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Großenhainer Unterhaitungs- und Ameigeblatt. Gedruckt, verlegt und redigirt von Herrmann Starke. «N 42. Mittwoch, den 24. Mai 1848. Vufruf des Ministeriums des Innern an alle Gemeinden und Gutsbesitzer des platten Landes. Das Ministerium des Innern hat bereits in seiner Bekanntmachung vom 22. Marz dieses Jahres auf die Noth wendigkeit hingewiesen, der Bedrängniß der arbeitenden Classe durch Gewährung lohnender Beschäftigung zu Hülfe zu kommen, und alle Besitzenden, ganz besonders den ehrenwerthcn Stand der Landwirthe, zur Mitwirkung hierbei auf- geforderl. Es sieht sich jetzt veranlaßt, diesen Hülferus lauter und dringender ertönen zu lassen und sich damit unmit telbar an die sämmtlichcn Landgemeinden und größeren Grundbesitzer des Landes zu wenden. Was damals nur gefürchtet wurde, ist seitdem wirklich eingetrcten. Die allgemeine Erschütterung der Geld- und Ereditverbältniffe hat ihren Rückschlag auch auf unser Vaterland geübt und zeigt ihre verderbliche Wirkung in dem fast völligen Erliegen der meisten Zweige der Gewerbthätigkeit, namentlich derjenigen, die für den größern Weltmarkt arbeitet. Die Fabrikunternehmer, von den gewohnten Hülfsquellen des Eredits verlassen und durch das Außenbleiben neuer, ja durch die Zurücknahme bereits gemachter Waarenbcstellungen entmuthigt, sehen sich einer nach dem andern genöthigt, den Kreis ihrer Thätigkeit enger und enger zu beschränken, wo nicht dieselbe sogar gänzlich einzustcllen. Leider ist es an nicht wenigen Orten schon zu diesem Aeußcrstcn gekommen; schon haben eine Anzahl Maschinenbauwcrk- stätten und andere Fabrikanstalten, noch vor Kurzem der Schauplatz großartiger Thätigkeit und des emsigsten Betriebes, geschloffen, ihre Arbeiter bis auf den letzten abgelohnt werden müssen. Eine Verbesserung dieser Verhältnisse läßt sich auch von der nächsten Zukunft nicht erwarten; eher steht ei» noch weiteres Umsichgreifen des Uebels zu befürchten. Hierdurch ist aber der Zustand in den Fabrikgegenden des Landes ein wahrhaft trauriger und bedrohlicher geworden. Eine ganz zahlreiche Bevölkerung, mit ihrer Existenz an den täglichen oder wöchentlichen Erwerb ihrer Hände gewiesen, sieht sich plötzlich der bisherigen Erwerbsquelle beraubt und der äußersten Noth mit allen ihren Schrecknissen gegenüber gestellt. Schon sind daher aus ihrer Mitte die dringendsten Bitten um Hülse an das Ministerium gelangt. Fern von jeder Absicht ungesetzlicher Schritte, ja im Gegentheile entschlossen, eher das Schlimmste zu ertragen, als von der Bahn der Ordnung und des Gesetzes abzuweichen, gehen die Bitten der feiernden Fabrikarbeiter nur dahin, ihnen Gelegenheit zur Arbeit, sei es auch eine noch so anstrengende und mäßig lohnende, zu eröffnen und ihnen dadurch die Erwerbung der dringenden Lebensnothdurft für sich und die Ihrigen zu ermöglichen. Ein solcher Zustand kann zwar nicht von Dauer sein und er wird cs nicht. Mit der Rückkehr der Ordnung, des Vertrauens zu der Festigkeit der öffentlichen Verhältnisse wird und muß auch die producircnde Volksthäligkcit die gewohnten Bahnen wicderfinden, ja es läßt sich für dieselbe nicht ohne Grund nach dem jetzigen Darniederlicgen ein verjüngter und erhöhter Aufschwung hoffen. Allein in Zeiten und Verhältnissen wie die jetzigen, zählen Wochen, ja Tage gleich Jahren. Es gilt daher zu helfen und augenblicklich zu helfen. Es liegt auch im höchsten Interesse der Gesammtheit, daß dies geschehe, ehe noch aus der materiellen Noth moralische Uebel schlimmerer Art sich entwickeln und Wurzel fassen. Die Aufforderung dazu ist aber um so stärker, je mehr die bisherige Haltung der nothleidenden Bevölkerung auch in dieser Hinsicht die vollste Anerkennung verdient. Es wird endlich gewiß geholfen werden können, wenn Staat, Gemeinden und alle Staatsbürger, ein jeder zu seinem Theile und in seinem Bereiche, wetteifernd dazu beitragen. Was von Staatswegen durch Gewährung von Vorschüssen zu Unterstützung des gewerblichen Credits und der Fabrikthätigkeit, durch Anordnung von Straßcnbauten und Ausdehnung der Arbeiten an den Eisenbahnen zu Verschaf fung vermehrter Arbeitsgelegenheit nach Maßgabe der verfügbaren Mittel augenblicklich überhaupt gethan werden kann, ist bereits cingeleitet. Richt minder sind die betheiligten städtischen Gemeinden und die mit diesen in gleicher Lage befindlichen Gemeinden der größeren Fabrikdörfer ihrer gesetzlichen Verpflichtung, sich der ihnen angehörigen Arbeiter bevölkerung zunächst anzunchmen und durch Gewährung von Arbeit oder, wo diese nicht sofort zu beschaffen ist, durch einstweilige directe Unterstützung für deren nothwendige Subsistenz zu sorgen, wohleingedenk und werden derselben auch ferner nach Kräften nachzukommen haben. Allein sowie die Möglichkeit, den an einzelnen Orten in größerer Zahl zusammen gehäuften feiernden Fabrikarbeitern an ihren Wohnorten oder in deren unmittelbarer Nähe Beschäftigung zuzuweisen, der Natur der Sache nach ihre gemessenen Grenzen hat, so würden auch di« Kräfte jener Gemeinden allein selbst bei höchster Anspannung den Ansprüchen auf die Dauer um so weniger gewachsen sein, je mehr dieselben durch die Nachwehcn des vergangenen Theurungsjahres bereits erschöpft und durch den aus den Gewerben überhaupt lastenden Druck noch überdies geschwächt sind. So richten sich denn die Blicke der bedrängten Arbeiter ganz von selbst auf die Hülfe ihrer Mitbürger auf dem platten Lande; und diese ihnen zu vermitteln durch einstweilige Unter bringung einerAnzahl von Fabrikarbeitern bei der Landwirthschaft und den damit zusammen hängenden Arbeiten ist der nächste und hauptsächlichste Zweck gegenwärtiger Aufforderung. Wohl weiß das unterzeichnete Ministerium, daß auch das platte Land den Druck der Zeit empfindet, daß manche Erwerbsquelle auch für den Landwirth und Gutsbesitzer jetzt spärlicher fließt. Eben so wenig verkennt es, daß bei weitem nicht alle Landgemeinden in dem Falle sein werden, obiger Aufforderung zu entsprechen, schon deshalb nicht, weil sie selbst eine an Hand- und Fabrikarbeit gewiesene Bevölkerung in ihrer Mitte oder in ihrer unmittelbaren Nähe haben, die der Hülfe bedarf und mit Recht darauf Anspruch macht, bei vorhandener Arbeitsgelegenheit zunächst