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Grossenhainer Unterhaltnngs- und Änzeigeblatt. Mit Hoher Concession gedruckt, verlegt und redlgirt von Herrmann Starke. II Sonnabend, den 6. Februar 1847 Eine Geschichte aus Amerika. Im April des Jahres 1840 hatte ein junger Mann aus dem Missourigediete in Ame rika, und zwar ein geborncr Amerikaner, einen Jagdzug mit andern Kameraden gemacht. Da entdeckte er an einer Stelle im Gebirge ein Blei lager von solchem Reichthume, daß die Bear beitung der Mine ihn bald reich zu machen versprach. Klug wie ein Amerikaner, bezeich nete er sich die Stelle genau, schwieg gegen seine Kameraden von seinem Funde, und kehrte fröhlich heim, wo er seiner Frau seine Entdeckung mittheilte. Ein Amerikaner wechselt seinen Wohnort, wie wir das Wamms, uno fragt nicht darnach. Daß die Mine etwa 50 Meilen von seinem Wohnorte, und etwa 40 Meilen von jeder andern mensch lichen Wohnung entfernt lag, das kümmerte ihn keine Minute. Sein Entschluß reifte rasch zur Ausführung. Da er augenblicklich keinen Käufer sand, so verließ er seine Färm, wie die Amerikaner eine Wohnstätte mit dazu gehörigem Feldgute heißen, und zog mit seiner jungen Frau und seinen Kindern dem Orte zu, wo er sein Glück zu gründen hoffte. Das nothwen- digste Geräthe nebst Lebensmitteln packte er auf ein Pferd, seine Frau nebst zwei kleinen Kin dern auf ein anderes, und er selbst wanderte mit der Flinte auf der Schulter nebenher. Da das jüngste Kind, ein Säugling von dreivierlel Jahren, unwohl war, so mußten sie langsam reisen, und am Abend suchten sie ein Obdach in einer verlassenen Hülle, die am Ufer eines Flusses lag. Schnell vereitele man das Bett in einer Ecke, holte das Kochgeschirr her vor und machte ein Feuer an. Diese Block häuser sind die allerrohestcn Wohnstätten, und diese, längst von ihren Bewohnern verlassen, war keineswegs wetlerdicht, vielmehr drang, da cs zu regnen und zu stürmen begann, das Wetter bald durch die Fuge», indessen, es war doch ein Obdach. Der Rauch quälte zwar; aber er war auch ein Schutzmittel gegen arge Gäste, nämlich gegen die Moskito's, eine Art blutsau gender Schnaken, die in den milderen Strichen des westlichen Amerikas eine entsetzliche Plage sindj weil sie durch ihre giftigen Stiche den Körper des Menschen so zurichten, daß er am Morgen voller brennender Beulen ist. Sie sind in solcher Menge vorhanden und so blutgierig, daß man sich kaum vor ihnen erhalten kann, und die Beulen schmerzen und brennen unaus stehlich oft noch Tage lang nachher. Die Rei senden waren müde. Da schläft sich's überall gut, hier zu Lande, wie in Amerika, und bald schliefen sie fest. Indessen wurde der Säugling wach und schrie heftig. Bergebens suchte die Mutter ihn zu beruhigen. Endlich sagte sie zu ihrem Manne: «Ich wollte, du reichtest mir einen Becher Wassers, das Kind will trinken, und ich selber habe unerträglichen Durst.» «Gut >, sagte der Mann ; «habe nur so lange Gedulo, bis ich das Feuer ein wenig angeblasen und einen Span angesteckt habe, damit ich die Quelle finde.» Dainit stand er auf und tappte dem Kamine oder Herde zu. Plötzlich aber stieß er einen Schrei aus und sprang in die entgegengesetzte Ecke des Zimmers. »Um Gottes willen, was ist dir?» fragte die Frau erschrocken. «Nichts», stöhnte der Mann, «ich — ich trat nur auf Etwas !» «Ich will aufstehen und Feuer anmachcn,» sagte die Frau darauf, und richtete sich vom Lager auf.- «Hall! um Gottes willen nicht!» rief ihr der Mann zu. «Um deiner selbst und unserer Kin der willen, rühre dich nicht von der Stelle, bis es hell ist.» «In wahrer Todesangst dringt nun die arme Frau in ihn, daß er ihr sage, was ihm begegnet sei; da sagt er ihr endlich: «Es find Schlangen im Zimmer, und ich habe auf eine getreten.» Mit Entsetzen fragte das bebende Weib: «Bist du gebissen?» «Ich glaube nicht», antwortete der Mann. «Es sprang eine nach mir, hat mich aber wohl gefehlt. Bleibe ruhig liegen, und halte die Kin der still.» «O mein Gott», jammerte das arme Weib; «wenn es doch nur Tag wäre! Die Angst wird mich tödten! Halte dich nur ruhig.»