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Staaten, deren Unterthanen sie sind, dem Papste unbedingt unterzuordnen und veranlaßte deshalb die Regierungen zu Maßregeln und Gesetzen zur Sicherstellung der respectiven Staaten gegen päpstliche Eingriffe in ihre Souverainetät. Da Preußen als größter paritätischer Staat ein besonderes Interests hatte, seine und seiner Angehörigen politische und religiöse Freiheit zu wahren, fand es sich vorzugsweise zum Vorkämpfer für den Besitz seiner Güter berufen, während auch vorwiegend katholische Staaten, wie Oesterreich und Italien — in Frankreich hatte bereits Napoleon l. die nöthige Fürsorge getroffen — neue Kirchengesetze zur Ab wehr päpstlicher Ansprüche erließen. Bon seiner göttlichen Sendung und Machtvollkommenheit durchdrungen und um so hartnäckiger auf seinen Ansprüchen bestehend, als ihm dieselben streitig gemacht wurden, lebte sich der persönlich wohlwollende und gemüthvolle Pius in eine Aufgeregtheit hinein, welche sich bis an sein Ende in den heftigsten Allo- cutionen, Breven, Antworten und Anathemen Luft gemacht und dadurch die Regierungen zu Gegenmaßregeln genöthigt hat. Auf die italienischen Garantiegesetze vom 13. Mai 1873 antwortete er mit heftigen Verwünschungen, wie er seit der Gründung des Königreichs Italien keine Gelegenheit vorüberließ, ohne die „subalpinische Negierung" des Kirchen- raubeS und anderer Verbrechen anzuklagen, während er sich seit dem Einzuge der Italiener in Rom, seit dem 20. Septbr. - 1870, als „Gefangenen" betrachtete, obgleich ihn Niemand in seiner persönlichen Freiheit beschränkte. König Victor Emanuel und die italienischen Ministerien ließen mit bei spielloser Langmuth diese päpstlichen Zornesergüsse über sich ergehen, und erst das Ministerium DepretiS scheint die Zügel der Kirchenpolilik straffer anziehen zu wollen. Es war ein harter Schlag für den greisen, in allen Vorurtheilen seiner Classe befangenen Papst gewesen, als Oesterreich das berüchtigte Concordat vom 18. August 1855 aufgehoben und seine Maigesetze von 1868 gegeben hatte, noch härter aber war der Schlag, als Oesterreich mit den Gesetzen vom 7. Mai 1874 in Preußens Fußtapfen trat und sich durch keine persönlichen Vorstellungen des Papstes davon abbringen ließ. Hätten Kaiser Wilhelm und Fürst Bismarck im Gegensatz zu der ungeheuren Majorität des deutschen Volkes die Neigung gehabt, den durch Friedrich Wilhelm IV. ver wöhnten Papst und hohen Clerus wieder gewähren zu lassen, so würden sie durch das päpstliche Gleichniß von dem rollenden Steinchen (24. Juni 1872), noch mehr aber durch das päpstliche Schreiben vom 7. August 1873 davon abgebracht worden sein. In diesem Schreiben mißbilligte Pius IX. nicht allein die preußische Kirchenpolitik gleich einem Oberherrn, sondern vergaß sich dem Kaiser gegenüber zu der Aeußerung: „Denn Jeder, welcher die Taufe em pfangen hat, gehört in irgend einer Beziehung oder auf irgend eine Weise, welche hier näher darzulegen nicht der Ort ist, gehört, sage ich, dem Papste an." Dieses, eines Gregor Vll. oder Jnnocenz III. würdige, Schreiben beantwortete Kaiser Wilhelm überaus ruhig und seine Zugehörigkeit zu der päpstlichen Oberherrschaft kühl ablehnend unter Anderem mit den Worten: „Der evan gelische Glaube, zu dem ich mich, wie Ew. Heiligkeit be kannt sein muß, gleich meinen Vorfahren und mit der Mehrheit meiner Unterthanen bekenne, gestattet uns nicht, in dem Verhältniß zu Gott einen anderen Vermittler als unsern Herrn Jesum Christum anzunehmen." Der Brief, welchen der englische Erzbischof Manning zuerst, wegen seines anspruchsvollen Inhalts erschreckt, sogar für eine Fälschung erklärte, machte, wie die Antwort, unbeschreib liches Aufsehen und kühlte jede Compromißbestrebung ab. Doch nicht zufrieden mit dieser an den Kaiser persönlich gerichteten Herausforderung, erließ Papst Pius, nachdem er kurz vorher der Geistlichkeit Roms den Protestantismus schlimmer als das Heidenthum geschildert hatte, am 5. Fe bruar 1875 an die Erzbischöfe und Bischöfe Preußens die bekannte Encyclica, in welcher er die neuen preußischen Kirchengesetze, besonders die Maigesetze, einfach für un- giltig erklärte und mit dem Bann drohte. Als Antwort auf diese Anmaßung folgten das Gesetz vom 18. Juni 1875 über die Aufhebung der früheren Verfassungsartikel 15, 16 und 18 und das Gesetz vom 20. Juni 1875 über die Ver mögensverwaltung in den katholischen Kirchengemeinden. Die Encyclica vom 5. Februar 1875 war die letzte öffent liche Herausforderung gegen Preußen und, soviel uns bekannt, auch die letzte öffentliche Aufforderung zum Un gehorsam. Von jener Zeit an hat der Verstorbene sich nur in Allocutionen und Erwiderungen auf Klagen über die weltlichen Regierungen im Allgemeinen, über die Bosheit der Welt uud die Verfolgungen der Kirche durch die welt lichen Mächte beschränkt. Die mannigfachen Erlebnisse und i Prüfungen, welche ihn seit dem Jahre 1848 persönlich in alle wichtigen Ereignisse und Katastrophen verwickelten, konnten nicht verfehlen, ihn zum hervorragendsten Mittel punkt des allgemeinen öffentlichen Interesses zu machen. Sein ungewöhnlich hohes Altor begründete, abgesehen von seinen Schicksalen, für sich selbst einen Anspruch auf ehr erbietige und ehrfurchtsvolle Behandlung, und die zahlreichen Jubiläen, welche der Verstorbene bald in dieser, bald in jener priesterlichen Eigenschaft feierte, gewährten den Gläu bigen häufig Gelegenheit, ihm ihre Ehrfurcht zu bringen, sich an seinem Anblick zu weiden und an seinen, für Andere freilich nicht immer erbaulichen, Reden zu erbauen. Das letzte seiner Jubiläen war das fünfzigjährige Bischofs jubiläum, welches zu massenhaften Pilgerzügen nach Rom, Adressen und Festlichkeiten Anlaß gab Die sogenannte „Piusfeier" ist fast zu einer festen Institution geworden. Eine große Enttäuschung sollte dem Papste jedoch vor seinem Tode nicht erspart werden: der republikanische Wahlsieg und die Bildung eines republikanischen Ministeriums in Frankreich. Pius IX., der „Gefangene" und „Märtyrer", hat die Genugthuung gehabt, schon bei Lebzeiten wie ein Heiliger verehrt zu werden, welchem sich selbst der Tod nur mit ehrfurchtsvoller Scheu nahte. Nie hat das Papstthum grö ßeren Glanz um sich verbreitet, als nachdem es seiner welt lichen Herrschaft entkleidet war, deren letzter und populärster > Träger so eben hingeschieden ist. Mit Pius IX. ist, wenn auch nicht die bedeutendste, so doch die interessanteste Per sönlichkeit dieses Jahrhunderts von dem Schauplatze der Welt abgetreten, auf welchem er wie das letzte Aufflackern der päpstlichen Herrlichkeit erschien. Der Tod Pius' des Neunten schließt eine lange Periode des Papstthums ab, und für die römisch-katholische Kirche beginnt eine neue Epoche. Alle sonstigen Begebenheiten der vorigen Woche fassen wir in Kürze wie folgt zusammen: Die Conferenz zur Herstellung des Friedens darf als gesichert betrachtet werden, nur der Ort, wo sie stattfinden soll, ist noch un bestimmt. Die von mehreren Zeitungen colportirte Nachricht von dem Einzuge der Russen in Konstantinopel hat sich als eine englische Lüge entpuppt, wahrscheinlich zu dem Zwecke absichtlich erfunden, um im englischen Volke den Kriegseifer anzufachen. So ist es denn auch wirklich gelungen, vom Unterhaus den geforderten Nachtragscredit von 6 Millionen Pfund bewilligt zu erhalten. Als ein sehr sprechendes Zeichen für die Stimmung der Engländer ist die Thatsache bemer- kenswerth, daß man auf offener Straße den Erzstänkerer Lord Beaconsfield mit Ovationen empfängt, während dem friedliebenden Gladstone die Fenster eingeivorfen wurden. Trotzdem glauben wir nicht, daß es England auf der Conferenz gelingen werde, den Frieden zu vereiteln. In Oesterreich ist das Cabinet Auersperg, welches bekanntlich seine Entlassung genommen hatte, feierlichst wieder in sein Amt eingesetzt worden. Nunmehr werden die Ausgleichsverhandlungen mit Ungarn ihren weiteren Fortgang nehmen. Der deutsche Reichstag hat sich in der einfachsten Weise durch Wiederwahl des Vorstandes der vorigen Session pr. Acclamation constituirt. Das preußische Abgeordneten haus hat dem Ministerium den Entschluß abgerungen, daß der Landtag nicht geschlossen werden soll, ehe das Schicksal des Justizausführungsgesetzes entschieden ist. Wie sich dar nach die gesammte parlamentarische Lage gestalten wird, ist zur Zeit noch nicht abzusehen. Jedenfalls wird der Reichstag seine Arbeiten bis zum Osterfeste nicht bewältigen können, und es wird sich die parlamentarische Saison bis in den Mai ausdehnen. Tagesnachrichten. Sachsen. Beide Kammern traten am 8. Februar zu Sitzungen zusammen. Die erste Kammer stimmte zunächst dem Vorschläge des Vereinigungsverfahrens zu dem Gesetz entwürfe über die Behandlung der beim Inkrafttreten der Civil- und Strafproceßordnung anhängigen streitigen Rechts sachen einstimmig zu, womit der Gesetzentwurf von beiden Kammern genehmigt ist. Sodann wurden in Uebereinstim mung mit den Beschlüssen der zweiten Kammer 463,000 M. zur Errichtung eines Staatsgymnasiums in Leipzig bewilligt und die Petition des Actienvereins „Zoologischer Garten zu Dresden" um Gewährung einer Staatsunterstützung aus Ersparnißrückstchten abgewiesen. — Die zweite Kammer ge nehmigte Pos. 25 und 26 des Einnahmebudgets, Zölle uud Verbrauchssteuern in Höhe von 2,590,550 M., Urkunden stempel und Erbschaftssteuer in Höhe von 1,666,000 M., worauf noch die in Pos. 15 des außerordentlichen Budgets für Fortführung und Vollendung der bei Uebernahme der Leipzig-Dresdner Eisenbahn im Gange befindlichen Bau ten rc. geforderte Summe, welche mit Zustimmung der Regierung von 9,034,860 auf 8,549,860 M. abgemindert war, bewilligt wurde. Bei letzterem Gegenstände befür worteten die Abgg. Oehmichen und Klopfer im Interesse der Arbeiterbevölkerung der betreffenden Gegend die baldige Inangriffnahme des Baues der Linie Riesa-Lommatzsch- Nossen, während die Abgg. vr. Meischner und Iw. Heine sich im Anschluß an eine Petition des städtischen Vereins in Riesa für eine Verlegung der projectirten Zufuhrstraße nach dem Bahnhofe daselbst, eventuell für eine Verminderung der Steigung auf derselben verwendeten. — Am 9. Februar bewilligte die zweite Kammer einstimmig und ohne Debatte auf Antrag der Finanzdeputation eine Anzahl Positionen des ordentlichen und außerordentlichen Budgets, außerordentliche Ausgaben und Bauaufwand im Departement des Cultus und öffentlichen Unterrichts betreffend, mit kleinen, von der Regierung genehmigten Abstrichen und sodann Pos. 11 des außerordentlichen Budgets, welche zu planmäßiger Fortsetzung der Elbstromcorrectionsbauten 600,000 M. postulirt. Aus Leipzig wird berichtet, daß sich am 8. Februar eine Dienstmagd aus Barneck in der Nähe dieses Ortes von dem ersten Frühzuge der thüringischen Eisenbahn überfahren ließ und augenblicklich todt war. — Am 9. Febr. Nachmittags sind zwei 11 —13jährige Knaben, angeblich nach Plagwitz gehörig, durch das Eis auf dem Pleißenfluthcanal in der Nähe der sogen, weißen Brücke gebrochen und ertrunken. Als der erste durch das Eis gebrochen, hat ihm der zweite zu Hilfe kommen wollen; doch hat auch diesen das Eis nicht getragen und ehe noch Leute zur Hilfe haben kommen können, sind Beide im Wasser verschwunden gewesen. Ein dritter Knabe, der sich in Gesellschaft der beiden Knaben befunden, soll, wie er gesehen, daß seine Kameraden mit dem Tode kämpften, davon gelaufen sein. Nachträglich wird gemeldet, daß die Leichen der beiden unglücklichen Knaben aufgefunden, daß aber deren Persönlichkeiten noch nicht bekannt sind. Deutsches Reich. Im Reichstage wurde eine Inter pellation eingebracht, worin der Reichskanzler ersucht wird, nähere Mittheilungen über den Stand der Orientfrage zu machen. Fürst Bismarck, welchen man zum 13. Februar in Berlin erwartet, wird diese Interpellation selbst beant worten. — Auf der Tagesordnung für die Dienstagssitzung des Reichstags stehen: die deutsche Rechtsanwaltöordnung und der Antrag schultze-Delitzsch, betreffend die privatrecht liche Stellung der Erwerbs- und WirthschaftSgenoffenschaften. Die „Nordd. Allg. Ztg." bemerkt zur Orientkrise: An gesichts der dominirenden Stellung, welche die russischen Truppen vor Konstantinopel eingenommen haben, sowie der ihnen weiter durch den Inhalt der WaffenstillstandS-Con vention eingeräumten Möglichkeit, binnen kurzer Frist die Meerengen zu sperren und die Mündung des Bosporus zu erreichen, hat die englische Regierung nicht länger zögern zu sollen geglaubt, einen Theil der Mittelmeerflotte nach Konstantinopel zu entsenden. Sie hat den europäischen Re gierungen von diesem Schritte mit dem Anheimstellen Kenntniß gegeben, sich diesem Vorgänge anzuschließen, der unter solchen Umständen jede gegen Rußland gerichtete Spitze verliere und sich zu der vom Fürsten Gortschakow bereits im October 1876 vorgeschlagenen Parallel-Occupation erweitert, welche damals der Gegenstand einer besonderen Mission nach Wien war, aber dort sowie in London abgelehnt wurde. Mit diesem Acte Englands nähert das Orientdrama sich seinem Ende. Der fünfte Act scheint von kürzerer Dauer als die voraufgegangenen zu sein. Nach den vollkommen fried lichen Erklärungen, welche die englische Negierung im Parla ment sowohl über den Zweck der Flottensendung und über die künftige Politik gegeben, wonach England die Befreiung der Balkanchristen als eine vollzogene Thatsache anerkennt und sich auf die Sicherung der Wasserstraßen und Egyptens zurück zieht, erscheint wohl das Vertrauen gerechtfertigt, daß weitere Complicationen in der Orientfrage nicht mehr entstehen werden. Diese aus den vorliegenden Nachrichten resultirende Auffassung der Lage stimmt mit den uns gewordenen In formationen vollkommen überein. So geht denn das Drama zu Ende, welches nach der Meinung vieler Kundigen und aller Unkundigen einen Weltbrand bedeuten mußte. Eine im Bewußtsein ihrer Kraft und Autorität ebenso entschlossene als anderseits bundestreue und loyale Politik hat diesen Weltbrand zu verhüten und Deutschlands Frieden zu wahren gewußt. Welche Aussichten sich im entgegengesetzten Falle eröffnet hätten, beweisen die eigenthümlichen Nachrichten der letzten Tage, welche von englischer Seite eine „Schles- wigsche Frage" auf die Tagesordnung setzen. Nach Erledigung der Hoßbach'schen Sache hat der Prä sident des Oberkirchenrathö, vr. Herrmann, einen Urlaub aus Gesundheitsrücksichten von Sr. Majestät dem Könige erbeten und denselben auf sechs Wochen, vorbehältlich der allerhöchsten Entscheidung über sein Entlassungsgesuch, be willigt erhalten. Italien. Eine Meldung der „Polit. Corr." aus Nom bestätigt, daß alle Entschließungen in Bezug auf das Con- clave von dem heiligen Collegium bis zur Ankunft der aus ländischen Cardinäle vertagt worden seien. Mit der Leitung der Kirche sind vorläufig die Cardinäle Gilio, Pecci und di Pietro betraut. Das am 9. Februar eröffnete Testament Papst Pius IX. soll sehr kurz und ausschließlich kirchlichen Interessen gewidmet sein. — In einem am 9. Februar in Nom abgehaltenen Ministerrathe wurden Dispositionen ge troffen, um die volle Freiheit des Conclave zu sichern. Aus Caprera wird unterm 9. Februar gemeldet, daß Garibaldi ernstlich erkrankt ist. Sein Sohn Menotti, der telegraphisch nach Hause berufen wurde, ist bereits von Rom abgereist. Das italienische Geschwader ist am 6. Februar in Sa- lonichi eingetroffen. Frankreich. Die Deputirtenkammer genehmigte am 8. Februar den Gesetzentwurf, welcher bezweckt, zu ver hindern, daß der Belagerungszustand ohne Genehmigung der Kammer verhängt werden kann, sowie den Gesetzent wurf, betreffend die Freiheit des Colportageverkaufs der Zeitungen. England. Das Unterhaus hat am 8. Februar nach längerer Debatte die Credilforderung der Regierung mit 328 gegen 124 Stimmen angenommen. Bor E-öffnmrg der Discussion machte der Schatzkanzler dem Hause von den russisch-türkischen Wasfenstillstandsbedingungen, sowie von der Räumung der Vertheidigungslinien vou Konstanti nopel Mitlheilung und setzte dann den Ernst der Situation auseinander, wies auch auf die Befürchtungen über in Kon stantinopel zu gewärtigende Ruhestörungen bin. Es sei infolge dessen zum Schutze von Personen und Eigenthum ein Theil der englischen Flotte nach Konstantinopel beordert worden. Die englische Regierung habe dies den übrigen Regierungen notificirt und dieselben eingeladen, dem Schritte Englands, falls sie dazu geneigt sein sollten, sich anzuschließen. Der Schritt Englands sei auch der russischen Regierung noti ficirt worden. — Auf eine Anfrage Montague's erwiderte der Schatzkanzler Northcote, es s4 ihm nichts davon be kannt, daß irgend ein Schutz- und Trutzbündniß zwischen Rußland und der Türkei unterzeichnet worden sei; auch sei der Regierung weder von dem schwedischen, noch von dem dänischen Cabinet in Bezug auf etwaige Absichten Rußlands und Preußens hinsichtlich der Ostsee irgend welche Mit- theilung gemacht worden. Daß russische Truppen an der Ostsee concentrirt worden, sei unbegründet; davon, daß dänische Truppen dislocirt worden, um in Schleswig zu landen, sei ihm nichts bekannt. Rußland. Endlich ist das russische Stillschweigen über die Natur der Bedingungen gebrochen, welche der Türkei auferlegt wurden, ehe man ihr den heißersehnten Waffen stillstand gewährte. Der officielle „Negierungsbote" meldet nämlich, daß folgende Basen angenommen worden: 1) Bulgarien wird in denjenigen Grenzen, die sich aus der Ma jorität, der bulgarischen Bevölkerung ergeben und in keinem Falle enger sein dürfen, als diejenigen, welche die Konstantinopeler Con ferenz bezeichnet hat, zu einem autonomen Tributär-Fürstenthum er hoben, mit einer nationalen christlichen Regierung und einer aus Eingeborenen bestehenden Miliz. Die türkische Armee darf (von einigen Punkten abgesehen, weiche im gemeinsamen Einverständniß noch näher zu bestimmen sind) in Bulgarien sich nicht aufhalten. 2) Die Unabhängigkeit Montenegros muß anerkannt werden. Montenegro wird ein Gebietszuwachs gesichert werden, der dem Um fang desjenigen gleichkommt, welchen das Schicksal der Waffen in die Hände Montenegros gebracht hat, die definitive Grenze wird später festgestellt werden. 3) Die Unabhängigkeit Rumäniens und Serbiens soll anerkannt werden, ersterem würde eine genügend: Territorial-Entschädigung, letzterem eine Grenz-Rectification zugestchert werden. 4) Bosnien und die Herzegowina werden mit einer autonomen Administration ausgestattet und zwar unter ausreichenden Garantien, analoge Reformen sollen in den andern christlichen Provinzen der europäischen Türkei eingeführt werden. 5) Die Pforte entschädigt Rußland für die Kriegskosten wie für sonstige Verluste, die es sich hat auferlegen müssen; der Modus