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395 belgische Regierung gab den Wunsch kund, mit jItalien freund schaftliche Beziehungen zu unterhalten. Frankreich. Die Nationalversammlung hat am 14. Mai die Ratification des deutsch-französischen Postvertrages mit gro ßer Majorität votirt. Die Ratificationen sind am 15. Mai zwischen dem Minister des Auswärtigen und dem deutschen Bot schafter ausgetauscht worden und der gedachte Vertrag an dem selben Tage in Kraft getreten. — Eine Deputation, welche am 13. Mai bei Thiers war, soll es durchgesetzt haben, daß die Regierung der Stadt Paris die 210 Millionen, welche sie als Kriegssteuer bezahlte, vollständig zurückzahlt. Spanien. Die Regierung beabsichtigte in den Cortes einen Gesetzentwurf einzubringen, wodurch 40,000 Mann zu den Fahnen einberufen werden. Rustland. Am kaiserlichen Hofe wird am 11. Juni das 200jährige Geburtsfest Peters des Großen in großartigster Weise gefeiert werden und müssen deshalb zu diesem Tage sämmtliche sich im Auslande befindenden Militärpersonen und Staatsbeamten nach St. Petersburg zurückkehren. Dänemark. Nach Berichten, die mit dem von Island kommenden Schooner in Kopenhagen eingegangen sind, hat in Husavik in den Tagen vom 16. —18. April ein Erdbeben statt gefunden, wobei 20 Häuser zerstört wurden. Verluste an Men schenleben sind nicht zu beklagen. Rumänien. Sämmtliche wegen der in Jsmaila gegen dortige Juden stattgehabten Excesse angeklagten Individuen sind vom Schwurgericht in Braila freigesprochen worden. Amerika. Aus Washington wird telegraphisch gemeldet, daß der Senat den Zusatzartikel zum Washingtoner Vertrage dem Comits für die auswärtigen Angelegenheiten überwiesen habe. — Wie aus New-Jork telegraphirt wird, sind daselbst, sowie in anderen Städten der Union Arbeiterstrikes ausgebrochen. Vermischtes. Am 8. Mai fand in Bar le Duc die Hochzeit eines französischen Offiziers der Garde-Gendarmerie mit einer Dame statt, deren Eltern in ihrem Restaurant seit Langem die Offizierstafel der dort garnisonirenden zwei Bataillione des Ostfriefischen Infanterie- Regiments Nr. 78 inne haben. Eine Einladung hatte das gesammte Osfiziercorps ausgefordert, der Trauung beizuwohnen, auch waren Anstalten zu einem größeren Diner getroffen, mit welchem die Wirthin diesem Tage eine besondere Weihe geben wollte. In Folge dessen sah sich das Offiziercorps veranlaßt, dem jungen Pärchen ein Hochzeitsgeschenk in Gestalt einer auf grünem Marmorsockel ruhenden, geschmackvoll mit Bronceguß verzierten Pendule zu machen, die in Begleitung zweier vierarmigen, in Bronce getriebenen Leuchter nebst zwei Blumenvasen aus demselben Metall einen der hervorragendsten Plätze unter den Geschenken einnahm. Der französische Offizier verfehlte nicht, noch während des Mahles in Begleitung seiner jungen Frau persönlich dem Offiziercorps seinen Dank abzustatten. Es ist die Frage, ob irgend ein Pariser Preußenfresser die Uhr nicht als eine der gestohlenen und in den Rocktaschen mitgeführten Pendulen erkennen wird. Der Mann ohne Namen. (Fortsetzung.) Es klopfte an der Thür. „Siebe, wer da ist!" gebot der Vater, denn er liebte es nicht, Jemand in die ärmlichen Räume seiner Behausung un vorbereitet eintreten zu lasten. Zählte er doch zu den verschämten Armen, die gern einen Schirm stellen vor ihr Unglück. Minna erhob sich und ging hinaus, kehrte aber gleich zurück. „Es ist der Hauswirth, Vater, darf er eintreten?" Der Angemeldete wartete aber die Erlaubniß dazu nicht ab, er stand schon mitten im Zimmer. „Glück auf, Herr Martin", sprach der Hauswirth, ein Bergmann seines Zeichens. „Komme wohl ungelegen? Thut mir leid, aber ich wollte doch einmal vorfragen, wie es mit der letzten Quartalsmiethe steht. Es sind schon vier Monate vorüber und ich brauche mein Geld, da ich selbst Zinsen zu zahlen habe." Martin antwortete verlegen: „Ich habe es nicht vergessen, Herr Wirth, aber Sie müssen sich noch etwas gedulden. Unser letztes Geld sandte ich meinem Sobne nach Frankreich, damit er nicht so arg zu frieren braucht." „Ich will noch heute mein Strohgeflecht zum Kaufmann tragen", nahm die Tochter das Wort, „ dann sollen Sie einen Abschlag haben. Die Mutter kann ja unter gegenwärtigen Umständen auch nichts mit Nähen verdienen. Da wird das Geld wohl rar." „Je nun, ich dachte anders", meinte der Hauswirth. „Wenn man, wie das Fräulein erst heute, fünf und zwanzig Thaler mit der Poft geschickt kriegt, dann braucht es der Lamentos wohl nicht." Die Mutter fuhr im Bette empor und starrte die Tochter an. Der Vater machte eine Geberde des Erstaunens. „Du hättest eine solche Summe?" stieß er heftig heraus. Das Mädchen erröthete bis an die Stirnadern. „Mit diesem Gelde hat es eine besondere Bewandtniß ", entgegnete Minna zögernd. „ Ich kann Euch das nur sagen, wenn wir allein sind." Der Hauswirth griff nach seiner Mütze. „Will nicht stören, hoffe aber, daß Sie sich auf alle Fälle meiner erinnern, thäte mir leid, wenn ich weitere Mahnung nöthig hätte." Damit schob er sich zur Thür hinaus und ließ die drei Personen in ängstlicher Erregung zurück. „Was ift's mit dem Gelde? Wie kommst Du zu solch hoher Summe?" brauste der Vater auf, während die Mutter noch immer in sprachlosem Staunen nach der Tochter blickte. „Ich war mit mir selbst noch nicht einig, ob ich und wie ich Euch, lieben Eltern, die Sache vortragen sollte, doch nun müßt Ihr Alles erfahren. Schon seit Wochen erhalte ich Briefe von einem Ungenannten, der mich in zärtlichen Ausdrücken seiner Theilnahme an unserm Geschick versichert und mir Hülfe anbietet. Er beschwor mich. Euch nichts davon zu sagen, seine Absicht sei rein und ehrenhaft. Er kenne mich und kenne auch Dich, lieber Vater. Ich antwortete ihm nicht, denn ich hielt seine Zuschriften für Auf dringlichkeiten irgend eines Bekannten aus der Hauptstadt, der unsre Armuth zum Vorwande einer frechen Annäherung an mich benutzen wolle. Ich dachte nicht daran, ihm zu antworten, mochte Euch aber auch keine böse Stunde machen." „Daran thatest Du wohl", sprach der Vater. „Und Du hättest wirklich keine Ahnung, wer der Fremde sei?" „So wahr ich auf eine ewige Selig keit hoffe, mein Vater", erwiderte Minna bewegt, „ich weiß es nicht. Ver gebens zermarterte ich mein Gehirn, um eine Spur aufzufinden." „Hm! Sollte der Bankier vielleicht—aber das ist unglaublich. Der hat keine menschliche Regung in seinem verknöcherten Busen." Minna zog einen seingefalteten und beschriebenen Bogen hervor, aus dem eine Banknote hervorblickte. „Hört nur! Heute Morgen überbrachte mir der Briefträger diesen Geldbrief, den ich durchaus nicht annehmen wollte. Aber der Mensch nahm ihn nicht zurück und ich riß ihm endlich das Couvert aus den Händen, nur um seiner spitzigen Bemerkungen ledig zu werden. Der Brief lautet: „Sehr geehrtes Fräulein! Sie haben meine wohlgemeinten Anerbietungen unbeachtet gelassen und ich ehre Ihr Zartgefühl. Es gehen mir indessen Nachrichten zu, die es außer Zweifel stellen, daß Sie und die lieben Ihrigen wahre Noth leiden. Ich beschwöre Sie demnach: nehmen Sie zur Bestreitung des Nothwendigsten diese vorläufige Kleinigkeit an. Ihrem Vater wage ich das nicht anzubieten, denn ich kenne seine Bedenklichkeiten. Sie können die Summe unvermerkt zur Unterstützung Ihrer Lage verwenden und der Name eines ehrlichen Mannes, den Sie vielleicht einmal erfahren werden, bürgt Ihnen dafür, daß ich zu rechter Zeit eingreifen werde, wenn die Noth an Ihre Scheiben pocht. Es ist kein Almosen, was ich Ihnen biete, es ist eine Schuld, die ich abtrage, und ick hoffe, Sie werden dieselbe im falschen Ehrgefühle nicht abweisen. Leben Sie wohl! Gott sei bei Ihnen und den Lieben, die das Glück haben, eine solche Tochter zu besitzen." — Eine lange Pause entstand, nur von dem Tiktak der altersschwachen Wanduhr unterbrochen. Der Vater hatte den Kopf in die Hand gestützt und schien zu überlegen. Die Mutter betete: „Führe uns nicht in Ver suchung! " Endlich murmelte der Vater: „Soweit ist es also schon gekommen, daß man uns solche Almosen aufzudrängen wagt! Tochter, Tochter, laß mich nicht glauben, daß ich von Deiner Schande leben soll!" „Vater, ich beschwöre Dich, gieb nicht solchen Gedanken Raum!" „Schmähe Dich nicht selbst, indem Du Dein Kind verunglimpfst!" eiferte die Mutter. „Haben wir es nicht in aller Gottesfurcht erzogen und was berechtigt Dich zu glauben, daß unser Blut so plötzlich aus der Art geschlagen? Kann sie verantwortlich gemacht werden für die Zumu- thungen eines Fremden, über dessen Absichten wir nickt einmal klar sind? Wo steht ein Wort in dem Briefe, was auf einen Liebhaber schließen läßt, und gar auf einen Begünstigten?" „Du hast Recht, Elisabeth, ich übereilte mich", bekannte der Alte. „Gegen den Wortlaut des Briefes läßt sich nichts einwenden. Sollte dennoch der Bankier durch einen Dritten — „ Hänge nicht solchen thörichten Gedanken nach ", unterbrach ihn die Frau. „Entscheide lieber, was nun zu thun ist." „Da giebt es keine Wahl", erwiderte Martin. „Ist das Geld des Teufels Sold, so werfe ich es dem Fürsten der Verzweiflung ins Gesicht, ist es die Gabe eines Wohlthäters, warum nennt er sich nicht? Die Barm herzigkeit soll nicht lichtscheu sein, dieses traurige Vorrecht hat nur das Elend." „ Wir dürfen das Geld nicht behalten, was mich vor Euch in zweideutigem Lichte erscheinen ließ", stimmte Minna zu. „Aber wie es dem Spender zurückstellen?" „Ich werde ihn durch die Zeitung auffordern lassen, sein Eigenthum von der Polizei zurückzuholen, wohin ick es sogleich schaffen werde. Holt er es nicht ab, verfällt es der Armenkasse. Dann kommt es uns ja auch zu Gute", setzte er trübe lächelnd hinzu, „denn bis zur Armenkasse werden, wir nicht mehr weit haben."