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Erscheinen: Dienstag, Donnerstag und Eonnadend mit Ausschluß der Feiertage. Abonnement: Vierteljährlich 10 Ngr. Großenhainer Uuterh Mngs- und AnMdlatt. Amtsblatt des Königlichen Gerichtsamts und Stadtraths zu Großenhain. Inseralenannahme: Bis Tags vorher spätestens früh 9 Uhr. Insertionsßeträge von auswärts sind in Post marken beizufügen oder werden durch Postvorschuß erhoben. Redaction, Druck und Verlag von Herrmann Starke in Großenhain. L8S4 ISO Sonnabend, den 17. Octobcr Bekanntmachung. Unterzeichneter hat mit heutigem Tage die Geschäfte der Krcishanptmannschaft zu Dresden übernommen. Dresden, am 15. October 1874. Der Kreishauptmann. v. Ginsiedel. Die unterzeichnete Königliche Amtshauptmannschaft — Dresdner Straße Eat.-Nr. 374 — macht andurch bekannt, daß sie ihre Expeditionszeit vorläufig auf die Stunden von 8 bis V2I Uhr Vormittags und von '^3 bis um 6 Uhr Nachmittags festgesetzt hat. Großenhain, am 1.5. October 1874. Die Königliche Amtshauptmannschast. _ Pechmann. Auf Grund der Anzeige vom 3. und Registr. vom 9. dieses Monats ist heute auf dem den Consumverein „zum Baum" in Großenhain betreffenden Folium 147 des hiesigen Handelsregisters verlautbart worden, daß als Vorstandsmitglied Herr Wilhelm Heinrich Schulze in Großenhain ausgeschieden und an dessen Stelle Herr Karl -Oswald Müller daselbst eingetreten ist. Großenhain, am 13. October 1874. Das Königliche Gerichtsamt. Wilhelm. —— i. v. S. Bekanntmachung. Der Schoß, die Grbzinsen und das Wächtergeld auss Jahr 1874, die Pachtgelder, Schank-Canons und die Röhrwasserzinfen aufs zweite Halbjahr 1874 sind bis längstens den 7. November 1874 an die Stadthauptcasse zu bezahlen. Großenhain, am 8. October 1874. Der Stadtrath. Ludwig-Wolf. Aufforderung zur Entrichtung der Gewerbe- und Personalsteuern auf den zweiten Termin 1874. Die Gewerbe- und Personalsteuern pro zweiten Termin 1874 sind zur Hälfte des fest gestellten Jahresbetrages spätestens bis zum 30. October dieses Jahres an unsere Stadthauptcasse zu bezahlen, anderen Falles nach Ablauf dieser Frist zu dem gesetzlich vorgeschriebenen Zwangsverfahren unnachfichtlich verschritten werden muß. Großenhain, den 10. October 1874. Der Stadtrath. Franke, stellv. Vors. Bekanntmachung. Im Gasthofe zu Gohrisch sollen den 1V. und 20 Oetober 1874 von Vormittags 9 Uhr au folgende im Gohrischer Forstreviere aufbereitete Hölzer, als: den 19. Oetober n. e. 52 Raumcubikmeter weiche Scheite, t 1130 „ „ Rollen, > Nr. 837—1441,1 im 247 „ „ Zacken, > f Schraden- den 20. October n. e. > wald 718 Raumcubikmeter weiche Stöcke, Nr. 482 bis 779, l (Artlllerie- 131,3 Welleuh. weiches Abraumreißig, Nr. 991 bis 1131, 1 scbießplatz), 1935 Raumcubikmeter dergleichen, Nr. 1 bis 424, / einzeln und partienweise gegen sofortige Bezahlung und unter den vor Beginn der Auction bekannt zu machenden Bedingungen an die Meistbietenden versteigert werden. Wer die zu versteigernden Hölzer vorher besehen will, hat sich an den mitunterzeichneten Reviervcrwalter zu Gohrisch zu wenden, oder auch ohne Weiteres in die genannten Waldorte zu begeben. Königs. Forstrcntamt Moritzburg und Königs. Revierverwaltung Gohrisch, am 8. October 1874. Gras. Roch. Die Schattenseiten der Arnim-Affaire. Die noch mit allen Schleiern des Geheimnisses verdeckte Arnim-Affaire wird namentlich dem Auslande gegenüber eine peinliche Wirkung üben. Wohl ist es offenes Geheimniß, daß zwischen Bismarck und Arnim gewisse politische Meinungs verschiedenheiten bestanden, welche schließlich zum offenen Bruch führten. Graf Arnim wollte schon in Nom die deutsche Politik in andere Bahnen leiten, als es Fürst Bismarck gefiel. Darüber hat sein vor einigen Monaten veröffentlichtes Memorial belehrt, welches er im Herbste 1870 an den Reichskanzler richtete. Aber sachlich war diese Differenz zwischen dem Gesandten und dem ersten Minister unwesentlich; der Gesandte hatte die ihm vorgezeichnete Politik zu befolgen, oder er mußte von seinem Posten ab treten. Im Jahre 1871 kam Graf Arnim von Nom als Botschafter nach Paris. Man weiß heute ebenfalls, daß er bald in dieser Stellung anfing, eigene Politik zu treiben. Er unterstützte weder Thiers, noch überhaupt dessen auf Befestigung der Republik gerichteten Bemühungen, vielmehr begünstigte er im Geheimen die royalistischen Umtriebe. Das wollte man in Berlin nicht und deshalb konnte Fürst Bismarck einen solchen Gesandten an dieser Stelle nicht brauchen. Graf Arnim wurde abberufen, unv dies von Rechtswegen. Damit nahm jedoch das Verhältniß zwischen ihm und dem Reichskanzler den Charakter persönlicher Ge reiztheit an. Graf Arnim schnitt das Tischtuch zwischen sich und seinem Chef vollends entzwei, indem er seine Ent lassung aus dem Staatsdienste nachsuchte, die ihm in der Form eines auf Wartegeld Gesetzten gewährt wurde. Er trat nun eifrig in die Reihen der reactionären Junker, um Bismarck Opposition zu machen; er veröffentlichte Briefe, die zunächst seine Weisheit über die gegen das Concil ein zuschlagende Politik darlegen sollten, deren Spitze sich aber auch direct gegen Bismarck richtete, endlich wollte er eine große Berliner Zeitung ankaufen, um sich direkten Einfluß auf den Kaiser und natürlich zu Ungunsten Gismarck's zu verschaffen. Zwei offene Feinde standen sich damit im Grafen Arnim und dem Reichskanzler gegenüber. Der unberechtigte und rebellische Ehrgeiz des ersteren erschien allerdings dem letzteren gefährlich genug und es wurden nun die bekannten Maßregeln gegen Arnim ergriffen. Wie rechtlich begründet dieses Vorgehen gegen den ehe maligen Botschafter auch sein mag, eö ist und bleibt doch um seines politischen Aufsehens willen ein Fall von hoher und peinlicher Bedeutung. Ueberall wird man die Frage aufwerfen: Welche Geheimnisse der Politik giebt es zwischen Bismarck und Arnim? Welcher Art müssen sie sein, daß Graf Arnim es bis zu einer strafbaren Aneignung der sie bezeugenden Aktenstücke treibt, um eine Waffe gegen seinen Feind in den Händen zu haben, und daß der Reichskanzler cs bis aufs Aeußerste ankommen läßt, um seinem Gegner diese Waffe wieder zu entwinden? In Paris, Bonden, Peters burg, Rom, Wien werden diese Fragen die Cabinette aufs eifrigste beschäftigen und in Deutschland muß aus derselben Quelle noch lange Zeit eine sich mehrende Unruhe fließen. Es wäre ja thöricht, zu leugnen, daß Fürst Bismarck in der ganzen Welt als ein ebenso scharfsichtiger wie kühner Politiker gilt und daß man ihn als solchen fürchtet. Diese allgemeine Furcht vor ihm hat auch niemals ein gewisses BUßtrauen gegen seine fernere Politik zu bannen vermocht. Darin liegt unstreitig der Grund, daß trotz des officiellen Friedens seit Beendigung des französischen Krieges die all gemeine europäische Lage nichts weniger als vertrauensvoll in den Frieden ist. Jeder Staat steht eigentlich auf dem <zui vivo; überall scheint ein dunkle Ahnung die Gemüther zu beunruhigen, daß doch nächstens wieder ein Eisenwetter Hereinbrechen werde — wer weiß, von woher. Was ist nun natürlicher, als daß der Fall Arnim eine Bewegung ans dieser schon immer leicht zitternden Oberfläche hervor bringt, deren Schwingungen sich bis in die Ferne fortsetzeu. Alles dumpf brütende Mißtrauen kann sehr leicht in den be stimmten Verdacht aufschteßen, daß Fürst Bismarck im Ge heimen seit langer Zeit etwas plant und daß er fürchtet, durch die ehrgeizige Nachsucht Arnim's diese Pläne enthüllt zu sehen. In den Cabinetten wie in der öffentlichen Meinung wird die Befürchtung sich Raum verschaffen, daß die deutsche Politik einen neuen schlag vorbereitet hatte. Diese Be fürchtung, gleichviel ob begründet oder nicht, muß um so unruhiger machen, als mau nicht weiß, auf wen der Schlag berechnet war, wen und wie er wohl treffen sollte. Alle Beschwichtigungen der officiösen Presse vermögen diese Be sorgnisse nicht zu beseitigen. Und dies ist es, was wir für die Schattenseite der Arnim-Affaire halten. Deutschland ist mächtig, wie nie zuvor, aber eö hat Feinde, offene und geheime, ringsum. Es traut ihm keine der Mächte, die auch jetzt ein freundschaftliches Verhältniß gegen das neue Kaiserreich herauskehren. Wir haben keinen Gewinn davon, daß dieses Mißtrauen gegen Deutschland j sich im Auslande mehrt und vertieft; darum ist zu bedauern, daß die Arnim-Affaire so viel neuen Anlaß geben wird, die dumpfe Spannung der europäischen Staatsverhältnisse zu steigern. Lageönachrichtcn. Groflenlmin. An der Mittwoch hat die Polizei hier ! zwei Schwindler verhaftet, welche ihr Geschäft ebenso raffi- , nirt als lohnend zu betreiben wußten. Vor mehreren Tagen > kamen nämlich in einen hiesigen Gasthof zwei Herren, wo von der eine Rittergutsbesitzer und der andere dessen Freund sein wollte, um ihren Aufenthalt der Ruhe und Erholung zu widmen. Beide Herren lebten auch demgemäß, denn das Essen mußte stets gut und reichlich sein und vom Wein durfte nur die beste Sorte auf der: Tisch kommen. Bei diesem Leben wurde das Zimmer wenig verlassen, jedoch der Wirth öfters in Anspruch genommen, um größere Geld- I summen zu wechseln. Natürlich reizte dieses eigenthümliche ' Leben die Neugierde des Gasthofspersonals, und als endlich einmal das Stubenmädchen bei dem Verkehr im Fremden zimmer eine große Anzahl Briefe und einen Stein, wie ihn Steindrucker zu haben pflegen, auf dem Tische liegen sah, bei näherer Betrachtung dieser Sachen aber vom Ritter gutsbesitzer zur Thüre hinaus gewiesen wurde, erzählte es seinem Herrn diesen Vorgang. Der Herr, welcher glaubte, Falschmünzer zu beherbergen, wendete sich nunmehr an die Polizei, und vor allen Dingen wurde das von den Fremden verausgabte Geld sorgfältig untersucht und geprüft, aber für gut befunden. Hiermit war die Polizei jedoch nicht zu frieden; an der Mittwoch früh wurden die Fremden nach der Legitimation gefragt und als diese mangelte, erfolgte die Verhaftung derselben und die Durchsuchung ihrer Sachen. Dabei fand man eine große Anzahl fix und fertig beschrie bener und mit Poststempel versehener Posteinzahlungökarten, mehrere auf gleiche Weife behandelte Briefe, einen Litho- graphiestein, auf welchem die Poststempel verschiedener Orte gravirt sind, und geladene Revolver vor. Die weitere Untersuchung hat nun ergeben, daß die beiden Herren frühere Postbeamte sind, die ihre Kenntnisse vom Postsache, besonders von der Einrichtung, daß Post- Einzahlungskarten am Aufgabeorte nicht, wie Geldbriefe, in Bücher und Begleitungslisten eingetragen, sondern wie gewöhnliche Briefe befördert und am Ausgabeorte, wo der Eintrag in die Bücher erst erfolgt, sofort ausgezahlt werden, zu folgendem Schwindel benutzt haben. Es wurden von ihnen eine Menge Einzahlungskarten und Briefe an ihre eigene Person adressirt, dieselben mit Poststempel versehen und auf dieselbe Weise, wie es die Post zu thun pflegt, in ein Packet verpackt. Mit einem solchen Packet begab sich sodann ein Schwindler in den Abendstunden auf eine Eisen bahnstation, wo die Postsachen, wie z. B. in Pristewitz, umgeladen werden; wenn der Postschaffner dort die Post stücken in den neuen Zng gab, trat er plötzlich an ihn heran und sagte: „Herr Schaffner, ich habe ein Packet auf dem ! Perron gefunden, haben Sie es verloren?" Der Post- § schaffner glaubt, er habe das Packet wirklich verloren und ! nimmt es schnell mit größern Danke an. Auf diese Weise i kam das Packet des Schwindlers unter die Postsachen und j an den Bestimmungsort, wo der andere Schwindler schon j vorher eiugetroffen war, sich dem Briefträger gegenüber j mit irgend einem Briefkouvert als der auf deu Einzahlungs- karten angegebene Adressat legitimirte und die darauf an- j geblich eingezahlten Beträge baar ausgehändigt erhielt. Auf diese Weise haben die Schwindler die Post betrogen in Eöln um 400 Thlr., in Bonn um 500 Thlr., in Eisenach um 1500 Thlr. und an einem vierten Orte nm noch eine ähnliche Summe. Gefunden hat man unter den Sachen derselben 83 Stück zum Absenden völlig fertige Posteinzahlungökarten, welche zusammen auf die Summe von 4150 Thlr. lauten, um welche die Reichspost wahr scheinlich in den nächsten Tagen beschwindelt worden wäre. Gebürtig sollen die Schwindler aus der Gegend von Halle sein; ein Dritter, der früher mit ihnen im Bunde gewesen, soll sich neuerdings aus dem Geschäft zurückgezogen haben.