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Großenhainer Werh Mings- und AWMaü. Amtsblatt des Königlichen Gerichtsamts und Stadtraths zu Großenhain. Redigirt, gedruckt und verlegt von Herrmann Starke in Großenhain. H3» Dienstag, den 8. November L8V« Dfsicielle Kriegsnachrichten. (Nr. 79.) Versailles, den 4. November. Die Festung! Belfort ist nach mehreren kleinen siegreichen Gefechten seit dem 3. von diesseitigen Truppen cernirt. v. Podbielsky. Aus einer Mittheilung des commandirenden Generals v. Za strow ergiebt sich, daß bis jetzt in Metz vorgefunden sind: 53 Adler und Fahnen, 541 Feldgeschütze, das Material für mehr als 85 Batterien, gegen 800 Festungsgeschütze, 66 Mitrailleusen, gegen 300,000 Gewehre, Kürasse, Säbel rc. in größter Anzahl, gegen 2000 Militärfahrzeuge, sowie nicht verarbeitetes Holz, Blei, Bronce in großen Massen, eine vollständig eingerichtete werthvolle Pulverfabrik rc. (Nr. 80.) Künheim, den 7. Novbr. Fort Mortier (bei der Festung Neu-Breisach, am Rhein gelegen) hat heute Nacht capitulirt. 220 Gefangene wurden gemacht, 5 Geschütze ge nommen. v. Schmeling. Versailles, den 6. Novbr. Am 6. sind keine Engagements gemeldet worden. v. Podbielsky. Tagesnachrichten. Sachsen. Von den in Metz gemachten französischen Ge- fangenen ist am 5. Novbr. früh 8 Uhr der erste Transport von 2066 Mann, wobei 300 Kranke (meist Fußkranke) waren , in Dresden angekommen. Sie hatten nach ihrer Waffenstreckung vier Tage und drei Nächte, sei es marschirend, sei es bivoua- quirend, unter freiem Himmel zugebracht, so daß ihre Uniform zolldicke Schlammmassen angenommen hatte. Die Marschfähigen wurden abgetheilt und nach dem Barakenlager bei Uebigau ab geführt, während die Kranken verbunden und verpflegt und nach den Lazarethen gebracht wurden. Gegen Mittag kam alsdann ein Zug mit 890 französischen Offizieren und 832 Soldaten in Dresden an, welcher in zwei Züge getheilt und nach kurzem Aufenthalt nach Glogau weiter spedirt wurde. — Am Riesaer Elbkai verunglückte am 2. Novbr. ein Schleppkahn mit einer Ladung von ca. 1300 Centnern chemischer Producte, 5000 bis 6000 Thlr. an Werth, welche bis auf 188 Ballons Schwefel und Salzsäure als verloren zu betrachten sind. Preußen. Der „St.-A." vom 5. Novbr. schreibt über die Lage von Paris: Nach der Capitulation von Metz und der Armee des Marschalls Bazaine hat sich die Lage der Hauptstadt und des ganzen Landes noch um Vieles ungünstiger als bisher gestaltet, und diese Erkenntniß wird sich trotz der herrschenden Verblendung endlich doch Bahn brechen müssen. Alle weitern Vorbereitungen zum Angriff werden inzwischen während dieser sechswöchentlichen Periode so weit vorgeschritten sein, daß es zum Beginn desselben wohl nur noch des Befehls des königlichen Oberfeldherrn bedürfen würde. — Die „Schl. Ztg." schreibt zur Waffenstillstandsfrage: Sollten die kriegführenden Mächte über den angebotenen 25tägigen Waffenstillstand einig werden, so würde im Falle späterer Wiederaufnahme der Feindseligkeiten schon der Zeitverlust schwer zu unserm Nachtheil wirken, überdies aber würde der Krieg an sich dann wahrscheinlich größere Dimensionen annehmen und länger währen, als es bei ununter brochenem Fortgange der Operationen zu erwarten ist. Wir müssen also annehmen, daß auf deutscher Seite an maßgebender Stelle die Hoffnung lebendig ist, der Waffenstillstand werde unmittelbar zum Frieden führen. Dann aber wäre die Er wartung kaum noch berechtigt, daß die feindliche Hauptstadt unsern Heeren ihre Thore öffnen werde. So sehr wir unsern braven Kriegern die Genugthunng wünschen, in Paris einzurücken, und so stolz und freudig bewegt jede deutsche Brust bei dem Gedanken klopfen würde, daß unser Siegesbanner auf den Tuilerien wehte, so handelt es sich doch um zu ernste Dinge, als daß solche Rücksichten entscheidend ins Gewicht fallen könnten. Darin aber stimmen unsre früher« Ausführungen mit den be sonnensten Organen der öffentlichen Meinung Deutschlands überein, daß das sittlich berechtigte höchste Ziel des Krieges nur erreicht werden kann, wenn der Frieden in Paris geschlossen wird. Bricht sich unser Siegeslauf vor den Mauern der Stadt, dann wird sich Frankreich, auch wenn uns sonst günstige Bedingungen gewährt werden, nicht für überwunden halten. Der alte Größen wahn wird fortbestehen und Europa durch unsern Krieg nicht die Bürgschaften des Friedens erlangen, die andernfalls geboten würden. Der Krieg wäre, trotz unsrer imponirenden und un unterbrochenen Waffenersolge, nicht ausgekämpft. Solchen Krie gen aber folgt nach Ausweis der Geschichte selten ein Frieden von Dauer. Einstweilen ist es durchaus noch nicht ausgemacht, daß der Waffenstillstand zu Stande kommen werde. Wenn man sich in Tours dafür erklärt, kann man sich in Paris dagegen erklären und umgekehrt. Eine Verständigung zwischen den beiden Regierungen zu Tours und Paris ist um so schwerer, als beide in sich nicht einig sind, sondern, wie die Pariser Ereignisse vom -31. October zeigen, die entgegengesetztesten Elemente in sich ent halten. Es scheint, als wenn die Zerrüttung und Noth in Frankreich noch viel größer werden müßte, als sie bereits ist, wenn die Franzosen zu der Einsicht gelangen sollen, daß sie sich um jeden Preis mit den Siegern einigen müssen. — Am 5. Novbr. sind zwei Ballons mit fünf Personen von preußischen Husaren abgefangen und nach Versailles abgeliefert worden. Italien. Ein Bericht des Ministerrathes an den König, betreffend das Auflösungsdecret der Kammern, sagt: Nachdem das Nationalgefühl nunmehr durch die Erwerbung Roms be friedigt erscheint, so handele es sich darum, die Mittel zu finden, um die Frage eines stabilen Domiciles des päpstlichen Stuhles, sowie das Problem zu lösen, befriedigende Beziehungen zwischen Italien und dem Papste herbeizuführen, indem demselben seine finan zielle und rechtliche Lage gesichert und jeder Verdacht beseitigt wird, als beabsichtige Italien, sich in die Angelegenheiten der Kirche einzumischen. Dies sei, so fügt der Bericht hinzu, die Ansicht des überwiegenden Theiles der nationalen, Partei, welche, wohl begehrt habe, daß Rom die Hauptstadt Italiens werde, dabei aber nie unterließ, das Versprechen zu geben, daß sie die Frei heit der Kirche und die Unabhängigkeit des päpstlichen Stuhles achten werde. Der König habe bei Empfangnahme des römischen Plebiöcits Erklärungen im gleichen Sinne abgegeben. Die Re gierung, treu ihren gegebenen Versprechungen, hält es für ihre