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Großenhainer Unterhaltungs- und Ameigeblatt. Gedruckt, verlegt und redkgirt von Herrmann Starke in Großenhain. 69. Mittwoch, den 31. August 1853. Tagesnachrichten. Sachsen. In Adorf ist ein neuer Fall von Milzbrand bei einem Ochsen vorgekommen. — Tikf am südwestlichen Himmel ist vom Beginn der Dunkelheit bis gegen 9 Uhr ein Comet zu sehen. Er gleicht einem Sterne zweiter Größe und der Schweif desselben steht nach oben. — In der Nacht des 21. Aug. ward der Beiwörter Schwarze auf der schlesischen Eisenbahn von der Locomotive ergriffen und in mehrere Stücke zerrissen. Preußen. Die Frage, ob die Gymnasiasten in Zukunft zur bessern Controle außer der Schul zeit eine Art Uniform tragen sollen, beschäftigt jetzt die Schulmänner. In Baiern besteht diese Ein richtung schon längst durch Tragen bunter Sammt- kragen an den Kleidern; doch waren dieselben zum Theil so kunstvoll aufgelegt, daß sie sehr leicht in die Tasche gesteckt werden konnten. — Sämmtliche freie Gemeinden der Provinz Sachsen sind frei- gesprochen und wieder eröffnet worden. — In Berlin kamen in der letzten Woche 19 Cholerafälle mit 14 Todten vor. Baiern. Bei den Kirchweihen ist das Ab halten von Tanzmusik- gänzlich verboten worden. Es kam dabei nicht nur oft zu Schlägereien, son dern auch lebensgefährlichen Verwundungen. — Ende September werden der Kaiser von Oesterreich und der König von Preußen in München erwartet. Waldeck. Das Confistorium hat die drei Sta tuen „Glaube, Liebe, Hoffnung", vom Professor Rauch als Geschenk für die Kirche zu Arolsen be stimmt, als „unchristlich" zurückgewiesen. Der Maler Kaulbach hat in Folge davon sein ebenfalls zum Geschenk bestimmtes Altargemälde zurückbe halten, da er es unter seiner Würde hält, sich der Eensur des dortigen Eonsistoriums zu unterwerfen. Die Einwohner sind höchst erbittert über die eng herzige Geistlichkeit. Frankfurt. Der Bundestag hat zum Theil Ferien angetreten, so daß der sächsische Gesandte jetzt das Präsidium führt. Dänemark. Einige Mormonenprediger suchen hier zu bekehren und vie Bekehrten nach Amerika zur „Gemeinde der Heiligen vom jüngsten Tag" zu ziehen. Wer sich über die allerdings etwas son derbaren Glaubenslehren der Mormonen hinaussetzen oder mit ihnen einverstehen kann, findet allerdings auf diese Art eine sichere und gute Existenz in Amerika. Türkei. Nach den letzten Nachrichten hat die Pforte die Wiener Vergleichsvorschläge mit so ge ringen Abänderungen angenommen, daß man die Zustimmung des Kaisers von Rußland zu erwar ten berechtigt sei. Im Uebrigen herrscht über den Inhalt jener Vorschläge das tiefste Gehcimniß, was jedoch nun bald enden muß. Dann wird auch erst zu beurtheilen sein, wie weit Rußland Vortheile errungen hat oder nicht. Manche Zeitungen schla gen diese Vortheile schon sehr hoch an und sprechen sogar von einer Besitznahme der Donaufürstenthü mer und in der „Leipz. JUustr. Zeit." beweist ein russenfreundlicher Correspondent sogar haarklein, daß Rußland gar nicht Constantinopel brauche, um zur Welt- und Seeherrschaft zu gelangen, sondern nur die Donaufürstenthümer, Serbien, Albanien, Monte negro und ein Stück von Dalmatien, sowie im Norden Dänemark, dann werde auch keine Flotte in der Besika-Bai ihm mehr schaden können. Dieß wäre allerdings der Fall, aber diese ganze Specu- lation muß so lange lächerlich scheinen, als die übrigen Staaten noch irgend etwas Ehrgefühl, Klugheit und Macht besitzen. Ueberhaupt kommen jetzt über die Macht und Zukunft Rußlands eine Menge Ansichten zu Tage, von denen viele aller Wahrheit und Erfahrung widersprechen. Vorzüglich gefallen sich Viele darin, die Russen mit den alten germanischen Völkerstammen zu vergleichen, welche berufen seien, wie jene einst das Römerreich, so das cultivirte Europa zu überziehen und zur Bar barei zurückzuführen, aus der dann neues Leben erwachsen soll. Dieser Vergleich kann höchstens auf den ersten Anblick für sich einnehmen, bei näherer Betrachtung wird aber klar, daß zwischen jenen germanischen Völkern und den russischen ein him melweiter Unterschied ist. Jene waren naturwüchsig, einfach in ihren Sitten, ihre Regierungsform und Religion von der einfachsten Art, sie waren von gleichmäßiger Bildung oder, wenn man will, Roh heit. Die Russen sind in die verschiedensten Classen gespalten, das Volk ist allerdings auch roh und ungebildet, aber ohne die Laster der Cultur von sich fern gehalten zu haben, wozu das 20—25jahrige Soldatenleben das Meiste beitragt; sie sind kein freies, aufstrebendes Volk, sondern ein Volk von kriechender Unterwürfigkeit, eine Folge langen poli-