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Beilage z« Str. SG des Großenhainer Unterhaltungs- und Anzeigeblattes. Donnerstag, den 28. Februar 1878. Das Muttermal. Nach Etta W. Pierce van Lina Freifrau v. Berlepsch. (Fortsetzung.) N e n n nndzwanzig st e s K apit e l. Die Borstellung war beinahe zu Ende. Zum letzten Male hob sich der Vorhang, und Paulette, strahlend wie ein Eomet erschien auf der Bühne. Sie glich einem wunderbaren Wesen, geboren aus dem hinsterbenden Echo der letzten Accorde. Im gleichen Moment schritt ein Mann die Reihen der Sperrsitze entlang und nahm nächst der Bühne Platz. Es war St. John. Sie sah ihn, hielt inne und schien ihre Rolle zu ver- vergessen. Er hatte also ihre Flncht von Hazel-Hall er fahren nnd sie verfolgt. Entsetzlich. Sie wußte nicht, wie sie die Rolle zn Ende spielte, und als endlich der Vorhang gefallen, eilte Paulette in athemloser Aufregung ins Ankleidezimmer, wo Megrine sie erwartete. „Kleide mich schnell nm; er ist hier." „Wer, Mademoiselle?" fragte die Alte, „klon OWu, wie Sie anssehen!" „Wer? St. John. Er hat mich gefunden, und ick bin verloren." „Alle Heiligen!" seufzte Megrine und reichte ihr die Straßen-Toilette, „ist das eine Heirath! Kommen Sie, Fräulein; ich ließ in der Eile den Schlüssel stecken, nnd das beunruhigt mich. So geht'S, wenu mau alt und ver geßlich wird." Sie drängten durck die Zuschauermeuge, die noch die Eorridore füllte. Paulette blickte scheu und ängstlich um sich. Es war spät, uud die Straßen beinahe leer. Me grine schien so aufgeregt, wie ihre Herrin. Wieder und wieder blieb sie stehen und lauschte. Niemand folgte ihnen. „Geben Sie mir die Hand, Fräulein", sprach sie, als sie das Haus erreichten; „die Treppen sind schlecht und dunkel." Oben angelaugt, fand Megrine den Schlüssel nicht. Sie tappte mit der Hand auf dem Boden umher. Paulette drehte ungeduldig deu Griff — und die Thür öffnete sich. Am Tische vor der brennenden Lampe faß St. John in behaglicher Stellung. Megrine schrie anf. Der Besucker erhob sich ruhig. „Ich fand die Thure offeu und erlaubte mir einzu- treten." „Wie kannst Du mich so verfolgen?" zürnte Paulette. „Was willst Du hier?" Megrine verließ das Zimmer, und wieder stauben die Beiden allein sich gegenüber. „Ich sah Dich im Theater nnd kam hierher, Dich zu erwarten. Du hast also Hazel-Hall verlassen und bist zn dem alten Leben znrückgekehrt?" ,, „Gut; ich fühle mich nnn wieder anf gleichem Fuße mit Dir. Uebrigend Haft Du Deine Wohnung in sehr schlechter Umgebung anfgeseblagen. Der General sckeint Dich nicht reichlich mil Taschengeld versehen zn haben." Sie antwortete nicht. „Du zürnst mir doppelt wegen meines jüngsten An griffes auf Deine persönlicke Freiheit. Vergieb mir, Pau lette; ich war außer mir. Du wirst wohl uie anfhören, mich zu hassen, aber Dn irrst ob der Absicht, die heute mich zu Dir führt." „Wenn Du mir etwas zu sagen hast, so thue es schnell. Deine Nähe ist mir unerträglich." „Sehr schmeichelhaft. Ist das der Dank für alle Mühe, die ich mir gab, um Dir Kunde von Deiner Mutter zu bringen, Panlette?" „Was weißt Du von meiner Mutter?" „Sie ist hier und ist schwer trank." Paulette zuckte zusammen. „Woher weißt Du das?" „Von Advoeat Trent, den ich jüngst kennen lernte. Die Aerzte behaupten, daß nur die Vereinigung mit Dir Deiner Mutter Leben fristen könne." „O, warum sagte man mir das nickt früher?" seufzte Paulette. „Weil Niemand Dich zu finden wußte. Wenn Du Dich mir anvertrauen willst, sollst Du in einer halben Stunde bei ihr sein." Sie blickte mißtrauisch auf ihn. „ Gieb mir die Adresse, ich will allein gehen." „Du willst Dich also ganz von mir lossagen?" ries er bitter. „Du weißt wohl, daß Deine Mutter sehr reich ist, daß Du ihre einzige Erbin bist. Was mich be trifft; mag sie tausend Mal sterben, — ick sage Dir die Adresse nicht." „Woher erfuhr Trent die Sachlage?" „Er war selbst bei Deiner Mutter." „Es ist beinahe Mitternacht." „Sa." . „Welche Garantie habe ich, daß Du mich sicher zu ihr bringen wirst?" „Keine als mein Wort, das keinen Werth für Dick zu haben scheint. Wohin aber sollte ick Dich führen? Was könnte mich veranlassen, Eomödie zu spielen? Bin ick ein Schurke?" „So erschienst Du mir allerdings, als ich Dich zum ersten Mal in Hazel-Hall wiedersah. Vor vier Jahren warst Du ein leichtsinniger, wilder Mensch, — jetzt bist Du viel, viel schlimmer. Uebrigeus werde ich iu Megrine's Begleitung doch mit Dir gehen." „Für solches Vertrauensvotum müßte ich danken. Ent weder gehst Du allein mit mir, oder gar nicht. Glaubst Du, ich würde mich so läckerlich machen, die französische Mumie zum schütze meines eigenen Weibes mitzuschleppen?" Paulette zögerte. „Inzwischen mag Deine Mutter sterben." „Ich gehe", ries sie plötzlich entschlossen. Führe mich zu ihr. Ist es weit?" „Ich versprach, Dich in einer halben Stunde hinzu- führen. Folge mir." „Horch, es kommt Jemand", flüsterte sie. „Ick will nicht mit Dir gesehen werden." Ein Schritt kam vorsichtig die Treppe herauf. „Verschleiere Dich und komm!" rief St. John un geduldig. Zögernd entsprach sie dem Gebote und trat mit ihm auf den Vorplatz Eine hohe Gestalt stand vor ihnen. „Halt!" gebot Arthnr Gnilte's Stimme. Paulette fuhr zurück. St. John stand erst wie ge lähmt, dann suchte er eiligst die Treppe zu gewinnen. Arthnr aber packte ihn an der Schulter und drängte ihn ins Zimmer zurück. „itomm, Onkel; wir sind, Gottlob, noch nickt zu spät gekommen", rief er nun hinaus gegen die dunkle Treppe. Der alte General trat über die Schwelle. Paulette sckrie auf. Als sie aber sah, wie er mit liebevollem Blick ihr die Arme eutgegeubreitete, sank sie mit dem Rufe: „Väterchen!" an seine Brust. „Und nun möcht' ich wissen, was das zn bedeuten hat?" sprack Arthur erust. „Wer ist der Mann, Paulette, uud was thut er hier?" Ties den Hnt ins Gesicht gezogen, lehnte St. John au der Waud. „Ja, Polly, sag', wer ist das?" fragte auch der General. „O Väterchen! o Arthnr!" rief sie, sckmerzlich die Hände ringend, „es ist ja mein Mann." Schweigend starrten Beide anf sie. Auck St. John bewegte sich nicht. „Ich betrog Euch", stöhnte sie. „Aber Gott weiß, ich glaubte ihn todt. Ich sah die Todes-Anzeige mit eigenen Augen in der Zeitnug, bevor Arthur uaeb Hazel-Hall kam. Heute erschien er bei mir uud versprach, mich zn meiner sterbenden Mittler zu führe«." „Sprich mit ihr, Arthur", gebot der General. „Da Dn uns so viel gesagt hast, Paulette, bitte ich Dich, uns Deinen Mann vorzustelleu. Du uanutest seinen Namen nicht." Die dunkle Gestalt an der Wand richtete fick auf. „Lassen Sie mich vorüber", zürnte er. „Wie können Sie sich überhaupt zwisckeu Mann und Weib stellen? Ich heirathete das Mädchen, lauge, bevor Sie sie sahen." „Nenne mir Deines Mannes Namen, Paulette", wiederholte Arthur. „Guido St. John", entgegnete sie schaudernd. „Wirklich?" wandte Arthur sich an Paulettes Gatten. „Woher haben Sie diesen Namen?" „Woher hat Jedermann seinen Namen?" „Sie behaupten also, daß es Ihr gesetzlicher Name ist?" fragte Artynr, langsam vertretend. „Natürlich." „Sie sind ein Schurke uud habe« so weuig Reckt aus diesen Namen, als ich vor vier Jahren darauf hatte, da ich unter ihm die Schauspielerin little Paulette heirathete." Er blickte anf das Mädchen, das bewegungslos neben dem alten General stand. „Hast Du nie geahnt, armes Kind, daß ich trotz aller Veränderung dock der heißblütige St. John bin , dem Du in jener Nackt zu Eambridge angetraut wurdest, und der Dich verließ, um Dir eiuen besseren Besckützer zu geben in dem alten Manne, der Erbarmen hatte mit all' seinen Jugendstreichen und sie ihm alle verzieh?" Wieder machte der falsche St. John eiuen Versnck, zn entkommen, wurde aber von dem General sestgehalten. „Ick will nnn zunächst wissen, wer unter dieser Maske meines alten Selbst steckt", rief Arthur. „Nehmen Sie die Verkleidung ab, oder ich thue es." „Es erfolgte ein heftiger Kampf, der damit endete, daß Arthur der« Fremden Hnt, Mantel, Bart nnd Perrücke abriß. „Gerade, wie ick mir dachte — Mr. Trent", rief Arthur, als der Advoeat entlarvt vor ihnen stand. „Nehmen Sie nun ihre natürliche Stimme an, so sind Sie trotz der dunkel eingestrichenen Haut, wieder Ihr altes Selbst." Entsetzt flüchtete Paulette in des Generals Arme. „Niein Junge führte einst ein wildes Leben", begann dieser, „nnd wir entzweiten uns. Ich mag vielleicht zu streng gewesen sein. Er verließ mich, um unter dem Namen St. John als Deeorationsmaler sein Leben zu fristen. Eine Zeit lang ließ ich's so hingeheu und schwieg darüber. Hilda und Trent wähnten ihn auf Reisen. Endlich machte ich mich aus, deu verlorenen Sohn zu suchen, und kam am Tage, bevor er nach Varneck schoß, hier au. Er flücktete zu mir, gestand Alles uud bat, ich möchte mich scimr Frau aunehmen, ohne sie wissen zu lassen, daß er mir verwandt sei. Am gleichet! Abende machte er sich auf den Weg nach Europa. Deu Rest weißt Du, Polly. 'Nachdem sein bewegtes, an Abenteuern reiches Leben ihn so verändert hatte, daß er nicht leicht wieder zu erkennen war, faßte er den Plan, Dich ein zweites Mal zu erobern. Ich wußte, daß Du Dich unglücklich fühltest, daß Arthur schlechte Aussichten auf Erfolg hatte, und ließ St. John's Tod anzeigen. War er doch in Wirklichkeit todt und be graben. Freilich ahnte ich nicht, wie Trent die Verhält nisse mißbrauchen würde." „So wenig als ich in Arthur den wahren St. Sohn vermnthete", begann Trent, der sich inzwischen wieder gefaßt hatte. „Ich spielte allerdings ein keckes Spiel, nnd es wäre beinähe gelungen. Wären Sie eine halbe Stunde später gekommen, so würden Sie Ihre Frau wohl schwerlich gefunden haben." „Was hatten Sie mit ihr vor, Schurke?" „Ich ziehe vor, die beabsichtigte Schlußscene für mich zu behalten." „Sie sollen bekennen, oder ich lasse Sie sofort ins Gefängnis; bringen." „So etwas würde der Herr General, mein theurer Client, nicht erlauben", lachte Trent. In dem trinmphirenden Tone des Mannes lag das Bewußtsein der Macht. Arthur blickte auf deu Onkel. „Laß ihn gehen", bat der alte Herr mit bebender Stimme. „Er hat Recht, wir können ihn jetzt nicht strafen. Frage nicht warum, Arthur, aber laß ihn gehen, wenn Du mich lieb hast." In dem alten Antlitz lag so viel Schmerz, daß Arthur den Advocaten unwillkürlich losließ. Nachdem dieser mit höhnischem Lächeln sich entfernt hatte, wandte sich Arthur zu Paulette. „Liebst Du mich, Paulette?" L>ie reichte ihm zitternd die Hand. „Ja, Arthur." „Nicht weniger, weil Du in mir Deinen alten Gatten St. John erblickst?" „In Deinem Wesen war immer etwas, das mich, be sonders im Anfänge, eigenthümlich bekannt berührte, aber Du vergissest, daß ich uicht Paulette Ralü bin. Der General sagte Dir wohl nicht —" „Der Onkel theilte mir Alles mit. Unmittelbar nach Deiner Flucht kam er zu mir uach Baltimore. Ich war sofort überzeugt, daß Du zur Bühne zurückgekehrt seiest und reiste mit ihm hierher. Im Theater nahmen wir eine Dunkelloge und folgten Dir nach der Vorstellung in gemessener Entfernung." „Paulette, ich bitte Dich, mir zu verzeihe«, was ich iu Hazel-Hall im Zorne sprach, begann der General, „wie auch ich um Deinetwillen Deiner Mutter vergebe. Uud nun rufe Megriue; ich will wissen, ob sie Trent be hilflich war, St. John darzustellen." Zitternd und geängstigt erschien die Alte. „Ach, er kam und fragte mich über Mademoiselle, und kam wieder und erkundigte sich nach ihrem Manne. Eines Tages erschien er verkleidet und gab mir viel Geld, vamit ich ihm sagte, was an ihm St. Joh« gleiche und was nicht. Aber mn« Owu! ich dachte nicht, daß er dies so mißbrauchen würde, o nein!" „Halte Dich bereit, Deiner Herrin zu folgen", gebot General Guilte, ohne über ihren Antheil an Trent's Schuld ei« Wort zu verlieren. Wenige Minute« später verließen sie Alle das Haus. (Schluß folgt.) Landgut im Werthe von 6 bis 7000 Thlrn. wird zu baldiger Ueber- nahme zu kaufen gesucht. Verkaufsangebote sind an Rudolf Mosse s Annoncenexpedition (Bernhard Bräuer) in Großenhain erbeten. Holz-Auction. Im Gasthof zum blauen Hirsch in Radeburg sollen den 1!d «nd LZ. Mär; 1878 folgende im Fürst!. Reuß. - Radeburger Forstrevier aufbe- reilete Hölzer, als: den IN. März ». e., von Vorm. 9 Uhr an 364 kieferne und fichtne Klötzer, 13—24 Cm. Ober stärke — am Naundorfer Teich — gerollt, 1515 dergl. Klötzer, 13 — 44 Cm. Oberstärke — am Torfbruch — gerollt, 290 dergl. Klötzer, 14 — 45 Cm. Oberst. — Ober bruch, .4-Flügel — geschleppt, 1,50 dergl. Stangen, 7—14 Cm. Unterst. — Ober- und Mtttelbr. — Königsbr. Straße, den 23. März s. c., von Vorm. 9 Uhr an 423 Rm. weiche Scheite, - Ober- und Mittelbruch, 250 „ „ Rollen, ? Naund. Teich und 130 „ „ Zacken, z an der Königsbr. Str., 65 „ birkne Scheite St Rollen, i am Naund. 25 „ „ Zacken, ? Weg — 40 „ birknes Besen-Reitzig, ' Pfaffenstein 74 „ weiche Stöcke — daselbst, 187,9 Wellenh. w. Reitzig, 180 Rm. tief, und ficht. Reißighaufen (am Oberbruch, Pfaffenstein und Torfbruch), einzeln und partienweise gegen sofortige Bezahlung und unter den vor Beginn der Auclion bekannt zu machenden Be dingungen an die Meistbietenden versteigert werden. Radeburg, am 25. Februar 1878. Mrstl. Reuß.-P. SevieMwaltang daselbst.