympathie und Freundschaft immer enger zu knüpfen, welche infolge der Gemeinsamkeit der Interessen Deutschland und Italien, wie wir hoffen, unlösbar mit einander verbinden. Die clericale Presse drückt ohne irgend welche Zurückhaltung ihren Unwillen über diese, den Italienern in der Person ihrer Fürsten erwiesenen Freundschaftsbezeugungen aus." — Nachrichten aus Ferrara melden den „Jtal. Nachr.", daß der Po den Damm auf seiner rechten Seite bei Rho durchbrochen hat. Da das Bett des Flusses hier viel höher liegt, als die umgebenden Felder, so war der Fall des Wassers schrecklich, mit dem der entfesselte Po sich über dieselben ergoß. Das Dorf Rho ist ganz unter Wasser und Copparo ernstlich bedroht. Die Schäden sind un berechenbar. Frankreich. Die Nationalversammlung hat am 3. Juni den Artikel 23 des Kriegsdienstgesetzes, welcher bestimmt, daß junge Leute unter Angabe von Gründen bei dem Municipalrath ihres Heimathsorts um Aufschub ihrer Einberufung einkommen können, mit der Modification angenommen, daß der Aufschub der Einberufung weder eine Dispensation, noch die Befreiung vom Dienste enthält, die Dienstpflichtigen, denen ein Aufschub der Einberufung gewährt wird, vielmehr die volle Kriegsdienstzeit dienen müssen. Ferner gelangten noch die Artikel 24 bis 36 zur Annahme. Spanien. Gutem Vernehmen nach sollen die vom Marschall Serrano bisher abgegebenen Erklärungen bezüglich der Convention von Amorovieta als befriedigend angesehen werden, zumal Art. 4 der Convention schon deshalb keine hervorragende praktische Be deutung haben dürfte, da kein Offizier der activen Armee zu den Carliften übergetreten sei. Nur drei ehemalige Offiziere der Armee haben sich an dem Aufstande betheiligt und werden jetzt wieder in ihr früheres inactives Verhältniß zurückversetzt werden. Drei neue Banden haben ihre Unterwerfung vollzogen und die Waffen ausgeliefert. — Der Congreß hat nach Anhörung der Erklä rungen des Marschalls Serrano über die Convention von Amorovieta mit 144 gegen 22 Stimmen den den Insurgenten zugesagten Generalpardon gutgeheißen und das Verhalten Ser- rano's gebilligt. — Marschall Serrano hat am 3. Juni den Eid als Ministerpräsident und Kriegsminister geleistet.