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Großenhainer Gedruckt, verlegt und redigirt von Herrmann Starke. Unter!) altmrgs- und AmeiZeblatt. 64. Sonnabend, den 11. August 1849. Tagesnachrichten. Preussen. Der Belagerungszustand Erfurts ist am 4. Äugust wieder aufgehoben worden. — In Münster hat sich eine Christin mit einem Ju den verheirathet, nachdem sie unmittelbar vor der Trauung zum Judenthume übergetreten war. — Zur Verstärkung der westlichen Kriegsmacht in Baden rückt eine Brigade der in Thüringen stehen den v. Grabow'schen Division nach und wird eine Stellung bei Hanau einnehmen. Es wird diese Truppcnabthcilung die Reserve des badcner Armee corps bilden, da die Ereignisse in der Schweiz dieß nöthig machen. — Am 7. August wurden die Kammern im weißen Saale durch den Minister- Präsidenten v. Brandenburg eröffnet. Die Tri bünen waren sehr zahlreich besetzt. Am Schluffe wurde ein Hoch auf den König ausgebracht, in welches die Zuhörer einstimmten. Aus der Thron rede geht unter Anderm hervor, daß der erste deutsche Reichstag in Kurzem zusammentreten soll. — Die Berliner gemeinnützige Ballgesellschaft hat den Bau ihrer ersten 10 Gescllschaftshäuser für unbemittelte Familien mit einem Acticncapitale von 50,000 Thalern vollendet. Die Interessen der Besitzenden (Actionare) und der Besitzlosen (Mieth- genossen) sind durch den Grundsatz dieser Gesell schaft wahrhaft gemeinnützig vertreten. Den Actio- naren sind 6 Procent gesichert; die Miether wohnen in sehr praktisch eingerichteten Hausern gesunder und geräumiger und 15 Procent billiger als bis her, und nach 30 Jahren gehört jedem Miether seine Wohnung als Eigenthum, wofür er sich auch eine nach der Höhe der Miethe festgesetzte Summe baar auszahlen lassen kann; z. B. für eine Miethe von 60 Thalern 800 Thaler. Jeder Miether kann zu jeder Zeit auszichen und bekommt dann seinen Eigenthumsantheil an der Wohnung baar ausge zahlt. Wasch- und Badehauscr, Spielplätze, Bi bliotheken, Einkäufe im Großen sind gemeinschaft lich. Es entsteht also hier eine Verwandlung be sitzloser Arbeiter in arbeitende Eigenthümer und möchte hier die sociale Frage nach einer practischen Seite hin eine wirklich ausführbare Lösung finden. — In Halle sind durch die Verheerungen der Cholera 500 Kinder, die der Stadt zur Last fallen, eltern los geworden. Sachsen. Die Königin von Preußen ist mit der Prinzessin Elise wieder nach Berlin abgereist. — Der Kaiser von Oesterreich hat 9 Medaillen für Soldaten, die sich bei dem Dresdner Kampfe aus gezeichnet haben, gefendet. Die Vcrtheilung soll durch Abstimmung des Militärs selbst geschehen. — Den 19. August wird das Dresdner Vogelschießen seinen Anfang nehmen. Würtemberg. Die Wahlen in Würtemberg sind in der großen Majorität radical ausgefallen. Auf dem Lande hatte sich fast Niemand wegen der Ernte dabei betheiligt und so war eine große An zahl conservativer Stimmen verloren gegangen. Trügt nicht Alles, so wird Würtemberg noch der Schauplatz eines republikanischen Putsches, wozu das schwankende Verhalten des jetzigen Ministe riums viel beitragt. — Das würtembergische Mi litär ist vom Ministerium von dem Reichsheer ab berufen worden, woraus man schließen will, daß Würtemberg mit der Centralgewalt gebrochen habe. Baden. Der Prinz von Preußen wird wegen der Differenzen mit der Schweiz in Bezug auf Verweigerung des in Baden gestohlenen Kriegs materials rc. noch nicht nach Berlin zurückkehren. — Der König von Preußen hat einen Armeebefehl an seine in Baden beschäftigt gewesenen Soldaten ge richtet, worin er sie wegen ihrer Tapferkeit „gegen jene deutschen Truppen, die zum ersten Male in der deutschen Geschichte ihren Eid gebrochen und ihre Ehre befleckt hätten", belobt. — Nach einem Staats- vertrage zwischen der Schweiz und Baden von 1808, erneuert im Jahre 1821, haben sich nach Artikel 2 beide Länder gegenseitig die Personen auszuliefern, welche sich des Hochvcrraths, Aufruhrs, der Ver giftung, des Mordbrandes, der Brandstiftung, des Straßenraubes, des Mordes, Todtschlages, der Verfälschung öffentlicher Schriften und Wechsel, der Falschmünzerei, der Veruntreuung öffentlicher Gelder und des Staatsvermögcns, der Nothzucht, des Raubes an Sachen und Menschen und des Diebstahls schuldig gemacht haben; ferner nach Ar tikel 4 sollen alle gestohlenen Sachen und Gegen stände ohne Kosten dem Eigenthümer zurückgestellt werden. Wenn die Schweiz diesen Vertrag halten wollte, so würde sie erstens sämmtliche Flüchtlinge mit wenigen Ausnahmen los und zweitens nicht verweigern, offenbar gestohlene Dinge an die recht mäßigen Eigenthümcr herauszugeben, wie es schon im Privatleben jedes ehrlichen Menschen Pflicht ist.