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Großenhainer Unterhaltungs - und Anzeigeblatt. Gedruckt, verlegt und redigirt von Herrmann starke 53. Mittwoch, den 3. Juli 1850. Tagesnachrichten. Sachsen. Man hört und liest in neuester Zeit sehr häufig ein mit großer Selbstgefälligkeit ge brauchtes Gleichniß, worin die sächsischen Juni- Verordnungen mit ärztlichen Operationen lobend ver glichen werden, durch welche die wichtigsten Schäden der Zeit ausgeschnitten und geheilt worden sein sollen. Diese Meinung dürste jedoch sehr irrig sein, denn jeder verständige Arzt weiß, daß sich ein äußerer Schaden zwar wcgschneiden läßt, aber der Orga nismus dadurch, abgesehen von der operativen Ver stümmelung, nicht etwa geheilt, sondern das Uebel nur dem Anblick entzogen wird, um bei Vernach lässigung wirklicher Heilung entweder bald wieder an einem andern Orte stärker hervorzubrcchen ober den Organismus durch innere Zerrüttungen zum Tode zu führen. Diese Ueberzeugung hat uns stets geleitet und wird es auch in Zukunft, und daß diese Ueberzeugung nichts Anderes, sondern nur einfach vernünftig ist, wird dem Unbefangenen leicht einleuchten. Die Bemühungen einer wirk lichen Heilung der socialen und politischen Zustände der Gegenwart wird dieses Blatt auch ferner, so viel an ihm ist, unterstützen, so wenig als es Operationen zu loben gesonnen ist, welche diesem Zwecke an und für sich kaum entsprechen dürften. — Am letzten Freitag hat ein Wolkenbruch, der die Dörfer Porskorf, Pillnitz und Umgebung heim suchte, großen Schaden an Feldern und selbst Ge bäuden gethan. Die königliche Familie sorgte für mehrere aller ihrer Habe beraubte Familien sofort durch Unterkommen und Unterhalt in den Schloß gebäuden. — In den letztvergangenen Tagen waren außer Hrn. v. Radowitz auch der russische Staats kanzler Graf Nesselrode und der russische Gesandte in Berlin Baron v. Meycndorff in Dresden. Man vermuthet, daß es sich dabei vornehmlich um die dänische Angelegenheit gehandelt hat, hinsichtlich deren in letzter Zeit eine bedeutende Umstimmung zu Gunsten Preußens und der Herzogthümer von Seite Rußlands eingetreten sein soll. Andere Nach richten aus London lauten allerdings anders. Preußen- Man spricht seit einigen Lagen in Berlin viel von neuen wichtigen Enthüllungen, welche der Regierung aus London und Paris, ja selbst aus Rom, über politische Umtriebe der Ar beitervereine zugekommen sind. Als Heerd derselben wird die Schweiz und England bezeichnet. In ^olae davon wiederholen sich d,e Gerüchte von Maßregeln, welche darauf abz.clen, die Flüchtlinge für immer aus der Schweiz zu vertreiben, und es wird als gewiß crMt, daß eine Note m zwar freundschaftlichem, aber ehr enNch-edenem Tone be reits dahin abgegangen se,. - Der bekannte Blld- baucr Grcmzow, welcher wegen seiner demokratischen Richtung nach Amerika ausgewandcrt war, ist nach vielfachen Täuschungen wieder zurückgckchrt und hat Auftrage vom König erhalten und angenom men. — Die demokratllchen Organe rathen ihrer Partei, sich^bei den bevorstehenden Gemeindcwahlen möglichst zu bethelligen. — Am Johannisfeste hielt die freie Gemeinde von Königsberg auf einem drei Meilen von der Stadt entfernten Landgute eine große Versammlung ab. Den ersten Theil bildete die religiöse Andacht nebst der Confirmation von 24 Kindern. Der zweite Theil bewegte sich in Po litik und socialen Zeitfragen, wobei Aufforderungen zum gewaltsamen Widerstand gegen die Regierung, zur Stcuerverweigerung rc. vorkamen. Es soll so fort gegen die Bcrufer, Leiter und Redner in dieser Versammlung die gerichtliche Untersuchung einge leitet sein. — Für bas Parlament wird ein Gesetz über das Heimathsrecht vorbereitet. Baiern. Die Kammer der Abgeordneten nahm den Antrag von Kolb, alle eigentlichen Gesandt schaften abzuschaffen und dieselben, wo nöthig, durch einfache Geschäftsträger zu ersetzen, mit 54 gegen 53 Stimmen an. Baden. Am Jahrstage des Einzugs der Preu ßen waren in Karlsruhe verschiedene Festivitäten veranstaltet und Fahnen ausgestcckt. — Der Kriegs zustand mit Standrecht ist auf vier Wochen verlängert. Würtcmberg. In der Landesversammlung ward die beantragte Anklage gegen den Minister des Auswärtigen, weil er den Beitritt zum In terim und die Münchener Uebercinkunft ohne Be willigung derselben unterzeichnet hat, angenommen und der Präsident beauftragt, das Weitere zur Einberufung des Staatsgerichlshofes zu veranlassen. Eine Kammerauflösung wird wahrscheinlich diese Angelegenheit beenden. Großherzogthunr Hessen. Der Minister Jaup ist zurückgelreten, in Folge dessen auch der Rücktritt des Landes von der Union bevorsteht; die Hauptursacbe sind österreichische Rathschläge.