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Großenhainer Unterhaltungs- und Ameigeblatt. Gedruckt, verlegt und redigirt von Herrmann Starke in Großenhain. 58. Sonnabend, den 23. Juli 1853. Tagesnachrichten. Sachsen. Die Zahl der Brände belief sich 1852 auf 636; 62 wurden durch den Blitz verursacht, 53 erweislich, 121 muthmaßlich angelegt. Bon der Brandcassensumme von 979,481 Thlrn. kamen 406,247 Thlr. auf die Städte, 573,234 Thlr. auf die Dörfer; die Städte erhielten daher 42 Proc., während sie nur 37 Proc. beigesteucrt hatten. — Die Bevölkerung Sachsens betrug im December vorigen Jahres 1,987,832 Einwohner, 704,782 in den Städten, 1,283,050 auf dem Lande, 970,142 männliche, 1,017,690 weibliche. Preußen. Die Nachgrabungen nach einer in Erfurt verborgenen Kriegscasse haben ohne Erfolg ihr Ende erreicht. — Der Schaden, den das Ha gelwetter vom 8. Juli in der Magdeburger Gegend angericUet hat, wird auf 30 Millionen Thaler ge schätzt, Vie sich auf nicht mehr als 200,000 Men schen vertheilen. — Bei Schroda in Posen erschlu gen die Hagel zwei Menschen und viele kleinere Thiere, und zertrümmerten fast alle Dächer bis auf das Holzwerk. Es wurden aber auch Hagel stücke von 1j Pfund Gewicht gefunden. Selbst die Landstraßen waren an manchen Orten wie mit Kartätschen beschossen. Oesterreich. Eine päpstliche Bulle wird das Eingehen von Mischehen sehr erschweren. Am besten wäre ein völliges Verbot, um dem ewigen Streit ein Ende zu machen, da die Mischehen überhaupt selten etwas taugen, wenigstens dort, wo die katholischen Geistlichen auf das Familienleben ein wirken können. Kurheffen. Die zweite Kammer hat sich mit der theilweisen Wiederherstellung der Prügelstrafe einverstanden crkärt. — In sämmtlicben Gefäng nissen sind Bibeln zur Lectüre eingeführt worden. — Oberconsistorialrath Vilmar beabsichtigt die Ein führung der Privatbeichte (Ohrenbeichte). Coburg. Hier sind die Sonntagscatechisationen der Jugend bis zu 18 Jahren wieder angeordnet. Sie sind alle 14 Tage Nachmittags vorzunehmen. Dänemark. Die Befürchtung, daß Rußland nach dem neuen Erbfolgegesetz möglichen Falls in Kurzem die Krone Dänemark erlangen könnte, ist durch den Art. 2 des Londoner Lractats, wie erst jetzt bekannt geworden, grundlos. Es heißt darin, daß im Fall des Aussterbens der Nachkommen des Prinzen und der Prinzessin von Glücksburg ein neues Arrangement von allen Mächten, welche den Tractat unterzeichnet haben, getroffen werden soll. Türkei. Nach mehrfachen Gerüchten soll Ruß land einen Vorschlag zur friedlichen Ausgleichung angenommen haben. Ueber das Nähere verlautet bis jetzt noch nichts. — Die Stimmung der Tür ken gegen die Christen war in manchen Gegenden äußerst gefahrdrohend und man befürchtete Christen- Schlächtereien in Masse. Das Einrücken der Russen hatte den Fanatismus aufs Höchste gereizt. — Aus London erfährt man, daß die nordamerikanische Re gierung der türkischen 80 Millionen Piaster vorge schossen habe; daher würde sich also die baare Be zahlung der Pforte erklären lassen. — Das „Journal de Constantinople" klagt mit Recht darüber, daß 'Rußland allem Rechte zuwider die Türkei in so große Kosten verwickelt habe; es müsse endlich ein mal dahin kommen, daß man nicht jeden Augen blick die Türkei beunruhigen und bedrohen könne. — Selim Pascha hat um Batoum ein Corps von 40,000 Mann zusammengebracht, welche vereint mit dem Armeecorps von Erzerum, 70 — 80,000 Mann stark, bei Ausbruch des Krieges im Kau kasus einrücken und die Tscherkessen unter Schamil unterstützen sollen. — Die französischen und eng lischen Zeitungen haben einen etwas friedlicheren Ton angenommen. Nur der „Constitutionnel" rich tet die Warnung an Europa: „Wenn die Türkei jemals ein zweites Polen wird, so werden wir auch bald ein drittes haben, und dieses dritte Polen wird Deutschland sein." — An dem Tage, wo der Ein marsch der Russen in Constantinopel bekannt wurde, drohte eine Ministerkrise daselbst. Reschid Pascha hatte seinen Posten niederlegen müssen, jedoch schon Tags darauf zurückerhalten. Gelang cs der alt türkischen Partei, an das Ruder zu kommen, so war der Krieg fast unvermeidlich. Amerika. Der Präsident Pierce hat den Ge- sanvten die Instructionen gegeben, stets möglichst einfach und in der gewöhnlichen Kleidung eines amerikanischen Bürgers zu erscheinen. Einige Ge sandte haben übrigens die höheren Kreise Europas unangenehm berührt: Owen, am Hofe zu Neapel, ist der Sohn eines bekannten Socialisten; Soulier in Spanien, einer der Urheber der Lopez'schen Ex pedition; Foresti zu Turin, ein 1823 in Oesterreich zum Tode verurtheilter Carbonari.