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Sächsischer Landes-Anzeiger : 12.06.1892
- Erscheinungsdatum
- 1892-06-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-189206125
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18920612
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18920612
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsischer Landes-Anzeiger
-
Jahr
1892
-
Monat
1892-06
- Tag 1892-06-12
-
Monat
1892-06
-
Jahr
1892
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 12.06.1892
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Nr. 134. kämpfen. Unser« Aufgabe» find wirthschaftliche. In dem wirlh schaftliche» Kampfe zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer wolle» wir versöhnend »nd vergleichend eiuwirkcn, durch Besprechung n»d Hinweis ans wirthschaftliche Mißstände z»r Besserung ans sried licheni Wege ohne Streiks »ud BvycotlS Veranlassung geben n»d ei» vertrauensvolles Berhältniß herzustcllen nud zu erhalten suche». Wir wolle» die gegebenen, für die Arbeiter wichtigen Gesetze erklären und über die Bedeutung derselbe» belehren, Auskunft und Rath ertheile»; der Arbeiterwohnnngsfragk danernde Aufmerksamkeit widmen und wo uölhig Abhilfe schaffen. Wir »vollen n»S der besonderen wirthschast- liche» Nothlage unsrer Mitglieder nach Kräften annehmen durch Ar beitsnachweis, Unterstützung i» Krankheits- nnd sSterbesäll »; der Heraubildnng der Lehrlinge in Industrie nnd Handwerk, sowie der wirthschaftliche» AnSbildnng der Mädchen dauerndes Interesse widme»; den Sin» für Sparsamkeit wecken und pflegen. Unsre Aufgaben sind vaterländische: Wir wollen vaterländische Gesi nnug durch Vor träge, Feste und Lieder Pflege», dagegen die valcrlan, »feindlichen Be strebungen beleuchten nud brandmarken, wo immer sie nuftrete». Unsre Aufgaben sind sittliche: Wir wollen kämpfe» gegen die Un- sittlichkeit, Trunksucht und Völle«', Spielwuth, schlechte Lcctüre, gegen Rohheit »nd Gemeinheit in Gesinnung und That, gegen die Lieb losigkeit, die Selbstsucht und den Materialismus. Unsre Ausgaben sind religiöse: Die evangelischen Arbeitervereine müssen von ihren Mit glieder» Treue gegen das evangelische Bekenntniß nnd Bethätignng int Leben fordern; sie habe» Belehrung über wichtige religiöse Fragen zu ertheile»; sie suchen eine sittlich-religiöse Erneuerung nusreS ganzen Volkslebens hcrbeizusühre». «Schslsche» La«de»-«i»zetger («hem«itzer töener«!.Anzeige»), IS. Juni 18SL Socialdemokratische Zukunftsbilder. Frei nach Bebel. Von Enge» Richter, Mitglied deS Reichstag». l8. Fortsetzung.) Nachdruck verboten. SV. Ueble Erfahrungen. Frau und Schwiegertochter sitze» bis tief in die Nacht hinein, nm heimlich zu schneidern. ES gilt einem ucnen Anzuge für Agnes. Als Conlrolcur müßte ich eigentlich Beide zur strafrechtlichen Verfolgung anzeigen wegen Ucbcrprodnktion durch Ueberschreilcn des Maximalarbeitstages. Jndeß gehören Beide nicht zu den 50 Personen, welche mir als Controlseclion unterstellt sind. Die beiden Frauensleute sind diesmal noch redseliger als sonst bei solchen Schneiderarbeiten. Verstehe ich es recht, so haben sic in den Verkanfsmagazinen nicht gefunden, ivaS sic suchten, und machen nun aus andern Kleidern etwas zurecht. Beide schelten »in die Wette über die neue» Verkanfsmagazine. Schaufenster, Ncclame», Ver sendung von Preisliste», Aller hat anfgchört. Man weiß gar nicht mehr Bescheid, so klagen sie, was eS a» neue» Sachen zu kaufen giebt und wie die Preise sich stellen. Die vom Staat angestelltcu Verkäufer sind so kurz angebunden, wie die Beamten am Eisenbahn schalter. Die Coucurrenz der Läden nnter einander hat natürlich aufgehört. Jeder ist für bestimmte Bedürfnisse auf ein bestimmtes VcrkausSmagazin angewiesen. So verlangt eS dix Organisation von Produktion und Cvnsnmtion. Ob man etwas kauft, ist natürlich dem Verkäufer völlig gleich- gütig. Mancher Verkäufer schaut schon mürrisch drein, wenn .die Ladenlhnr ausgeht und der Verkäuser dadurch vielleicht in einer interessante» Lectüre oder Unterhaltung unterbrochen wird. Je mehr man zur Auswahl vorgelegt verlangt, je mehr mau Auskunft wünscht über Beschaffenheit nnd Dauerhaftigkeit des Stoffe», desto verdrossener zeigt sich der Verkäufer. Ehe er aus einem andern Rani» des Magazins das Verlangte hervorholt, leugnet er lieber das Vorhandensein eines Vorrathes von dem Gewünschte». Verlangt man fertige Kleider — daS Kleidcrmachen außerhalb des Maximalarbeitstages ist auch für den eigenen Gebrauch unlcrsagt —, so ist man erst recht übel daran. Es geht beim Anprobiren zu, wie bei Rekruten in der MvntirungSkammer. Die ausgesuchte Nummer soll durchaus zu dem Körper passe». Ist etwas aus Bestellung ge arbeitet und erweist sich beim Anprobiren hier zu eng, dort zu weit, so bedarf es großer Beredsamkeit, den Verkäufer hiervon zu überzeuge». Gelingt das nicht, so muß man entweder den Anzug nehme», so wie er ausgefallen ist, oder gegen die betreffende Staat-- behörde Prvceß führe». Proccß führen ist allerdings jetzt sehr billig. Wie schon der Erfurter Parteitag im October 1891 dckretirt hat, ist die Rechtspflege und Rechtshilfe uncntgelllich. Die Zahl der Richter und Rechts anwälte hat infolgedessen gegen früher verzehnfacht werden müssen. Aber dieses reicht noch immer nicht, da die Klagen über Mängel nnd Fehler der in de» StaatSwerkstättc» gelieferten Waarcn, über schlechte Beschaffenheit der Wohnungen »nd des Essens, über Ungehvrigkeitcn der Verkäufer und sonstiger Bedienstete» so zahlreich sind, wie Land am Meere. Auch in achtstündigen Sitzungen vermögen die Gerichte d°" Terminkalender nicht innc zu halten, obwohl die Rechtsanwälte nichts weniger, als darauf aus sind, Procrsse zu verschleppe». Im Gegen theil, man klagt darüber, daß sie nach Aufhebung der Gebühren und seit ihrer Anstellung als Staatsbeamte ihre Clienten kaum anhören und Alles möglichst snmmarisch »nd im Ramsch abznmache» suchen. Viele, die nicht im Procegführcn eine Art von anregender Unter haltung suchen, nehmen daher trotz der unentgeltlichen Rechtspflege und Rechtshilfe lieber jedes Unrecht geduldig hin, um sich Laufereien, Zeitverlust nnd Aerger zu erspare». Betrübend ist eS, wie die Eigeilthumsvergehen zunehmc», trotz dem Gold nnd Silber verschwunden ist. In meiner Eigenschaft als Conlrolcur gewahre ich jetzt hinter den Conlissc» so Manches, was sich bisher meinen Bücken entzog. Die Zahl der Unterschlagungen hat sich gegen früher vecsiebensacht. Angestellte jcder Art verabfolge» gegen irgend eine private Zuwendung oder Dienstleistung znm Nach theil des Staates Waare», oder üben de» ihnen bcrnssmäßig obliegende» Dienst ans, ohne in dem Geldccrlifikat des Empfängers in vorgc schriebener Weise eine» dem Werth entsprechen) c» Coupon lvszutrcnncn »nd z»r Buchhaltern abzusühre». Durch unrichtiges Maß oder durch Verfälschung der Waare beim Verkauf sucht man das Fehlende, was nicht durch entsprechende Coupons »achgewieseu werden kann, wieder auszugleichcn. Anch Diebstähle von Geldccrlifikaten kommen vielfach vor. Die anfgedruckten Photographien habe» im Massenvcrkehr die Benutzung der Geldcertifikate durch dritte Personen nicht zu verhindern ver mocht. Da» Znsichcrn »nd Gewähren von Geschenke» aller Art an Personen, welche durch Anstellungen und Vergebung bequemer Arbeit nnd dergleichen Einfluß ansnben, greift bis in die höchsten Beamten- kreise hinauf Platz. In jeder Confercnz mit unser»! Lbercontrvlcnr wird im Interesse der Controle auf neue Praktiken solcher Art auf merksam gemacht. Bisher hatte ich mich stets auf Besserung vertröstet nach Ueber- windnng der Uebcrgangsvcrhältnisse. Aber ich kann c- mir nicht verhehlen, die Dinge gestalten sich zuseheud» immer schlechter. Einer meiner Kollege» wollte sich dies heute, wie folgt, erklären. Seitdem die Leute nicht mehr im Stanke sind, durch persönliche Anstrengung in gesetzlicher Weise sich eine Besserung ihrer LebcnSverhältnisse über da- vorgeschriebe»« gleiche Maß hinan» zu verschaffe», geht ihr gaiizes Dichten nnd Trachten dahin, in ungesetzlicher Weise sich das jcnigc zu verschaffen, was ihnen sonst unerreichbar ist. S1. Die Flucht. Schreckliche Tage haben wir erlebt. Am Sonntag früh kam Franz plötzlich an auf der Durchreise nach Stettin, wohin er, wie er angab, versetzt worden sei. Meine Frau zeigte sich über die A» kauft gar nicht verwundert, desto anfgeregter war sie bei seiner Ab> re se. Sic schluchzte laut auf, hing an seinem Halse und konnte sich gar nicht von ihrem Sohne trennen. Auch Franz verabschiedete sich von mir, als gelte cs einen Abschied auf Nimmerwiedersehen. Agne-, Franzens Braut, habe ich nicht gesehen. Beide wollten ans dem Stettiner Bahnhof znsammentrcffen. Mittwoch las ich meiner Frau aus dem »Vorwärts" mit gleich gütiger Stimme eine Nachricht vor, daß an der Seeküste wieder flüchtige Auswanderer von den Grenzpatrouillen niedergeschossen sind, meine Frau ruft entsetzt ans: »Wo denn!" Als ich ihr antwortete: „Auf der Rhede von Saßnitz", siel sie ohnmächtig zurück. Mil Mühe gelang cs mir, sie allmählich wieder znm Bewußtsein z» bringen. In abgerissenen Worten erzählte sie mir, daß Franz und Agnes am Sonntag zusammen abgercist sind, und nicht nach Stettin, sondern nach Saßnitz auf Rügen, nm von dort aus Deutschland zu verlasse». In dem Zeitungsartikel war »och näher ansgeführt, daß flüchtige Auswanderer Widerstand geleistet hätten, als das von Stettin kommende dänische Postschiff beim Anlegen in Saßnitz von der Grenzwache visitirt wurde nnd die flüchtige» Auswanderer mit Ge- Walt auf's Land zurückgeführt werden sollten. Furchtbare Stunden, getheilt zwischen Kummer und Angst, brachten wir zu, bis eine neue Nummer des „Vorwärts" die Namen der Ge- tödtctcn nnd Verhafteten veröffentlichte und sich Franz und Agnes nicht auf dieser Liste befanden. Aber was war aus ihnen geworden ? Meine Frau gestand mir nun ein, was Alles vorhergegange» war. Franz hatte schon vor seiner Abreise nach Berlin bei der letzten Geburtstagsfeier von Mutter dieser seine feste Absicht mitgctheilt, Deutschland, dessen Zustände ihm unerträglich seien, sobald wie möglich zu verlassen. Er bat seine Mutter iuständigst, mir, von dessen gesetzlichem Sinn er Widerstand befürchtete, keine Silbe daüber mitzutheilen. Vergeblich hat meine Frau ihm die Sache auszurcden versucht, er blieb bei seinem Entschluß, nnd das Mutterhcrz konnte den Vorstellungen des Sohnes nicht mehr widerstehe». Aus früherer Zeit hatte sich meine Frau eine Anzahl Goldstücke erspart und a»ch vor mir verborgen gehalten. Dieses Geld übergab sie Franz zur Bestreitung der Uebcrfahrtskosten auf einem ausländischen Schiff. Damals widerstrebte noch Agnes. Sie war bereit, wenn es sein mußte. Franz bis an das Ende der Welt zu folgen, wie sie sagte, aber sie vermochte die Nothwendigkeit, sich von allen anderen Lieben hier zu trennen, noch nicht einznsehcn. Bald aber gestaltete» sich ihre eigenen Verhältnisse, was ich Aller jetzt erst erfahre, immer wider wärtiger. Still und sittsam hatte das junge Mädchen für sich in der elter lichen Wohnung Pntzarbeiten hergestellt und an ein große» Geschäft abgclicfcrt. Nu» aber mußte Agnes in einer große» Näherei arbeiten nnd i» einem großen gcmeiiischaftÜchcn Arbeitssaale mit Fraucns- icrsonen vo» theilweise recht leichten Sitte» tagsüber zusammen sein Ihre keusche Jungfräulichkeit empörte sich über die Art mancher Ge bräche und üder die Umgangssormen gegenüber den männlichen Be tricbsleitern. Klagen und Beschwcrden machten d e Sache nur noch schlimmer. Bei ihrer hübschen Ers t einnng wurde sie bald der Gegen stand unausgesetzter Nachstellung seitens eines der Betriebsleiter. Schroffe Zurückweisungen suchte derselbe durch Chican n aller Art im Arbeitsverhättniß zu rächen. — AchnlicheS mag ja auch früher in solche» Verhältnisse» vorgekommcn sei». Aber damals war wenigstens eine Rettung durch einen Wechsel der Arb.itsstätte möglich. Heule aber betrachte» manche Betriebsleiter die Arbeiterinnen säst wie wehr los ihnen überlieferte Sclavinnen. Die höheren Beamten habe» hiervon Kenutniß, aber sie selbst treiben eS vielfach nicht besser in solcher Ansnntznng ihrer Machtstellung nnd beurtheilen deshalb Klagen nnd Beschwerden, welche an sie gelange», sehr nachsichtig. Da bleibt denn de» Anverwandte» oder Verlobten der in ihrer Ehre bedrohten jungen Mädchen kaum etwas anderes übrig, als zur Noth- wehr zu schreiten. Schwere Mißhandlungen, Mord »nd Todtschlag sind, wie wir in nnseren Cvnferenzen der Cvntrolenre täglich erfahren, die Folge solcher Zustände. Agnes, die valeclffc Waise, hat in Berlin keinen Beschützer. Die Klagebricfc der Braut brachten Franz in Leipzig zur Verzweiflung nnd sörd.rlcn de» Entschluß bei ihm zur Reife, mit der Ausführung des Fluchtplancs nicht länger zu zögern. Agnes wünschte dies jetzt selbst auf das Dringendste. Meine Frau hals in den letzten Nächten die Reiscklcidcr beschaffen und Alles vvrbereiten. So war der entscheidende Sonntag herangekommen, über dessen Ansgang wir so lange in qualvoller Ungewißheit bliebe». Endlich, nach fast 8 Tagen, wurde derselben ein Ende gemacht. Es traf ein Brief der Beide» von der englischen Küste ein. Sie halte» sich nicht auf dem dänische» Posischisf befunden. Der Fischer, .bei dem die Beiden in Saßnitz eine Unterkunft gefunden, war ei» entfernter Ver wandler meiner Frau. Die dortige Strandbevölkerung ist gegen die neue Ordnung überaus feindselig gestimmt, weil dieselbe ihnen den bishcrigcn reichen nnd bequemen Verdienst vo» de» Badegästen ge raubt hat. Tenn die socialisirte Gesellschaft gestattet Badereise» nur Solchen, welche» sie nach Prüfung durch eine ärztliche Commission ausdrücklich verordnet ist. Unser umsichtiger Fischer widersetzte sich dem Vorhaben des Paares, eines der Pvslschifse, auf welche in letzter Zeit besonders scharf vigitirt wird, zur Flucht zu benutze». Der Fischer fuhr die Beiden zu der Zeit, als gerade die Aufmerksamkeit der Grenzwache dem Poslschisf zugewendct war, aus seinem Fischerkahn bis auf die Höhe vo» Stubbenkanimer in die Sec hinaus und brachte sie dann glücklich an Bord eine» vurüberfahrenden, von Stettin znrückkchrenden englischen Frachldainpfcrs. Tie Engländer, deren Handel durch die neue Ordnung in Tenlschland sehr benachtheiligt wird, sind stet- gern dabei, der svcialdcmvkralische» Regierung durch Aufnahme flüchtiger Auswanderer ein Schnippchen zu schlage». So sind denn Agnes und Franz »ach kurzer Uebcrfahrt glücklich nach England gelangt und befinde» sich heute bereits auf der Uebcrfahrt »ach Newhork. Die arme» Kinder! Was haben sie ausgestanden I Und erst meine gute Iran, welche alle ihre Sorge» und Gedanken so lange vor mir in ihrer Brust verschlossen hat! Was kan» ich im Leben »och Ihn», um ihr in Liebe alle diese mütterliche Aufopferung zu vergelten I < Fortsetzung folgt.) Alte Liebe rostet nicht! . Eine wahre Geschichte au» der französischen Revolutionszeit, erzählt von Klara Reichner. (Fortsetzung.) Nachdruck verboten. Der General wendete dem Eintretenden den Rücke»; er schien eine noch jugendliche, statlliche Gesta ltund dunkelgebrSuule Züge zu be sitzen, — mehr konnte mau nicht von ihm gewahren, da er einen großen Pelzrock trug, nnd, in gebückter Haltung an seinem Pulle sitzend, emsig schrieb. Er schrieb auch ruhig weiter, ohne sich umzusehen, während der Bittsteller i» demüthiger Haltung, angsterfüllt dort stand nnd auf de» Augenblick wartete, in welchem es dem Commandenr gefallen würde, Notiz von ihm zu nehmen. Endlich winkte dieser, znm Zeichen, daß er zu hören erlvarte, lvas man von ihm wünsche. „Ich bin der Kaufmann Lafont, gnädigster Herr General", stammelte er verwirrt, „und möchte Sie gehorsamst bitte», Ihren unter- thänige» Diener —" „Es giebt keine gnädigen Herren und keine unterlhänige» Diener mehr, Bürger Lafont!" fiel ihm hier mit nachdrücklicher Be tonung eine feste, kurz: Stimme in'S Wort, eine Stimme, der man eS anhörte, daß sie es gewöhnt war, zu commandircn. Bürger Lafont fuhr erschreckt zusammen nnd verneigte sich noch tiefer. — Hing doch im Augenblicke von diesem Manne seine ganze Existenz und Zukunft ab! ^ „Bürger General," sagte er deshalb mit all' dem verzweiflnngS- vollcn Eifer, der einen Mensche» beseelt, welcher sich au einen Strohhalm klammert, indem er alles auf eine Karte setzt, um sich sein Hab' nnd Gut, die Errungenschaften eine» ganzen Lebens, zu erhallen, ich liebe das Volk nnd verehre seine glorreiche Vertretung: den Convent. Trotz dieser meiner feierlichen Versicherung aber, trotz der Erklärung, daß ich ei» guter Republikaner bin, hat man meine Speicher erbrochen, und dieselben geplündert!" „Ah — Sie sind also wirklich Republikaner, Bürger Lafont? kann ich mich auf Ihr Wort verlassen?" Mein Ehrenwort, daß ich mich glücklich schätzen würde, einen Platz im Nalional-Eonvent einnehmen z» dürfen, wenn man eS mir gestattet!" In der That, Bürger? — Das heißt. Sie sind ein Repub likaner des Worts, nicht der Gesinnung, weil das Glück der Waffen günstig für die Patrioten war, — sonst würden Sie Royalist geblieben ei»! Jetzt ater gilt eS de» Besitz zn retten, diese Häuser, Speicher, Schiffe, Geldkästen, damit die siegreiche Republik dieselben nicht con- iscirt — ist es nicht so?" — Dem unglücklichen Kaufmann trat der Angstschweiß auf die Stirn, je länger er dieser tiefen klangvollen Stimme znhörte. „Ich schwöre — Bürger General —" rief er verzwciflungsvoll. „Schwören Sie lieber nicht, Bürger Lafont!" fiel ihm der General in's Wort. „Beantworten Sie mir jetzt eine andere Frage. — Sic besitzen eine Frau — irre ich nicht, von adeliger Her kunft?" — Herr Lafont zitterte noch mehr. — „Mein Gott — wer kan» für seine Herkunft," sagte er ent schuldigend, „das ist ja eine ganz geringfügige Zufälligkeit. Ich erkläre feierlich, daß diese unglückliche H«kn»st sie nicht hindert, eine wahre Freundin des Volkes »nd der Republik zn sein!" „Haben Sie Kinder?" „Eine einzige Tochter, General!" „Verheirathet?" fragte der General, noch eifriger i» seinen Papieren kramend nnd notirend. „Nein, mein General! Noch ledig." Eine Pause folgte diesen Worte». — Der General schien zu überlege». „Nun wohlan!" sagte er dann, „so führen Sic sofort Ihre Frau und Tochter her zu mir! Von deren Bestätigung soll es ab- hängc», ob ich Ihnen trauen darf!" Lafont stürzte fort. — Trotz alledem hatte der republikanische Befehlshaber ihm ein gewisses Zutrauen eingeflößt, obwohl derselbe ich so kurz und abweisend gegen ihn verhallen. Er eilte, Madame Lafont und Cecile herbeizuholen, die auch ungesäumt dem Befehle Folge leisteten, denn einem solchen kam der Wunsch de- Generals ja eigentlich doch gleich. Hätte der angsterfüllte Kaufmann sehen könne», in welcher sicht lichen Erregung der gefürchtete General der Republik nach seiner Entfernung vom Sitze anssprang, um unruhig im Zimmer ans- und abzuschreiten, er würde sich nicht wenig darüber gewnndert haben, den vorher so kurz angebundenen Krieger Plötzlich so sehr verändert zn sehe», aber als bald darauf der diensthabende Ofsieier die Familie Lafont hereinführle, fand sich — äußerlich wenigstens — keine Spur mehr vo» dieser auffallenden Bewegung vor, so sehr mußte wohl der eiserne Krieger der Republik daran gewöhnt sein, sich selber zu beherrsche». Da saß er wieder' ans seinem Sessel, wie vorhin, der Thür deu Rücke» zugewendct und anscheinend eifrig mit seinen Papiere» be schäftigt, so fest in seinen Pelzrock eingehüllt, daß bei dem noch dazu im Zimmer herrschenden Zwielicht ein näheres Erkennen seiner Züge ganz unmöglich war. „Gestatten Sie mir und meiner Tochter, tapferer Verlheidiger der erhabenen Republik," ließ sich jetzt die pathetische Stimme der Madame Lafont würdevoll vernehmen, „gestalten Sie unS, glorreicher Bürger General, Ihnen zu versichern, daß wir alle gesinuungstüchlige treue Republikaner sind!" Die Stimme der Generals klang jetzt fast noch kürzer nnd barscher wie zuvor, als er — lief gebengt über sein Pult — er widerte: „Anch dann noch, Bürgerin, wenn dieselbe Republik da- Eigen« thnm Ihres Galle» für sich in Anspruch nimmt?" Madame Lafont demüthigle sich so weit, um gemeinschaftlich mit ihrem Galten in neue Versicherungen ansznbreche», nnd schließlich die Gnade und den Schutz des Republikaners anzuflehen. Cecile war bis dahin still im Hinlcrgrinid geblieben; — sie war ein schönes Mädchen von impvnirender Erscheinung geworden, stolz nnd edel war die ganze Haltung der schlanke», hohen Gestalt. Fehlte anch jetzt jener knospcnhafle Schmelz, der einst an ihr ent- zückte, so fesselte sie nun dafür um so mehr durch den unsagbar«» Reiz der voll erblühten Blume, aus welcher wie eiu leichter Duft der rührende Schatten einer Reihe trauriger Tage voll vergeblicher Hoffnung und mancher heimlich geweinten SchnsnchtSthränen lag. „Und Sie, Mademoiselle," wendete der General sich jetzt a» Cecile, „bestätigen auch Sie die Versicherung Ihrer Eltern, treue Anhänger der Republik z» sein? —" Cecile zögerte einen Augenblick. Dann aber, mnthig einen Schritt vorlretend, sprach sie mit fester Stimme: „General — im Namen deS Mitleids und der Gerechtigkeit, haben Sie Nachsicht mit dem gebleichten Haare meiner alten Eltern! Wir haben viel gelitten in dieser letzten Zeit — üben Sie Gnade!" „Soll daS heißen, daß Sie nicht einverstanden sind mit den Erklärungen Ihrer Ellern?" forschte der General mit gedämpft«» Stimme. (Fortsetzung folgt.)
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