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471 Eine Thüre im Hintergründe hatte sich leise, den Liebenden unmerkbar, geöffnet. Ein bleiches Männerangesicht tauchte daraus hervor und blieb am Eingänge hasten. Es war mehr schmerzliche Empörung und stille Resignation darin ausgedrückt, als Wuth und Ueberraschung. Es schien dem Eingetretenen peinlich zu sein, den ungeahnten Lauscher zu spielen, deshalb trat er kräftig der Gruppe näher, die ihn erst dann bemerkte und auseinanderfuhr. „Philipp!" rief die Dame leise, doch etwas ihrer Fassung beraubt. Dem Antlitz des jungen Mannes schien alles Blut zu entweichen. Un entschlossen starrte er bald die Geliebte, bald den so plötzlich erschienenen jungen Mann an. Eine furchtbare Pause entstand, nur ausgefüllt von den heftigen Schlägen dreier Menschenherzen, die fast hörbar an die Rippen pochten. Das ist der Wellenschlag des Sturmes, der schon manches Menschen glück verschlang. Philipp maß die Beiden mit ernstem Blicke. „Ich hab's geahnt", sagte er hierauf dumpf. „Aber daß es schon so weit wäre, daß man in meinem eigenen Hause sich vergessen konnte, Scham und Ehre zu verleugnen, das schmerzt mich tief." Wieder schwiegen alle drei. Therese suchte augenscheinlich nach einem Plane, die Situation zu beherrschen. Der Jurist hatte seinen Hut ergriffen und benutzte die gewitterhafte Pause, sich der Thüre zu nähern. «Bleiben Sie, mein Herr!" herrschte Philipp mit ungeahnter Energie. „Wissen Sie, daß ich Rechenschaft von Ihnen fordern könnte für diese ungeheure Entheiligung meiner Hausehre? Ich würde mich nicht scheuen, Ihnen die Ladung eines Pistols in die Nippen zu jagen, wenn ich nicht noch an ein besseres Selbst in Ihnen glaubte. Aber hüten Sie sich, mein Herr! Noch bin ich Soldat und wenn auch krank, doch kräftig genug, den Feind meines Glückes zu zerschmettern und Ihnen zu thun, wie ich dem Feinde des Vaterlandes begegnete. Nicht ein Wort! Gehen Sie, aber das Kainszeichen meiner Verachtung nehmen Sie mit sich." Richard stampfte wüthend den Parquetboden und schien etwas erwidern zu wollen, aber ein bittender Blick Theresens bewirkte seine Umstimmung. Er stürzte, ohne ein Wort zu sprechen, durch die Thüre. Therese hatte ihre Rube wiedergefunden. Das Diabolische in ihrer Natur bereitete sich vor, dem schwerbeleidigten Gatten zuvorzukommen, ihm selbst eine Scene zu macken. Philipp kannte jedoch ihren Charakter zu gut, um sich imponiren zu lassen. „ Sie legen es darauf an, Madame", sprach er langsam und mit Würde, „unser Verbältniß zu zerreißen, ich weiß das, und ich will Ihnen nickt länger im Wege stehen. Mir war es bewußt, daß Sie schon seit Jahren eine Verbindung mit diesem Schwächling unterhalten, den Sie in Ihrer Hand wie Wachs kneten. Mit mir mußte dieser Versuck mißlingen, ick bin Eisen, Madame, aber leider sind Sie nicht so sehr Magnet, um mich nnzuziehen. Meine Träume, Ihre Gegenliebe durch Nachgiebigkeit zu erwerben, sind furchtbar unterbrochen worden. Ich gebe Sie auf, Madame, und will nur Ihrem Begünstigten wünschen, daß er glücklicher ist im Besitze Ihrer Hand, als ich cs war." „Sie willigen also in unsre Scheidung?" warf sie hastig ein. „Warum nicht? Es würde doch nichts nutzen, einen Roman weiterzu- sühren, in welchem die Liebe fehlt. Weh thut es mir, reckt sehr weh, daß Sie nicht einmal meine völlige Genesung abwartcn konnten, Ihre Pläne zu vollsühren. Hätte der Krieg nickt meine Nerven gestählt, ick würde den neuen Schlag nicht zu ertragen vermögen. Als ick, am Typhus erkrankt, aus dem Felde in der Heimath ankam, da sah ich Sie wieder und Sie er schienen mir wie ein Engel des Trostes. Für die Kälte und Lieblosigkeit, die Sie mir früher gezeigt hatten, war mir das Gedäcktniß entschwunden. Der Wille unsrer Angehörigen führte uns zum Altar, ich sollte an Ihrem Herzen Genesung und Pflege finden, — und was haben Sie mir dafür gegeben?" Das Herz Theresens schien einer weicheren Regung zngängig zu werden, doch sie bezwang dieselbe und entgegnete auf Philipps Worte: „Wozu die Vorwürfe? Sie verschlimmern nur unsere gegenseitige Lage. Ich habe Ihnen nie eine Liebe geheuchelt, von der mein Herz nichts wußte. Wir irrten Beide, als wir glaubten, daß wir für einander bestimmt seien. Es ist glücklicherweise noch nickt zu spät zur Umkehr. Wir sind Beide noch jung, wir können noch glücklich werden, aber nur, indem wir uns tren nen." „Wohl denn, trennen wir uns, da Sie von diesem Gedanken so ganz erfüllt zu sein scheinen. Ich werde morgen die nöthigen Einleitungen zu unserer gesetzlichen Scheidung treffen." Philipp ging. Es fröstelte ihn in der Gesellschaft jener kaltherzigen Schlange, die er seine Gattin nannte. Ein Gefühl unendlicher Verlassenheit überkam den bleichen Mann, der noch an den Nachwirkungen des schleichenden Typhusfiebers litt, welches so gerne dem Soldaten aufhockt, wenn er das Feld der Ehre beschreitet. In seinem Zimmer angekommen, warf sich Philipp auf das Bett und sprach für sich: „Guter, ehrlicher Theobald! Hättest Du damals bei Sedan den fahnen flüchtigen Freund erschossen oder ihn auf den Sandhaufen knieen lassen, so wäre mir erspart geblieben, die größte Schmach meines Lebens ruhig an mir vorübcrgehen lassen zu müssen. Aber ich habe es an Dir, ich habe es an Vielen verdient, dieses Geschick. Hochmüthig, falsch bin ich gewesen und mit kalter Berechnung ging ick zu Werke, wo es das Glück einer Un schuld galt, die mir ganz vertrante. Nun straft mich Gott mit einem falschen, mattherzigen Weibe, die meine Schande bei unverschlossenen Thüren abspielt. O, es ist weit gekommen mit mir!" Schlaflos verbrachte er die Nacht und warf sich oft schluchzend von einem Kisten in das andere, vom Gewissen und dem niederdrückenden Gefühle seines Unglücks geschüttelt. Das ist eine gar schlechte Bettgenossenschaft und läßt die Nacht zu einer halben Ewigkeit ausdehnen. Da begrüßt man den Morgen wie eine Erlösung und lernt beten vor Freude und Entzücken, wenn die ersten Strahlen der weltverklärenden Sonne auf die müden Augen fallen, die Nebel verscheuchend, die sich rings um uns gelagert. Die bange Gesvenstcrnacht war herum und Philipp verfügte sich nach dem Comptoir seines Onkels, des Bankier Z., dessen Theilhaber am Ge schäft er seit seiner Verheiratung geworden war. An das Arbeiten dachte er heute nicht; er erwartete das Erscheinen des Onkels mit wahrer Sehnsucht. Lange ließ sich heute der Börsenfürst erwarten und als er endlich kam, brachte er eine ziemlich schlechte Laune mit, die er seinem längeren Ausbleiben im Casino gestern zusckreiben konnte, wo er im Spiele nicht unbedeutende Summen verloren hatte. „Was giebt's, Philipp? Hast Du neue Coursnotirungen?" fragte er. „Gewiß, Onkel," erwiderte dieser ernst, „meine Course stehen flau, ich muß auf Baisse speculiren und die Differenz auf das Verlustkonto über tragen." „Seltsame Redensarten", murmelte der Geldmann. „Hat etwa ein amerikanisches Haus fallirt, dem wir geliefert hatten?" „Nicht ein amerikanisches Haus hat fallirt, lieber Onkel, sondern mein eigenes. Meine Frau ist in meiner Achtung gefallen, so tief, daß kein Börsenmanöver dies Effect wieder herstellt." „ Junge, ich liebe diese allegorischen Fixfarereien nickt", eiferte der Mann des Geschäfts. „Sage kurz und klar, was sich erreignete. Hast Du Dich mit Deiner Frau gezankt? Das gehört zu den Alltäglichkeiten. Ich war meiner seligen Frau herzlich gut, aber zanken mußte sie mit mir alle Tage, sonst schmeckte ihr und mir kein Bissen. Der Zank leistet die Dienste einer Gartenspritze, er feuchtet die dürrwerdendcn Blatter im Ehegarten alle Tage an. Bist Du nicht glücklich?" Philipp läckelte bitter. „Sie find der Schöpfer meines Glückes, Sie müssen also Alles erfahren, was sich auf dieses sogenannte Glück bezieht. Soeben gehe ich zum Advokaten, um die Scheidung einzuleiten." Der Bankier schob die Brille verwundert in die Höhe: „Welcher Teufel plagt Dich, Neffe?" „Gar keiner", entgegnete Philipp, „oder doch ein Hausteufel, den Sie mir erorciren helfen sollen." Nun erzählte er ausführlicher. (Fortsetzung folgt.) Musik-Herein. Heute und jede Mittwoch halb 8 Uhr. (Damen.) E Freitag. Bahnhof. Geschäftliches. Feine Matjes - Heringe empfing und empfiehlt Marktgaffe. Französische Catharinen - Pflaumen, türkische Pflaumen, amerikanische geschälte Aepfel, süse getrocknete Kirschen, gesottenes Pflaumenmus, gesottene Preiselbeeren, Magdeburger Sauerkraut empfiehlt Mast Hammelfleisch die fetteste Waare, prämiirt bei hiesiger Thierschau, empfiehlt von morgen an Marien-Allee. Tausende von Geheilten sowohl als die Mehrzahl der I Herren Aerzte bestätigen durch Zeugnisse, daß die Lampert- 8 fchen Heilmittel*) n 24, 5, 8 und 15 Sgr., respective 8 deren regelmäßig fortgesetzter Gebrauch nur 8 allein im Stande ist, Gicht und rheumatische Leiden 8 sowohl als auch offene und aufzugehende Wunden, Geschwüre, Beulen, Verrenkungen, Nuetschunr 8 gen vollständig und schnell zu heilen. *) Allein echt in der Apotheke zu Großenhain. Eir^ÄrbeiWferd, sichrer Einspänner, und zwei Holländer Bullen, 1^ und 2jährig, sind zu verkaufen. Rittergut Zschieschen.