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376 Dampfschiffes nach Peschiera gefahren, um von dort über Mai land und Arona (an der Südspitze des Lago - Maggiore) nach Stresa sich zu begeben. Nach einer weiteren Meldung sind Ihre Majestäten am 7. Mai Abends in bestem Wohlsein in Stresa eingetroffen. Die Ankunft erfolgte leider bei eingetretenem Regen wetter. — Für die an der Reichsstraße zu Dresden zu erbauende russische Kapelle wurde am 7. Mai der Grundstein gelegt. Der Bau soll in allrussischem Kirchensthle gehalten werden, welcher in dieser Weise in Deutschland noch nicht vertreten sein dürfte. — In Crimmitschau ist die von den Schneidergehilfen an die Meister gestellte Forderung einer Lohnerhöhung von 16^ von den selben, mit Ausnahme eines, zurückgewiesen worden. Die Ge hilfen beharrten nicht nur auf ihrer Forderung, sondern verlangen jetzt eine Lohnerhöhung von 20 Der unverheirathete Theil derselben sollte am 6. Mai die Stadt verlassen. — Während der beendigten Leipziger Ostermesse wurden bei dasigem Fremdenbüreau 24,035 Fremde angemeldet, und zwar 10,288 aus Gasthäusern und 13,747 aus Privatwohnungen. Die Anzahl der ausgestellten Anmeldescheine betrug 12,460. Die Gesammtfrequenz der Mi- chaelismesse bezifferte sich nur auf 23,273 Fremdenanmeldungen und 11,911 ausgestellte Anmeldescheine. Preußen. Die am 8. Mai erschienene „Prev.-Corresp." hebt hervor, daß die Berufung des Cardinals Fürsten v. Hohen lohe zum Vertreter beim Papst ein Schritt der Versöhnlichkeit und zuversichtlichen Entgegenkommens gewesen sei. Die kaiser liche Regierung werde in der Ablehnung des Papstes mit Be dauern ein Anzeichen erkennen, daß in Rom auf gegenseitige vertrauensvolle Beziehungen ein nicht gleich hoher Werth gelegt werde. — Die „Prov.-Corr." meldet ferner, der Kaiser werde voraussichtlich früher als in den letzten Jahren die Cur in Ems beginnen. — Schließlich bestätigt die „Prov.-Corr.", daß der Reichskanzler Fürst v. Bismarck aus Gesundheitsrücksichten nach Erledigung der dringendsten Aufgaben der Reichsverwaltung einen mehrmonatlichen Urlaub anzutreten gedenke. — Die Petitions- Commission des Reichstags hat am 8. Mai bezüglich der Je suiten - Petitionen den Antrag des Referenten Abg. vr. Gneist angenommen, welcher eine Verständigung der Bundesregierungen über gemeinsame Grundsätze betreffs der Zulassung religiöser Orden und Einbringung eines Gesetzentwurfs fordert, der die Niederlassung der Jesuiten und verwandten Congregationen ohne Zustimmung der Landesregierung unter Strafe stellt. — Ueber den Exceß, der während des Straßburger Universitätsfestes in einem dasigen Restaurationslocal stattfand, wird von den fran zösischen Blättern viel Wesens gemacht, während dem „Fr. I." über den Verlauf desselben „auf Grund verlässiger Erhebungen" Folgendes berichtet wird: Die stark besuchte Taverne Alsacienne gilt, wie das Cafe Broglie, als Schmollwinkel der Mißvergnüg ten, weshalb wegen verschiedener Vorkommnisse schon dem Eigen thümer polizeiliche Verwarnungen zugekommen sind. An dem betreffenden Abend wurde dort einigen Gästen aus der Genossen schaft der „Argentina", also elsässer Studenten, welche Corps- tendenzen nicht haben, von Straßburger Bürgern die Anmuthung gemacht, neben ihren Verbindungsfarben die Tricolore anzustecken, was sie zurückwiesen. Darob von den Straßburgern gehöhnt und bedrängt, suchten sie Verstärkung bei anderen Studenten, die in einem dichtbei gelegenen Cafe kneipten, und dieser Stu dentenkreis gab dann in der Taverne Alsacienne selbst seine Gesinnung durch Absingung der „Wacht am Rhein", weiter aber auch, als man ihr Lied auspfiff, durch naturwüchsige Ohr feigen kund. Darauf schritt Schutzmannschannschaft ein, kräftig unterstützt von einigen beigezogenen Soldaten, welche, fünf an Zahl, die ganze französische Gesellschaft in der ihnen geläufigen Weise zum Tempel hinauswarf. Nur der dabei mit untergelau fenen Beschädigungen am Local wegen war dieses kurze Zeit geschlossen. Oesterreich. Der Reichsrath ist am 7. Mai wieder zu sammengetreten. In der ersten Sitzung leisteten 25 anwesende böhmische Abgeordnete die Angelobung. Das Präsidium wurde einstimmig ermächtigt, dem Kaiser die Glückwünsche des Hauses anläßlich der Verlobung der Erzherzogin Gisela zu unterbreiten. — Am 7. Mai Morgens ist das Laboratorium der Zündhütchen fabrik von Sellier zu Prag in die Lust geflogen; es sollen dabei einige Tödtungen vorgekommen sei. — Julie Ebergenhi, die Mör derin der Gräfin Chorinskh, ist, wie man dem Wiener „Frem denblatt" mittheilt, am 4. April aus der Strafanstalt Neudorf in die Irrenanstalt übergeführt worden, nachdem sich Symptome von Geistesverwirrung bei derselben bereits vor längerer Zeit gezeigt hatten. Schweiz. Der Große Rath von Basel hat mit 92 gegen 8 Stimmen die der französischen Ostbahngesellschaft ertheilte Concession für erloschen und mit allen von der Baseler Regierung gegen die Ostbahn ergriffenen Maßregeln sich einverstanden erklärt. Frankreich. In der Sitzung der Nationalversammlung am 7. Mai legte der Kriegsminister de Cisseh den Gesetzentwurf, betreffend die Zusammensetzung des Kriegsgerichts gegen den Marschall Bazaine, vor. Die Versammlung beschloß die Dring lichkeit der Berathung dieses Gesetzentwurfs. Spanien. Die unter dem Commando des Don Carlos in der Provinz Navarra vereinigten Carlistischen Banden sind am 4. Mai durch General Morenos bei Orosquieta vollständig ge schlagen worden. Die Carlisten verloren 40 Todte, 10 Ver wundete und 730 Gefangene. Nach weiteren Meldungen haben sich in Navarra 429 Insurgenten ergeben, der Rest hat sich zerstreut. Der Gouverneur von Pampelona zeigte an, daß Don Carlos, nur von einem Priester begleitet, nach Frankreich ent kommen sei. Cngland. Ein Telegramm der „Times" aus Philadelphia vom 6. Mai meldet: Earl Granville hat das vorgeschlagene Princip in der Alabamafrage acceptirt; er bestand jedoch darauf, dasselbe auf diejenigen Ansprüche zu beschränken, welche auf ähn liche Weise und unter ähnlichen Verhältnissen entstanden sind, wie die, unter denen der Washingtoner Vertrag zu Stande kam. Granville besteht ferner auch darauf, daß Amerika die indirecten Ansprüche aus der Klageschrift zurückziehe, weil dieselben durch den Washingtoner Vertrag ausgeschlossen seien. Die amerikanische Regierung scheint diesem Vorschläge abgeneigt und hält die Zurück ziehung der Klageschrift für unzulässig. — Laut in London ein gegangenen Nachrichten hat die Abtretung der niederländischen Besitzungen an den Küsten Afrikas an England unter öffentlichen Freudenbezeigungen und ohne jede Spur eines Widerstandes statt gefunden. Der König von Elmina hat abgedankt. Rumänien. Fürst Karl hat zwei der verurtheilten Juden begnadigt, drei anderen die Strafe gemildert. Türkei. Der „Courrier de l'Orient" veröffentlicht ein ihm zugegangenes Telegramm aus Gallipoli vom 4. Mai, wonach auf der Insel Marmara (an der Mündung der Dardanetten- straße in das Marmarameer gelegen) bereits seit drei Tagen Judenverfolgungen stattfinden, angeblich, weil ein Grieche ver schwunden sei. Die Synagoge ist demolirt, die Wohnungen der Juden und die Judengewölbe werden geplündert, die Rabbiner ins Gefängniß gesetzt. Die verfolgten jüdischen Familien flüchten sich in die Häuser der Türken. Der Mann ohne Namen.*) Original-Erzählung von Oscar Giehler. 1. Nur von einfachen Menschen weiß ich Dir heute zu erzählen, lieber Leser, und muß Situationen schildern, die sich alltäglich wiederholen. Haft Du also einen sogenannten verfeinerten Geschmack und ist Deine Nase an Salon gerüche und Ambraduft der Mode gewöhnt, dann greife zu etwas Anderem, denn wir Zwei können uns heute nicht verständigen. Du müßtest denn die Sprache der Bedrängten verstehen und ein feines Ohr haben für die unrhythmischen Schwingungen der zerrissenen Saiten im Menschenleben. Der alte Martin G. war arm, aber ehrlich. Für das erstere konnte er nicht, denn er hatte redlich gekämpft um eine menschenwürdigere Existenz, aber es war ihm nicht möglich gewesen, sich den Umarmungen des Dämons „Armuth" zu entreißen, der schon Milliarden in seinen Fängen zerdrückte; das zweite aber war sein eigenes Verdienst, er hatte sich frei gehalten von den Lockungen der Welt, sich am Gute Anderer zu bereichern und es wäre ihm doch so leicht gewesen, wenn er zugreifen wollte. Er war Cassenbeamter gewesen, bei einem Bankier in der Hauptstadt. Hunderttausende rannen durch seine Hände, aber nicht ein einziges Goldstück blieb an seinen Fingern hängen, obgleich es ihm nicht an bösen Vorbildern fehlte, die mit einem Sacke geraubten Goldes das Land der Verheißung aller Spitzbuben, Amerika, aufsuchten. Mehr als einmal trat der Versucher vor sein^Seele, standhaft aber blieb der ehrliche Martin und hielt das einzige Gut der Armuth fest, *) Unbefugter Nachdruck wird nach Bundesgesetz vom 11. Inni 1870 gerichtlich verfolgt.