Volltext Seite (XML)
Grossen Hainer Unterhaltungs- und Anzcigeblatt. Mit Hoher Concession gedruckt, verlegt und redigirt von Herrmann Starke. 19 Sonnabend, den 6. Mar; 1847. Der arme Ritter. (Fortsetzung.) Die erste Sorge des Herrn von Cadouville, welcher deutsch sprach, war, sich nach der Woh nung des Baron Klurkel zu erkundigen; man gab ihm die Adresse, benachrichtigte ihn aber so gleich, daß derselbe seit einigen Tagen sehr ge fährlich krank sei. Ueberrascht und beunruhigt, begab er sich in aller Eile nach der bezeichneten Adresse: Herr von Klurkel war bereits gestorben! Wie sehr der Marquis auch Philosoph war, diese Nachricht setzte ihn doch in Bestürzung. Der Baron war seine einzige Bekanntschaft in Stettin, und der Tod desselben ließ ihn ohne jede Empfehlung mitten in einer fremden Ein wohnerschaft. Er sah sich nicht nur der nöthigen Empfehlung beraubt, um sich hier ein Unter kommen zu verschaffen, sondern auch ohne Hilfs quellen, den Ort zu verlassen. Mit langsamen Schritten schlug er den Rückweg zum Gasthof ein, und dachte mit Unruhe an seine gegenwär tige Situation, ohne nur einen Blick auf die Zukunft zu wagen. Mittlerweile hatten Herr und Madame Godu- reau seine Abwesenheit benutzt, um Suzon im Stall unterzubringen, und ihr Gepäck nach dem ihnen angewiesenen Dachzimmer zu schaffen. Beide sprachen von nichts Anderem, als von Herrn von Cadouville. Der Er-Taschenspieler, den die Freundlichkeit desselben stolz gemacht hatte, erklärte ihn für ein höheres Wesen, und Suzettc, mit welcher er sich von ihrem früheren Leben und ihrer Heimalh unterhalten hatte, ver mochte seinen Namen nur mit einer Art Rüh rung auszusprechen. «Ach! welcher vortreffliche Herr!,: sagte sie. «Ohne Dich, Gvdureau, hätte ich sein Haus nie verlassen.,: «Ich will es wohl glaubens, erwiderte Godu- reau mit etwas läppischer Miene. «Immer guter Laune,» fuhr die frühere Die nerin fort;, nie würde er mit Einem sprechen, ohne ihm etwas Angenehmes zu sagen, oder ihm ein Geschenk zu machen.» «Die Freigebigkeit ist der schönste Zug groß- müthiger Seelen,» bemerkte Gvdureau. «Jedes Jahr bediente ich ihn sechs Wochen lang», sulw Suzetle fort; «wenn er den Jagd- pavillon bewohnte, nahm er Niemand an, als den Kammerdiener und mich ... ich kenne auch seine Lieblingsspeisen.» «Und erinnern Sie sich noch derselben, Ma dame Gvdureau?» «Ob ich mich derselben erinnere! Er hatte vor Allem ein Gericht, dessen er nicht überdrüs sig werden konnte, das waren arme Ritter.» «Arme Ritter!» rief der frühere Besitzer des Wachsfiguren-Cabinets. «In dieser Beziehung erlaube ich mir die Ansichten des Herrn Mar quis zu lheilen. Arme Ritter sind durchaus französisch, und: «Stets großvenkenden Herzen anklebt die Liebe zur Hümath. > «O! Ein Gedanke!» rief Suzette, indem sie die Hände in einander schlug. «Wenn ich dem Herrn Marquis heute Abend welche bereitete...» «Eine Erinnerung an Frankreich? Das wäre in der Thal eine eben so vortreffliche alS wobl- thuende Anspielung», sagte Gvdureau, «aber findest Du hier die nöthigen Dinge?» «Was bedarf es dazu vieler Dinge?» Außer der Weinsäure, Eier und Milch . . . >: «Man müßte doch erst wissen, ob die deut schen Behörden nicht etwa die Zubereitung der armen Ritter als eine revolutionäre Handlung ansehen! Nach der Consiscation des französischen Parnasses halte ich Alles für möglich. Wenn sie aber doch einmal ein Erinnerungsfest an die ferne Heimath bezwecken, Madame Godureau, so fordere ich Sie auf, dasselbe auf drei Per sonen cinzurichtcn, denn in dem Puncte bin ich nickt weniger Franzose, als der Herr Marquis.» esuzette versprach es, und eilte in die Küche des Gasthauses, wo sie sich die nöthigen Sachen geben ließ. Nach Verlauf einiger Zeit schmorten und brodelten die armen Ritter in der Pfanne und verbreiteten in der deutschen Küche süße Wohlgerüche. Aus der Küche zog sich der Duft auf den Eorridor und gelangte vvn hier in den Speisesaal, wo einige Gäste sich eben an den Tisch niederließen. Alle Geruchsinne wurden aus das angenehmste berührt, und alle Nasen wen deten sich der Thür zu, um die ungewohnten Düste der «drei Könige» einzuscknüffeln. Es entstand ein allgemeines Murmeln der Ueber-