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Großenhainer Unterhaltungs- und An^eigeblatt. Gedruckt, verlegt und redigirt von Herrmann Starke. 81. Sonnabend, den 7. October 1848. Das Großenhainer Unterhaltungs- und Anzeigeblatt erscheint wöchentlich zweimal, Mittwochs und Sonnabends, für den Preis von 7^ Ngr. vierteljährlich. Inserate, die in der nächsten Nummer Aufnahme finden sollen, sind spätestens Tags vorher bis früh v Uhr in der Expedition dieses Blattes abzugeben. Lagesnachrichten. Durch Nichts hatte sich wohl der deutsche Ra dicalismus mehr Schaden thun können, als durch die bewaffneten Angriffe in den letzten Wochen; denn dadurch ist eigentlich erst recht klar geworden, wie unüberlegt, wie unzusammenhängend diese Leute handeln können, wie wenige von ihnen wirkliches Talent haben und wie schlecht das deutsche Land bestellt sein würde, wenn ihnen einmal die Macht zusiele. Uebcrhaupt scheint unsern Herren Radi- calen nichts weniger eigen zu sein, als Logik und Consequenz. Sie stehen noch im Stadium der Kindheit und halten alles das für Recht, was ihnen auf den ersten Anblick vortheilhaft zu sein und in ihre Plane zu passen scheint, bedenken aber nicht, daß sie dadurch in ein Meer von Thorheiten und Blößen sich stürzen, in dem sie auf längere Zeit dem Tode nicht widerstehen können. Con sequenz ist die erste Bedingung der Politik, sie i führt, wenn auch langsam, doch sicher zum Ziele. Wodurch ist Rußland so groß und mächtig ge worden? Nur dadurch, daß es fest und standhaft feine Plane verfolgt und sich nicht von den augen blicklichen Eindrücken der Umstände Hinreißen ließ. Wie machen es aber unsere Radicalen! Niemand hat erst mehr über Verrath an Volk und an der Freiheit geschrieen, weil die deutschen Fürsten die Centralgewalt nicht anerkennen wollten, und jetzt schreit wieder Niemand mehr darüber, daß sie ihr gehorchen, als sie. Die von der Centralgewalt unter Verantwortlichkeit der Minister an geordneten großen Truppenbewegungen sind ihnen allerdings ein Greuel, weil sie ihren Plänen, durch fortwährende Unruhe das Bestehende als unhaltbar j darzustellen und allgemein verhaßt zu machen, ent- : gegen wirken; aber in dem Umstande, daß eben diese Truppen vorzüglich in Süddeutschland von den Einwohnern gewünscht und freundlich aus genommen werden, ist deutlich zu sehen, daß man endlich Ruhe und Ordnung wünscht. Freilich ! wäre es wünschenswerther, daß unsere Heere nach Außen verwendet werden könnten, aber daran ist ! nicht die Centralgewalt, daran sind die radicalen Unruhstifter Schuld. Sie sind auch Schuld an den großen Kosten der Militärbewcgungen, die unter ungünstigen Umständen selbst der neuerwachten Freiheit gefährlich werden und zu einem Militär- rcgiment im neufranzösischen Geschmack führen kön nen. Wir wollen dieß nicht fürchten, freuen uns dagegen darüber, daß die Vereinigung von Trup pen aus den verschiedenen deutschen Ländern nicht eine nur gezwungene ist, sondern eine wirkliche, nationale zu werden scheint, und daß dadurch viel leicht die alte Zwietracht, der alte Haß unter den einzelnen Völkerschaften Deutschlands getilgt und verwischt werde. In der Reichstagsvcrsammlung vom 2. October nahmen verschiedene Interpellationen den größten Theil der Zeit weg. Der Reichsminister Schmer ling bemerkte, daß auf Anfrage des deutschen Ge sandten in Paris die französische Regierung geneigt sei, die bei der Junirevolution gefangenen Deut schen auszuliefern. Jahn stellt den Antrag, daß, weil nach allen Gerüchten nicht nur einzelne Mit glieder, sondern ganze Bruchtheile der Linken durch ihre vertrauliche Verbindung mit den Häuptern des Aufruhrs in Frankfurt die Revolte unterstützt hät ten, der Reichstag beschließen solle, sämmtliche Mit glieder der Linken in Untersuchung nehmen zu lassen. Ferner wurde ein Antrag angenommen, dem Ge neral Wrangel und seinen Truppen den Dank der Nation auszusprechen. Bei den Präsidentenwahlen für den Monat Octobcr wurde erwählt zum Präsi denten wiederum Heinrich v.Gagern (mit 307 Stim men unter 377), zum ersten Vicepräsidenten Simson aus Königsberg, zum zweiten Riesser aus Ham burg. In Wien hat der Constitutionsausschuß den Ent wurf der Grundrechte der österreichischen Völker und Staatsbürger veröffentlicht. Die Hauptpunkte sind: Abschaffung der Standesvorrechte und Adelsbczeich- nungen für alle Zeiten, Abschaffung der Todes strafe, unbeschränktes Petitions- und Versamm lungsrecht, keine Staatskirche, Civilehc, Preßfreiheit ohne Cautionen, Stempel ic., gleiche Berechtigung aller Nationalitäten; das Heer steht unter den bür gerlichen Gesetzen und Gerichten. — Der Finanz-