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Großenhainer Unterhaltungs- und AnzchMM Amtsblatt des Königlichen Gerichtsamts und Stadtraths zu Großenhain. Redigirt, gedruckt und verlegt von Herrmann Starke in Großenhain. Dienstag, den 16. Januar 18VT. Erledigt hat sich die vom Königlichen Gerichtsamte Großenhain unterm 9. December vorigen Jahres erlassene öffentliche Vorladung der Dienstmagd Clara Bertha Hedelt aus Ortrand durch deren am 21. des genannten Monats erfolgte Verhaftung. Dresden, am 8. Januar 1872. Königliches Gerichtsamt im Bezirksgericht. Brachmann. v. Brück, Ass. Bekanntmachung. Am 5. dieses Monats ist unfern von Meißen in der Proschwitzer Ritter gutswaldung, hinter dem Gafthause zur Knorre, an einem Bergabhange der nachstehend beschriebene Mann todt aufgefunden worden. Nach den Ergebnissen der Tags darauf veranstalteten Leichenschau und Leichenöffnung ist dieser Mann in Folge der an seinem Kopfe vorgefundenen, zweifellos ihm von fremder Hand zugefügten Verletzungen, der dadurch bewirkten starken Blutergüsse und Gehirnerschütterungen verstorben. Die Leiche war frisch erhalten, der Tod konnte nur erst seit Kurzem eingetreten sein. Die nicht erhebliche Jntensivität der Verletzungen, von denen keine die Kopfhaut vollständig durchbrochen hatte, sowie der Umstand, daß der Leichnam nur mit dürftiger, der Jahreszeit nicht angemessener, übrigens völlig blutfreier Bekleidung versehen war, daß dagegen die äußere Fußbekleidung, sowie eine Kopfbedeckung gänzlich fehlten, daß endlich trotz der stark erfolgten Blutergüsse der Leichnam mit Blut nicht besudelt war, sondern gewaschen erschien, lassen vermuthen, daß der Mann erst nach Eintritt des Todes an den einsam gelegenen Fundort geschasst, überhaupt auch nicht das Ver ¬ brechen des Mordes verübt worden sein möge; vielmehr scheint es, daß der Mann in eine Schlägerei gerathen, oder bei einem Vergehen ertappt und dabei in ausschreitender Weise geschlagen, davon betäubt worden, liegen geblieben und nach Eintritt des Todes bei Seite geschasst worden sein möge. Alle bis jetzt nach verhältnißmäßig weiten Kreisen verbreiteten Nach forschungen nach der Persönlichkeit dieses Mannes, sowie über den Urheber seines Todes sind ohne Erfolg geblieben. Es ergeht daher an Jedermann das dringende Ersuchen, jedwede zu Aufklärung des Sachverhalts dienliche Notiz an den Unterzeichneten, oder die nächste Polizei- oder Gendarmerie-Stelle gelangen zu lassen. Photo graphische Bildnisse sind bereits vertbeilt und werden noch weiter verbreitet, auch auf besonderes Verlangen gern zur Ansicht mitgetheilt werden. Meißen, den 12. Januar 1872. Der Königl. Staatsanwalt. W. Hentschel. Beschreibung des Mannes. Der Mann hatte einen großen, mit nicht starkem dunkelbraunen Haar- wuchse besetzten Kopf, spärlichen röthlichen Bartwuchs, röthlich blonde Augenbrauen, graublaue Augen, über dem Sattel der an sich starken Nase eine querlaufende Narbe von einer alten Verletzung, aufgeworfene Lippen, breiten Mund. Die oberen Vorderzähne fehlten, die untern waren unvollständig. Das Alter ist zwischen 40 und 50 Jahren zu bestimmen gewesen. Seine Körpergröße maß 156 Centimeter (mithin ca. 65 Zoll sächsisch). Die Muskulatur des Rumpfes, sowie der Gliedmaaßen war nicht sehr entwickelt. Der Nagel am Mittelfinger der linken Hand war „vogelklauenartig" gebildet, d. h. er hatte die Form einer halben Haselnuß- schale und war mit drei langverlaufenden Hellen Streifen durchsetzt. Die Bekleidung war ärmlich und wird aufbewahrt. Der Mann schien dem Arbeiterstande angehört zu haben. Tagesnachrichten. ! Sachsen. In der Sitzung der zweiten Kammer am 12. Ja nuar wurde bei der Frage wegen geschäftlicher Behandlung des in vor. Nr. d. Bl. erwähnten k. Decrets, den Aufwand für das neu zu errichtende Landesconsistorium betreffend, vom Abgeord neten vr. Biedermann zur Beseitigung aufgestoßener Zweifel der Antrag gestellt, daß die erste Deputation die Frage zu prüfen habe, ob und inwieweit bei der Errichtung eines Landes- consistoriums auch die Kammern als Gesetzgebungsfactoren mit zuwirken haben? Dieser Antrag, dem sich der Cultusminister nicht widersetzte, wurde schließlich angenommen, worauf die Kammer in die Berathung des Kirchengesetzes, betreffend die Beschränkung des Patronatsrechts, eintrat, hierbei aber den präjudiciellen Antrag Ludwigs: die Berathung über die Vorlage abzusetzen und den Entwurf an die erste Deputation zu verweisen, gegen 15 Stimmen annahm und sodann noch mehrere Petitionen j erledigte. — Bei der Constituirung des Comites für den Elbe- Spree-Canal, welche am 2. Jan. in Dresden erfolgte, wurde auch ein Bericht der Civilingenieure Thiel und Knoch, denen die speciellen Vorarbeiten auf der preußischen Strecke des zu er- ! bauenden Canals übertragen sind, entgegengenommen. Danach! sind die ganzen Aufnahmen mit Nivellements, Querprofilen und! Ermittelungen behufs Projection des Canals durch den ganzen Kreis Liebenwerda bis in die Nähe der Halle - Sorauer Eisen bahn vollendet. Augenblicklich werden von Königs-Wusterhausen an die Seen gepeilt, weil sich diese Arbeit jetzt grade gut vor nehmen läßt. Die speciellen Vorarbeiten müssen sowohl auf der preußischen wie auf der sächsischen Strecke bis zum 1. März s. e. vollendet sein. — Die Theilnahme an der von den Social demokraten auf ihrer Landesversammlung zu Chemnitz erwählten und mit der Überreichung der Beschwerde gegen die die Partei betroffenen Polizeimaßregeln beauftragten Deputation hat nach der „Chemnitzer freien Presse" der Reichstagsabgeordnete Bebel mit den Worten abgelehnt, daß er und viele Parteigenossen mit dem Präsidenten der zweiten Kammer (Adv. V. Schaffrath) so wohl, wie auch mit dem Ministerium nichts zu thun haben wollen. —Mie Volkszählung vom 1. December 1871 hat in Chemnitz eine Bevölkerung von 68,224 Seelen ergeben. Die Zunahme seit der Zählung vom Jahre 1867 beträgt 9651. — Bezüglich des für dieses Jahr in Aussicht genommenen deutschen Turnfestes theilt man aus Bonn mit, daß die Stadtverordneten den Stadtrath ermächtigt haben, die Erfüllung der für Ueber- lassung des Zeltlagers vom Armeecommando gestellten Bedin gungen zu übernehmen. Es ist damit wieder ein Schritt zur Sicherung des Festes gethan. Preußen. Wie von officiöser Seite mitgetheilt wird, ist die Stätte, wo die falschen 25-Thaler-Darlehnsscheine gefertigt worden sind, in London zu suchen. Die Falschmünzerbande, welcher dem Vernehmen nach drei Franzosen und ein Amerikaner angehören, hat die Praxis beobachtet, ihre Fabrikate nicht in England, sondern in Frankreich umzusetzen. Es sind für circa 12,500 Thaler der genannten Scheine in Umlauf gebracht, von denen ungefähr für 6000 Thaler ihren Weg nach Deutschland gefunden haben, während die übrigen sich noch in Frankreich im Umlauf befinden. — Die Vollendung des neuen Reichspost gebäudes in Berlin wird erst Ende 1873 erwartet. Dasselbe verspricht eine architektonische Zierde der Hauptstadt zu werden.