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198 schlugen aber am Ende die Franzosen in die Flucht, trotzdem dieselben ihnen um fünf Mann überlegen waren. Würtemberg. Der „Staatsanzeiger" ver kündigt die Einberufung der Landwehr ersten Auf gebots auf den 1. Mai. Baden. Der Großherzog ist am 12. April in Begleitung des Kriegsministers Ludwig nach der Bundesfestung Rastatt abgereist. — Mit den Ar beiten an der Rheinbrücke bei Kehl geht es rasch vorwärts; die Hülfsbrücke ist nun vollendet und kann ganz begangen werden. Italien Die sardinischen Rüstungen wer den mit größtem Eifer betrieben, und dies um so mehr, als noch neulich der König dem Kriegs- ministcr vorwarf, daß man damit noch zu lang sam vorgehe. — Das Ministerium soll alle nicht eigentliche Pfarrkirchen, sowie andere öffentliche Gebäude in Alessandria zu militärischen Zwecken bestimmt haben. — Ein Theil der neapolitanischen Flüchtlinge, welche in Irland gelandet waren, ist bereits auf sardinischem Boden angelangt. Belgien. Die grüßte Regsamkeit herrscht gegen wärtig in allen militärischen Etablissements; 300 Ernennungen und Beförderungen werden erwartet. Frankreich. Man versichert, daß die Ver handlungen betreffs des Congresses, obgleich lang sam fortschreitend, doch noch große Schwierigkeiten zu überwinden hätten. — Nach der „Jndep." hat die französische Regierung an die englische eine Note gerichtet, worin sie nachzuweisen sucht, daß Frankreich nicht gerüstet habe, folglich auch nicht zu entwaffnen brauche. — Das „Cherbourger I." meldet, die dortige Seebehörde habe Befehl er halten, neun Kanonenboote sofort zu armiren und nach Toulon zu schicken. — Das Eintreffen von algerischen Truppen in Marseille dauert noch im mer fort. Am 10. April brachte das Transport schiff „Jsere" zahlreiche Detachements von Train zügen und mehrere Hundert Maulthiere. — Graf Persigny ist in vertraulicher Mission bezüglich der jetzigen Verhandlungen nach London gereist. — Marschall Pelissier in London wird wahrscheinlich demnächst aus der Diplomatie wieder in die Armee treten. — In der Pariser Fruchthalle wurden am 8. April bereits neue vollkommen ausgebildete Roggenähren von Landleuten aus der Umgegend vorgezeigt. England. Disraeli erkärte in der Unterhaus sitzung am 15. April: die Vertagung und Auf lösung des Parlaments werde nächste Woche er folgen, doch könnte möglicherweise dasselbe wegen der gegenwärtigen europäischen Frage noch einen oder zwei Tage länger zusammenblciben müssen, als cs jetzt in der Absicht der Negierung liege. Der Kriegsminister erklärte, nöthigenfalls alle in Indien entbehrlichen Regimenter Heimrufen zu können. — Wie die „Times" meldet, werden die Garnisonen auf den englischen Kanalinseln ver mehrt und Anillerie dahin abgesendet werden. Die maritimen Rüstungen werden mit großem Eifer betrieben. — Nach Sheerneß (mit neuen Ver- lheidigungswcrften an der Themsemündung) ist von der Negierung^Besihl ergangen, alle dort im Bau begriffenen Schiffe in möglichst rascher Zeit zu vollenden, und genauen Bericht abzustattcn, wie viel Truppen in den dortigen Kasernen untcr- gebracht werden können. — Capitän Norton, der Erfinder des mit „flüssigem Feuer" gefüllten neuen Hohlgeschosses, hat bewiesen, daß sich die zündende Substanz, die er anwcndet, mit großem Erfolge auch in Holzkapseln füllen laßt. Werden diese aus Kanonen, Büchsen und Pistolen gegen Segel, Schiffskörper, Zelte oder Munitionskarren abge- seuert, so entzündet sich nicht nur die Füllung, sondern auch die Holzkapsel, wodurch die Wirkung des Brandgeschosses natürlich größer ist, als bei Metallhüllen. Solche Holzkapseln, die von be liebiger Größe angefertigt werden können, lassen sich übrigens leicht mit der Hand werfen und sind Dem, der sie zu werfen hat, bei weitem nicht so gefährlich, als die bisher üblichen Handgranaten. Friedrich der Große und der Rußbuttcn- junge. Erzählung von I. C. Deutrich. (Fortsetzung.) Welche Freude umstrahlte das schöne Antlitz des Mäd chens, als es das Kästchen wieder in den Händen hielt! Jubelnd umtanzte es den ehrlichen Rußbuttenjungen, der nicht wußte, was er von diesem Gebahren halten sollte. Ihm schien es nur ein kleiner Dienst gewesen zu sein, was er gethan; etwas, das ja jeder ehrliche Mensch ohne Bedenken, auch wenn der Werth des Gefundenen eine Million betrüge, gethan hätte; ja ihm war dadurch, daß er es an den rechten Mann gebracht, nur eine recht drückend« Sorg« abgcnommen worden, worüber er mehr Ursache sich zu freuen zu haben vermeinte. Und hier bereitete sein Werk so großes Entzücken? Das konnte er nicht be greifen; das war ihm unerklärlich. Jetzt mußte Simon ausführlicher berichten, auf welche Weise er den Fund gemacht, mußte von seinen Verhält nissen, von Allem erzählen, was ihn betraf. Dabei hatte das Fräulein Gelegenheit, das reiche, fromme Gemüth des Knaben kennen zu lernen, sein tiefstes Inneres zu er forschen und von d>m reinen, unschuldsvollen Sinn, wie von dem eben nicht glücklich zu nennenden Schicksale des selben gerührt, ergriff es eine Geldbörse, nahm daraus zwei Goldstücke, und reichte diese ihm mit den Worten hin: „Du hast zwar mehr verdient, als ich Dir hiermit biete; doch nimm nur einstweilen das Wenige; mehr, noch weit mehr sollst Du erhalten, wenn Du uns so glücklich machst, und jene Papiere in unsere Hände zu bringen suchst. Vorläufig versprich mir, noch einige Tage hier zu bleiben, wo Dir Niemand etwas zu Leide tbun wird. Jndeß laß Dir von dem Wirth reichen, was Du genießen willst; bald werde ich Dich wieder zu mir kommen lassen, um einen Plan mit Dir zu besprechen, wie wir unsere Absicht am leichtesten und sichersten erreichen können!" Noch immer stand Simon wie eine Bildsäule vor der begeisterten Sprecherin, die Goldstücke sinnend betrachtend, stumm, weder eine Miene der Freude, noch der Bekümmer niß zeigend. Endlich erwiederte er entschieden und legte di« glänzenden Münzen auf den Tisch: „Für das Kästchen, das ich gefunden und Euch zurückgegeben, nehme ich kein Geld; ich tbat nur, was Gott von uns Allen verlangt; für das, was ich für Euch noch tkun soll, kann ich eben falls nichts nehmen, denn es ist noch nicht geschehen, darum nebint Euer Geld wieder. Und brauchte ich es in meiner jetzigen Lage auch noch nothwendiger, so lasse ich mich doch für das nicht bezahlen, was ich thun muß. Be haltet Euer Geld, Ihr seid ja ohnedies so gütig gegen mich gewesen. Fordert Ihr übrigens nichts Sündiges von mir, so will ich Euch zu Liebe auch noch Euern zweiten Wunsch zu erfüllen suchen und einige Tage hier verweilen." Von Zeit zu Zeit, in kurzen Zwischenräumen wieder holten sich die Donnerschlägc der Belagerungsgeschüye, je doch nicht blos auf dem rechten, sondern auch auf dem linken Elbufer. Die Stadt war förmlich von den Preußen eingeschlossen, und Friedrich der Große versuchte mit allen