Volltext Seite (XML)
439 Brust wandte sie sich nach dem Mittagessen, und nachdem Egmont sich mit dem Versprechen entfernt hatte, am Abend seinen Besuch zu wiederholen, an die Frau des Predigers, erklärte ihr unverholen ihre Empfindungen, und bat sie, sich mir Rath und Lhat in dieser Sache ihrer anzunchmen. Die Predigerin hielt cs für das Beste, ihren Mann bei dieser Berathung mit hinzuzuziehen, und dieser, da ihm die Verbindung beider Personen überaus angemessen, ja gewissermaßen durch eine höhere Leitung herbeigeführt zu sein schien, war sehr gern bereit, hierbei eine Mittels person zu machen. Er suchte deßhalb Egmont in seiner Wohnung auf, und erbat sich seine Gesellschaft für diesen Nachmittag zu einem Spaziergang nach einem kleinen sehr versteckt liegenden Wasserfall in der Nähe des Orts. Unterwegs lenkte sich das Gespräch sehr bald auf die Gräfin, und als der Prediger scherzhaft des nicht unbemerkt ge bliebenen Eindrucks erwähnte, den sie auf Egmont gemacht habe, gestand dieser ganz offen, wie sehr er sich hingezogen zu ihr fühle und wie schmerzlich er es empfinde, bei den obwaltenden Verhältnissen seine Neigung bekämpfen zu müssen. Warum denn bekämpfen müssen, fragte der Prediger, soviel ich aus Ihren Erzählungen abgenommen habe, sind Sic ein freier Mann und durch keine anderwcile Ver-' pflichtungen gebunden, und da sie aus einer alten berühmten Familie entsprossen sind, mithin von einer Mesalliance für die Gräfin eigentlich nicht die Rede ist, da sich ferner unverkennbar darlcgt, daß diese nur den Antrag erwartet, um mit Freude ihr'Ja ouszüsprechcn, so stehe ich wirklich nicht ob ... — Ach, Herr Prediger, unterbrach ihn Eg mont, die Aussicht, die Sie mir in ein Paradies eröffnen, und die auch mir gewordene Ueberzcugung, daß ich es wohl erringen könnte, macht mich nur um so unglücklicher, da Ebre und Selbstgefühl mir cs durchaus verbieten, diese Verbindung zu knüpfen. Der Prediger sah ihn befremdet an. — Ich bin, fuhr Egmont fort, ohne alles Vermögen, ja, in diesem Augenblick wirklich arm zu nennen, schließe ich also eine Verbindung mit der reichen Gräfin, so muß ich vor mir selbst die Augen niederschlagen, das köstlichste Gefühl des Mannes, die Selbstständigkeit wäre verloren, bei jedem Biffen, den ich genösse, müßte ich mich bei meiner Frau bedanken, immer eingestchcnd, wie ich nichts wär« ohne sie, in allen Gesellschaften würde man sich zuflüstcrn, der arme Schlucker bat sein Glück gemacht, er spielt den Herrn und ist eigentlich doch nur der Diener u. s. w., nein, nein, möge mein Herz lieber brechen, als die Achtung vor mir selbst verloren gehen. — Ich habe Sie auSreden lassen, Herr v. H..., erwiderte der Prediger, und muß zuvörderst bemerken, daß ich ganz einverstanden mir Ihren Grundsätzen bin, aber nicht zugeben kann, daß Ihre eben gemachten Schilderungen auf den vorliegenden Fall An wendung finden. — Wie? mein hochgeschätzter Freund, Sie ständen arm vor der Gräfin? Nimmermehr! Was wäre denn jetzt die Gräfin ohne Sie? Läßt sich wohl einen Augenblick zweifeln, daß dieselbe, wenn sie nur durch die Hingabe ihres ganzen Vermögens aus der gräßlichen Lage, in der sie sich befand, hätte gerettet werden können, vieles sehr gern zum Opfer gebracht haben würde? Da sie also jetzt nur Ihnen das köstlichste Gut, das Leben, zu danken hat, mithin Ihre größte Schuldnerin geworden ist, aber außer Stand gesetzt werden soll, ihre Schuld auf irgend eine Weise abzutragen, so frage ich Sie, wer hier eigent lich als der Arme erscheint? Noch mehr — warum sollte ich gegen einen Mann von so edler Denkart die Wahrheit nur im Mindesten zu verhüllen suchen, — die Gräfin liebt Sie, sie hat sich meiner Frou entdeckt, und würde höchst unglücklich werden, wenn Sie nicht gleiche Gesinnungen hegten. Haben Sie also nicht erheblichere Gründe, als die vorerwähnten gegen diese Verbindung, so zerstören Sie doch ja nicht eigensinnig Ihr beiderseitiges Glück, betrachten Sie das Ganze vielmehr als eine wundersame Fügung des Himmels, der nicht cntgcgcng,strebt werden muß und die gewiß zu Ihrem beiderseitigen Heile führen wird. Da die ganze Sache in Egmont'S Herzen selbst den eifrigsten Verfechter fand, so vertheidigle er seine Ansichten und geäußerten Grundsätze nur noch mit sehr schwachen Mitteln, und gab endlich, besonders durch den Umstand, daß Emilie selbst sich schon so günstig für ihn erklärt hatte, besi.gt, den Ermahnungen des Predigers nach, und ließ eS gern geschehen, daß dieser als Brautwerber für ihn bei der Gräfin auftreten wolle. Sie kehrten nun eilig zurück, Egmont begab sich nach seiner Wohnung und wollte hier den Prediger, der ihm versprochen hatte, Emiliens Erklärung ohne Säumen zu überbringen, erwarten. Mit hochklopfendem, freudigem Herzen nahm die Gräfin des Predigers Werbung auf; dieser eilte daher sofort mit dem beglückenden Jawort zu Egmont, und noch an dem selben Abend ward in dem Familienkreise des würdigen Geistlichen die Verlobung eines Paares gefeiert, das, wenn cs gleich eben erst durch außerordentliche Umstände sich ge funden hatte, dennoch für einander geschaffen schien, und zwischen welchen gleich ein so inniges Verhältnis sich bil dete, daß jeder Beobachter diesen beiden Personen das un getrübteste Lcbensglück prophezeihtc, — und doch sollte es ganz anders kommen. Die Gräfin beeilte nun ihre Abreise, benachrichtigte aber vorher ihre Freundin, die Frau v. S , durch «ine Estafette von Allem, was sich ereignet halte, machte ihr bekannt, daß gleich in den ersten Tagen ihrer Ankunft ihre Hochzeit gefeiert werden solle, bat sie zu dem Ende, alle nölhigen Vorkehrungen zu treffen, und bestimmte die Zim mer ihres Schlosses, welche als besondere Geschäfts- und Wohnzimmer ihres künftigen Gemahls eingerichtet, und wie solche zu dessen würdiger Aufnahme ausgeschmückt werden sollten. Egmont begleitete zu Pferde seine Braut nur einige Meilen weit und verließ sic dann, thcils um noch cincn kleinen Abstecher zu einem nicht sehr entfernt, in einer fürstlichen Residenz wohnenden, seit mehreren Jahren nicht gesehenen allen Onkel zu machen, theils aber auch, weil es ihm, aus dem immer in ihm wieder aufkeimenden Gefühl seiner Mittellosigkeit, peinlich war, mit der Gräfin zugleich auf ihrem Gute cinzutreffen und von ihr eingcführt zu werden. Er versprach indeß, seine Rückkunft möglichst zu beeilen, und Emiliens zärtliche Blicke folgten ihrem Geliebten, so weit ihr Auge reichte. (Fortsetzung folgt.) Geschäfts - Ueberficht bei der Polizeiverwaltung des Stadtraths zu Großenhain. Im Monat August 1859 wurden angezeigt: I wegen unerlaubten Handels mit Medikamenten, 1 wegen mangel hafter Beaufsichtigung ihres Kindes, 1 wegen ungebühr lichen Betragens gegen einen städtischen Einsammler, 1 wegen unerlaubten Ausspielcns eincr Taschenuhr, 1 wegen unterlassener Anmeldung seines Gehülfen, 1 wegen unge bührlichen Betragens, 1 wegen Verletzung der SonntagS- feicr, 2 wegen unterlassener Anmeldung ihrer Dienstboten, 1 wegen verbotener Rückkehr in hiesige Stadt, 2 wegen Entlaufens aus dem Dienst, 2 wegen unbefugter Aufent haltsgestattung, 3 wegen Exceß, 1 wegen Legitimations mangels, 1 wegen in seinem Hause Vorgefundener Fcuer- polizciwidrigkciten, 1 wegen Werfens von Schutt auf die Straße, 2 wegen Trunkenheit, 1 wegen unbefugten Schank- bctriebs, 2 wegen Bettelns, 1 wegen nächtlichen Einschlci- chens, 1 wegen Vagabondirens, 1 wegen Obdachlosigkeit, 1 wegen Verkaufs leichter Butter, 1 wegen Eigarren- rauchenS im Theater, I wegen nächtlichen Herumtreibens, I wegen Diebstahls und 1 wegen Versperrung des Fußwegs vor seinem Hause. Merfonalüberficht der A^rmenanstalt im Monat August 1859. Bestand »Itimo Juli 9 Erwachsene, 5 Kinder. Zuwachs 2 - — - Ausgeschicden — - — - Bestand Ende August 11 Erwachsene, 5 Kinder. MbfoH der Speiseanfialt im Monat August 1859. 1407 Portionen mir Fleisch, 585 Portionen ohne Fleisch. Extra - Versammlung des freiwilligen FeuerlöfchcorPS Sonnabend den 10. September Abends 9 Uhr im Vereinslocale. Der Vorstand.