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Erscheinen: VienStag, Donnerstag und Sonnabend mit Ausschluß der Feiertage. Abonnement: Vierteljährlich l Mark. Großenhainer Werh MM MAHchMM. Inseratenanltahme: Bis Tags vorher spätestens früh 9 Uhr. Onserlionskekäge von auswärts werden durch Postvorschuß erhoben. Stmtsvlatt der Königs. Amtshauptmannschaft, des Königs. Gerichtsamts und Stadtraths zu Großenhain. Redaction. Druck und Verlag von Herrmann Starke in Großenhain. L8S« Dienstag, den 11. April .m LS Politische Weltschau. Die Arbeiten des Landtages wurden in der vergangenen Woche rüstig weiter gefördert und erstreckten sich meist auf Erledigung einzelner Budget-Abschnitte, die ohne wesentliche Veränderungen genehmigt wurden. Bon besonderer Wichtig keit war eine neue Regierungsvorlage, welche die Regelung der Staatshoheitsrechte gegenüber der katholischen Kirche bezweckt. Die Verhältnisse der katholischen Kirche waren bisher durch ein älteres Mandat von 1827 geregelt, welches das Placet, die Verpflichtung der katholischen Geistlichkeit auf die Landesgesetze rc. enthielt. Der Gesetzentwurf greift ziemlich stark ein; was in Preußen durch die Maigesetze und später stückweise eingeführt worden, wird hier auf einmal verfügt. Das Placet bestand schon, es wird nur genauer präcisirt. Auch in rein innern Angelegenheiten der katholischen Kirche darf nichts angeordnet werden, ohne daß die Regierung Kenntniß davon erhält; sobald eine solche Anordnung, wenn anch nur mittelbar, das staatliche oder bürgerliche Gebiet berührt, bedarf sie zu ihrer Ver öffentlichung der vorgängigen Genehmigung der Regierung. An die Spitze gestellt ist der Satz: Keine kirchliche Ver ordnung darf den Staatsgesetzen widersprechen, und weiterhin wird dies dadurch ausgeführt: was demselben widerspricht, ist als rechtsungültig zu betrachten und im Zweifelsfall entscheidet die staatliche Behörde, ob dies der .Fall sei. Alle über das streng kirchliche oder religiöse Gebiet .übergreifenden, gegen Leib, Vermögen, bürgerliche Ehre rc. .gerichteten Zwangsmittel der Kirche sind unstatthaft, des gleichen solche, welche verhängt werden wegen in Befolgung der Staatsgesetze begangener Handlungen. Mißbräuchliche Anwendung kirchlicher Zwangsmittel ist von Amtswegen oder auf desfallsige Beschwerde zu ahnden. Für die An stellung katholischer Geistlichen ist eine bestimmte Bildung als Vorbedingung aufgestellt. Nur Deutsche und auf deutschen Lehranstalten Vorgebildete sind anstellbar. Geist liche, welche die auf ihre Amtirung bezüglichen Gesetze ver letzen, müssen auf Erfordern der Staatsregierung entlassen werben; weigert sich die oberkirchliche Behörde dessen, so tritt Entziehung des Gehaltes und Annullirung aller staat lichen Wirkungen der geistlichen Functionen ein. Jede geistliche Gerichtsbarkeit außerhalb des Landes äst ausgeschlossen. Das kirchliche Vermögen unterliegt der Staatsaussicht. Orden und ordensähnliche Bruder schaften sind verboten. Auch als Einzelner darf ein Ordens angehöriger nicht im Lande seine Thätigkeit als solcher üben. Gegen Verletzung dieses Gesetzes sind Geld- und andere Strafen angedroht. Das preußische Abgeordnetenhaus hat in der letzten Woche seine Zeit mehr Commissionsarbeiten als Plenarsitzungen gewidmet. Die Annahme des Gesetzes, betr. die Einverleibung LauenburgS, in dritter Lesung ist daher als das einzige bemerkenswerthe Resultat hervorzuheben. Das Haus trat vorigen Freitag seine Osterferien an und vertagte sich bis zum 24. dieses Monats. In Oesterreich finden gegenwärtig Berathungen des Ministerrathes über das gemeinsame Budget' statt und erst wenn diese Berathungen ein Resultat ergeben haben, wird unter Vorsitz des Kaisers das Budget endgültig festgestellt werden. Einstweilen hält der Kriegsminister den Minister- rath in Athem. Das Kriegsbudget, welches er dem letztern vorgelegt hat, übersteigt die vorjährige Bewilligung um Z,r Millionen, da der Kriegsminister einfach alle Anforderungen, die ihm im Vorjahr gestrichen wurden, wieder in das Präliminare eingestellt hat. Während die vom schweizerischen Bundesrath er- -nannte Commission zur Untersuchung der Lage des Gott hardbahnunternehmens und zur Vorbereitung der für Mitte Mai in Aussicht genommenen internationalen Conferenz ihre Arbeit in Göschenen begonnen hat, ist der Oberingenieur Favre gegen die Direction des Unternehmens klagbar ge worden. Die Klage ist beim Bundesgericht in Lausanne eingereicht; der Klageantrag stützt sich auf das Zugeständniß der Direction, daß die für die Weiterführung des Unternehmens disponiblen Fonds nur noch bis zum Herbste d. I. aus reichen. Favre verlangt Garantirung seiner zukünftigen Bezahlung, wenn dieselbe verweigert wird, Aufhebung der Bauverträge und 12 Millionen Entschädigung, endlich Berechtigung zur Zurückhaltung der Einrichtungen und Arbeiter, bis er vollständig bezahlt ist. Frankreich ist durch den Kampf der clericalen Ueber- griffe in zwei große Lager gespalten. Die Commission, welche die Enquete über die Wahl des Grafen de Mun in Pontivy vorzunehmen hat, vernahm den Ministerpräsi denten Dufaure in seiner Eigenschaft als Cultusminister und legte demselben folgende Fragen vor: Ist die Geistlichkeit nach "den Anschauungen der Regierung verpflichtet, die Artikel des ConcordatS und die Declaration des französischen EleruS vom Jahre 1682, welche beiden Aktenstücke die Grundlage des französischen Kirchenrechtes bilden, zu be obachten? Hat die Regierung für den Fall, daß die Geistlichkeit dem Gesetze nicht gehorchen sollte, den Willen unv die Mittel, dem Gesetze Achtung zu verschaffen? Dufaure erklärte nur, er wolle es sich angelegen sein lassen, zu ermitteln, ob derartige Eingriffe bei der Wahl in Pontivy vorgekommen sind. Wenn dies der Fall gewesen sei, so werde er die Geistlichen, die sich in ihrem Eifer für den Syllabus über das Landrecht Hinweggeseht hätten, zu ihrer Pflicht zurückzurufen wissen. Der Ausschuß beschloß, erstlich vom Minister des Innern alle ihm zugegangenen Berichte über die Wahl von Pontivy zu fordern; zweitens den Cardinal-Erzbischof von Paris und den Bischof von VanneS zu vernehmen. — Frankreich hat wieder den ersten selbstständigen politischen Schritt gethan, indem es die An leihe des Vicekönigs von Aegypten zur Regelung seiner sehr mißlichen Finanzen übernahm. Dieser Schritt ist um so wichtiger, als damit das französische Cabinet nicht nur den Anfang gemacht, seine alte Orientstellung wieder zu erlangen, sondern auch dem durch den Ankauf der Suez- canalactien so mächtig gewordenen Einfluß Englands in Egypten ein Paroli zu bieten sucht. Im russischen Neichsgesetzblatt hat der dirigirende Senat den zwischen dem Reichskanzler Fürsten Gortschakoff und dem japanesischen Gesandten Viceadmiral Enomotto Takenki in St. Petersburg abgeschlossenen Vertrag ver öffentlicht über den Austausch der russischen Kurileninseln gegen den japanesischen Theil der Insel Sachalin. Früher waren die Kurileninseln, 18 an der Zahl, welche das stille Meer von dem ochotskischen scheiden, gleich der Insel Sachalin theilü russischer, theils japanesischer Besitz; jetzt gehört Sachalin ganz zu Rußland, die Kurilen ganz zu Japan und die Grenze zwischen beiden Reichen geht nun durch die Meerenge zwischen dem Cap Labatka und der Halbinsel Kamtschatka und der Kurileninsel Schumschuh. Der Austausch ist auch factisch bereils vollzogen. Durch Nachtragsbestimmungen wurde den beiderseitigen Unterthanen das Recht gewahrt, ungestört in allem Besitze und Her kommen an ihren bisherigen Wohnorten zu verbleiben, oder, wenn sie es vorziehen, mit den russischen Behörden von den Kurilen nach Sachalin, beziehungsweise mit den japa nesischen Autoritäten von isachalin nach den Kurilen zu übersiedeln. Von beiderlei Befugniß ist Gebrauch gemacht woreen. Die Finanznoth hat die Pforte wieder zu einem neuen „Arrangement" gezwungen. Ein officielles Communique der Konstantinopeler Zeitungen erklärt, daß die Regierung in Folge „localer Verhältnisse zwingender Natur und in Folge der Entwerthung der Products des Landes" die Zahlung des Aprilcoupons der Anleihen von den Jahren 1869 und 1873 und der Eisenbahnobligationen bis zum 1. Juli d. I. verschoben habe. Die Regierung werde am 1. Juli d. I. den Aprilcoupon mit 6procentigen Verzugs zinsen ausbezahlen. Wer's glaubt! Die Versuche, in der Herzegowina den Frieden wieder herzustellen, dauern noch fort, ohne indessen bisher zu einem entscheidenden Resultat geführt zu haben. In Serbien ist dagegen wieder einmal eine Actlon im Gange. Die Regierung hat, nachdem ihre Anlehnsversuche im Auslande gescheitert sind, beschlossen, ein „freiwilliges" Landesanlehen im Betrage von 12 Millionen Franken auf zunehmen, um die Rüstungökosten zu decken. Das Amts blatt, die „Serbske Novine", veröffentlicht ferner zwei fürst liche Decrete, deren eines die Organisation des General stabes, das zweite die Organisation des Volksheeres betrifft. Beide Maßregeln sind auf Grund von in der Skupschtina beschlossenen Gesetzen erlassen, werden aber doch als krie gerisches Symptom aufgefaßl. Auf die Pforte kann der Umstand beruhigend wirken, daß Serbien erst jetzt sein Organisationswerk vervollständigt. Uns ist es wieder an genehm, diese Maßregel vollzogen zu sehen, wenigstens in den letzten Minuten der zwölften Stunde. Es ist besser mit als ohne diese Ergänzung der Organisation in den Krieg zu treten. UebrigenS kann diese Maßregel ebenso in ! friedlichem wie kriegerischem Sinne gedeutet werden. Tagesnachrichten. Sachsen. Die erste Kammer hat am 7. April den Deputationsbericht über Position 10 des außerordentlichen Budgets: 6,000,000 Mark zur Fortsetzung der Bauten für die Verlegung der Dresdner Militäretablissements, erledigt. In Bezug aus den in der zweiten Kammer angenommenen Antrag, daß die k. Staatöregierung zu dem über Verlegung der in der Residenzstadt Dresden befindlichen MilitäretabUsse- ments mit dem k. sächsischen Kriegsministerium getroffenen Uebereinkommen baldthunlichst die Genehmigung der Reichs regierung einholen möge, theilte Staalöminister v. Fabrice ein vom 21. März datirtes schreiben des Reichskanzlers mit, in welchem sich derselbe mit dem getroffenen Ueberein- kommen einverstanden erklärt, vorbehältlich der Zustimmung des Reichtags. Der Minister bemerkte, das dieses Schrei ben als ein erneuter Beweis des vom Fürsten Reichskanzler jederzeit bewiesenen Entgegenkommens zu verzeichnen fei. — Die zweite Kammer genehmigte am 7. April den Gesetz entwurf über die weitere Ausführung des Reichsgesetzes wegen Gewährung von Beihilfen an Angehörige der Reserve und Landwehr, vom 22. Juni 1871, mit mehreren unerheb lichen Abänderungen und erledigte sodann einige Petitionen. Aus Stollberg wird dem „Dr. I." geschrieben: Am Abend des 2. April d. I. hatte sich der Eisenbahnarbeiter Kinder aus Burckhardtödorf in Begleitung eines Arbeiters Arnold nach dem benachbarten Meinersdorf begeben, war daselbst in mehreren Restaurationen gewesen und hatte schon dort während der Unterhaltung öfter mit einem offenen Taschenmesser gespielt. Auf dem Abends erfolgten Heimweg hatten sich den genannten Beiden eine Anzahl junger Leute ! angeschlossen. Bei einem Bahnübergänge auf der Burck- hardtsdorfer Straße sticht Kinder plötzlich, ohne irgend wie beleidigt worden zu sein, den als harmlos bekannten 18- jährigen Strumpfwirker Fröhnert mit dem bereits erwähnten Messer derart in die linke Halsseite, daß das Messer die Hauptader durchschneidet. Der Verletzte ist hierauf zwar noch einige Zeit auf der Straße nach Meinersdorf hin zurückgegangen, alsbald aber zusammengebrochen und ver schieden. Derselbe war die Stütze seines alten Vaters und seiner seit einigen Jahren erblindeten Mutter. Der Mörder ist alsbald verhaftet worden. Italien. Die amtliche Zeitung veröffentlicht ein Rund- schrechen des Finanzministers und Ministerpräsidenten De- pretis an sämmtliche Finanzbehörden, in welchem die strengste Befolgung der Bestimmungen bezüglich der Erhebung der Steuern eingeschärft wird. Der Kronprinz Humbert machte am 6. April dem in Rom weilenden Feldmarschall Grafen Moltke einen Besuch. Frankreich. In der Deputirtenkammer gab am 5. April, an welchem Tage der Bericht über die Anträge bezüglich der Ernennung der Maires durch die Gemeinderäthe vorgelegt wurde, der Minister des Innern, Ricard, unter lebhaftem Beifall folgende Erklärung ab: Die Regierung widersetzt sich nicht der Dringlichkeitserklärung. Sie begreift, daß ein großer Theil der Kammer den Wunsch hegt, dem Lande sobald als möglich eine seiner theuersten Freiheiten zurück zugeben. Die Regierung hat selbst diesen Wunsch empfunden und bereits ausgesprochen. Wenn es sich nur um den Grundsatz handelte, daß man Gemeinderathsmitglied sein muß, ehe man Bürgermeister wird, so hätte das Ministerium schon ein neues Gesetz vorgelegt. Denn die Regierung ist überzeugt, daß jenes Gesetz, welches ihr gestattet, die Bürgermeister außerhalb der Gemeinderäthe zu wählen, verurtheilt ist, und sie wird sich desselben nie bedienen. Aber es giebt andere Schwierigkeiten, und wir wollen sie prüfen, ohne die Lösung darum zu verzögern. Frankreich hat die Regierung, welche es wünschte: die Republik. Die selbe beruht auf definitiven Verfassungsgesetzen. Um sie aufrecht zu erhalten, wollen wir organische Gesetze, welche von derselben Gesinnung eingegeben sind. Der provisorischen Gesetze hat Frankreich genug, und wenn wir nicht die Rückkehr zu dem ebenfalls nur provisorischen von 1871 Vorschlägen, so ist es, weil wir eine endgiltige Organisation in Vorschlag bringen wollen. Dies organische Gesetz soll gleich nach Ihrer Rückkehr aus den Ferien niedergelegt werden. Man kann das Capitel von der Ernennung der Bürgermeister davon absondern, wir haben nichts dagegen; aber machen wir, im Interesse der Regierung, keine provi sorischen Gesetze mehr, sondern definitive Gesetze, welche alle auf das Ziel hinstreben, zu dem wir gelangen wollen: auf die Befestigung der republikanischen Regierung. Der Cardinal-Erzbischof Guibert in Paris hat es ab gelehnt, der Einladung der parlamentarischen Commission, welche mit Untersuchung der Vorgänge bei der Wahl des Capitäns de Mun in Pontivy beauftragt ist und welche hierüber auch den Cardinal zu hören gewünscht hatte, Folge zu geben. England. Das Oberhaus des Parlaments nahm in seiner Sitzung am 7. April die Titelbill in dritter Lesung ohne jedes Amendement an und vertagte sich hierauf bis zum 27. dieses Monats. Das Geschwornengericht hat am 7. April nach drei viertelstündiger Berathung gegen den Capitan des Ham burger Dampfers „Franconia", Ferdinand Keyn, das Schuldig ausgesprochen; das Urtheil des Gerichts wurde vertagt, bis das Appellgericht in der Competenzfrage seine Entscheidung abgegeben habe. Capitän Keyn ist gegen die früher geleistete Bürgschaft auf freiem Fuße belassen worden. Spanien. Im Senat beantragte am 5. April Silva, die Fueroö in Biscaya und Navarra aufzuheben und eine administrative und konstitutionelle Einheit in allen Provinzen herzustellen. Der Ministerpräsident Canovas del Castillo erklärte, eine solche Einheit bestehe bereits; die Delegirten der baskischen Provinzen würden demnächst erscheinen, um