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Sächsischer Landes-Anzeiger : 23.06.1892
- Erscheinungsdatum
- 1892-06-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-189206230
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18920623
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18920623
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsischer Landes-Anzeiger
-
Jahr
1892
-
Monat
1892-06
- Tag 1892-06-23
-
Monat
1892-06
-
Jahr
1892
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 23.06.1892
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WWWWWWMW Üeiliige zmn Slichsischen Landcs-Äkyeigcr (Chemilitzer Geileral-Ättzeiger). Donnerstag, 23. Jnni 1802. — Verlag: Sllexander Wiede i>» Chemnitz. — Ein ruhiges Haus. Humoreske von D. Duncker. Nachdruck verboten. An dem Parlerrefenster eines viclstöckigen Hauses weit i», Süden Berlins stand ein junges Mädchen und trommelte ungeduldig gegen die Scheibe». Nachdem sie diese- müßige Spiel ein Weilchen fortgetciebcn hatte, sah sie sich nach einer älteren Dame um, die nähend am anderen Fenster dcS Zimmers saß, und sagte ärgerlich „Wenn Papa und Hans nun aber nicht bald nach Hans komme», müssen wir essen, Mama. Sie haben natürlich wieder ver gessen, daß ich Donnerstag um fünf Uhr Kränzchen habe. Heute noch dazu bei Waltcr's i» der Bendlcrstraße. Bitte, Mama, lasse jetzt anrichte»." Die Dame im Stuhl seufzte. „Meine liebe Emmy, wenn Du doch mit der Zeit ei» klein wenig wehr Geduld lernen walltest. Dn konntest Dir recht wohl denke», daß unsere beiden Herren heule schwerlich pünktlich sein würden. Da Dn den Verkauf unseres Hauses so glühend wünschest, solltest gerade Dn billiger Weise —" „Ach, es wird ja doch nichts daraus — ich glaube nicht mehr daran. Wie oft hat Hans schon gesagt: Freue Dich, Emmy, unser Käsig wi»d anfgelha» —" „Emmy!" „Aber Mama, cs ist doch mich wirklich nichts besseres, wie ein Käsig, dieses alte, »»moderne, garstige Hans! Weil weg von allen Bekannten, in einer Gegend, vor der Jeder sich bekreuzigt. Gestern erst sagte mir Annic Walter — und jetzt wurde Fräulein Emmy Pciscr dnnkelrvth —, daß Herr Balduin sich schwerlich entschließe» würde, mir Clavierstundcn zu geben, er nähme nur Schülerinnen in Berlin W. an, und Dn weißt doch, wie schrecklich gern ich Stunde bei ihm nehmen möchte. Tn bist die einzige, Mama, die anderer Meinung ist. Weshalb eigentlich?' Iran Rentier P.iser sah lächelnd zu ihrer Tochter auf, die in ihrem Eifer für die vermeintliche gute Sache bildhübsch anssah. „Mein liebes Kind, weil ich mir von dieser einschneidenden Veränderung kein Glück für Deinen Vater und mich versprechen kann. Wir sind alte Lcnle und alte Leute soll man nicht inehr verpflanzen wollen. Dn schüttelst den Kopf und wirst mir wiederholen wollen, was Hans mir seit einem Jahre alle Tage erzählt, wie gut mir die Thicrgartcnlnft, die Nähe des Gninewalds thnn würde, und so Weiler und so weiter. Der gute Junge giebt sich da einer unbe wußten Selbsttäuschung hin. Er hat sich's wirklich »ach und nach ringcredel, daß er nur um meiner schwankenden Gesundheit willen so energisch ans dem Hansverkanf besteht, während ihn doch in Wahr heit nichts anderes dazu treibt, als sein Drang nach Selbstständigkeit und Freiheit. Ich finde diesen Drang durchaus begreiflich; ich nehme es ihm auch keineswegs übel, daß, seitdem Papa ihm in einer schwachen Stunde versprochen, sobald das Hans gut verkauft sei, solle sein Zu schuß erhöht werden »nd er sei» eigener Herr sein —" „Ach, Maina, er frcnt sich auch schon unmenschlich darauf, wenn er erst Chambre garni wohnt, dann will er mir nnd meinen Freundinnen einen Kaffer geben. — v das wird lustig werden!" Die alle Dame seufzte auf, als ob sie sagen wollte: „Wenn das Alles wäre!" In diesem Augenblick wurde draußen die Flnrklingel gezogen, »nd ohne weiter auf ihre Mutter zu hören, stürzte Emmy hinaus und riß die Thür auf. „Nun wie ist's — habt Ihr diesmal —?" Aber che sic noch zu Ende gesprochen, hatte ihr Bruder sie schon uni die Taille gefaßt, sie dreimal um sich selbst gewirbelt nnd jubelnd an-gernsen: „Hnrrah, kleines Mädchen, diesmal ist's wirklich wahr!" Und dann, ohne dem Alten, dem trotz der noch sehr kühlen März- lnst der Schweiß aaf der Stirn stand, Zeit zu lassen, anch nur den Uebcrrock abznlegmc, hatten die beiden Aufgeregte» ihn in's Zimmer gezogen nnd verkündeten der Mutier, einer den andern überschreiend, das glückliche Resultat der Confcrenz. Der Alte hinkte mit seiner Bestätigung bedächtig hinterher. „Ja, ja, Louise, diesmal ist cs so. Dn kannst Dich nur immer auf deci Umzug vorbcreiten. Ich werde gleich heute Nachmittag Wohnung suchen geben." „Ich komme mit, Papa, ich lasse mein Kränzchen schieße», ich will mir mein Zimmer selbst anssuchen. Bitte, bitte, Papa!" „Ja, ja, Dn Unband. Aber erst wollen wir schnell einen Teller Suppe essen." Hans war der einzige, der sich durch die Aufregung den Appetit nicht verderben ließ. „Aber licter Man», bedenkst Du auch die große» Kosten?" unterbrach da die Stimme der Mutter den nnanfhaltsaiuen Rede strom des Alten, „Sohn und Schwiegersohn zum Abschluß des Ge schäfts komme» zu lassen? Die Reise» sind weit und thcner, »nd ich denke, Hans, der ja die ganze» Vorverhandlungen geführt hat, ist Geschäftsmann genug, um die Sache anch in ihrem Abschluß über sehen zu können." „Sech- Auge» sehen mehr als zwei, llebrigens betrachte ich die ganze Angelegenheit als eine Art Familienfest, meine liebe Louise, an dem auch die entfernten Mitglieder theil habe» sollen. Im Ilcbrigcn würde jeder Einwand zu spät komme», denn wir habe» schon an Fritz und Paul lclcgraphirt. Die Ausgabe »iahe ich gern, da das Geschäft wirklich gut ist! Der Käufer zahlt 20,000 Mark an, der Rest des Kansgeldes bleibt als Hypothek zu fünf Proccnt zehn Jahre fest auf dem Hanse stehen. Außerdem übernimmt er alle Kosten — sind 20,000 Mark baar verdient." „Und hat Herr Böscpcil" — Emmy pruschte jedesmal laut los, wenn sie diesen Namen hörte — „sich nicht au de» lange» Mieths- contractcn gestoßen? Der unserer Uebermiethcrin in der ersten Etage länst noch nuf zehn Jahre —" „Gar nicht — im Gcgenlhcil, das schien ihm gerade lieb zu. sei,, — xx will seine Ruhe haben» der Mann ist sehr nervös und die Fra» leidet, glaube ich, an Migräne — was hast Dn den», Frau, warum fährst Dn Plötzlich so zusammen —?" „O nichts — ich erschrak nur — die beiden Geige» oben —" „Das verstehe ich nicht — das höre ich gar nicht mehr, an so WaS gewöhnt mau sich doch. Ich habe Herrn Böscpeil auch mit bestem Gewissen versichert, daß wir ganz ruhige —" „Nein, Papa, „„„ laß aber endlich die langweiligen Geschäfts- sachcn, ich kann gar nicht mehr still sitzen, sage, wo wollen wir micthcn? Recht nah bei der Bendlcrstraße — ja, bitte? Dn weißt ja, Annic Walter ist schließlich doch von allen meine allerbeste Freundin, und dann kann Herr Balduin" — und Fräulein Emmy's Gesicht wurde wiederum von einer dunklen Nöthe überzogen — „uns die Stunden immer hintereinander geben, das wäre doch eine große Erleichterung für ihn. Außerdem wohnen wie daun ganz dicht bei der Eisbahn, ach, zu himmlisch, Papa! Nicht wahr, Du schenkst mir ei» Abonnement auf der Nonssean-Jnsel für nächste» Winter? Wo willst Du denn miethe», Hans? Doch recht nah zu uns?" „Bewahre, ich ziehe in den Mittelpunkt der Stadt. Ein möblirtes Zimmer mit Cabinet!" Der Alte nnd Emmy, des trockenen Tones »nn satt — hoben plötzlich mit großer Energie die Tafel anf, »m sich ans die Wohnungs suche zu begeben. Draußen wehte ein »»freundlicher Südostwind. Der alte Herr, der sehr frostig war, schien heute die fenchtkalte Märzlnst gar nicht zu empfinden. Er hielt mit Emmy tapfer Schritt bis zu der Pferde- bahnstation, und trug sich sogar mit dem kühnen Gedanken, anch »ach erfolgter Rückkehr von dieser Reise i» den Westen nicht mit seiner Tochter nach Hanse znrückzugehen, sondern den ganzen Abend in seiner Stammkneipe zu verbringen. Nur schwankte er noch, ob er schon heute sein Slammseidel i»itn<ch»icn sollte. Es würde wohl das Einfachste sei», den» während der d.ci Wochen bis zum 1. April würde schwerlich viel Zeit für den Kreis der allen Genossen übrig bleiben. Nun draußen — und das war ja eigentlich das Haupt motiv, aus dem heraus der alte Herr de» Hansverkanf so dringend wünschte nnd sich so viele» Conccssivnen geneigt erwies, die bei seiner sonstigen Sparsamkeit undenkbar gewesen wären — draußen würden sich wohl noch ganz andere Männer finden» mit denen sich's besser lohnte, seinen Abeudschoppen zu trinken. War doch das Thier- gartenvicrtcl die eigentliche Hochburg der Intelligenz, des Künstler- nnd Litlcrateuthums; wer weiß, wen» das Glück gut war, mit welche» Koryphäen er fortan seine Abende verbringen würde! (Fortsetzung folgt.) Socialdemokratische Zukunftsbilder. Frei nach Bebel. Von Eugen Richter, Mitglied deS Reichstag». (l6. Fcrtsctznng.) Nachdruck verboten. 31. Drohttoten des Auslandes. Auch in Rußland und Frankreich wissen die socialdemokratischcn Negierungen der iiuieren Schwierigkeiten nicht Herr zu werden. Sie suchen deshalb den Unmulh ihrer Bevölkerung »ach außen abzitlenken. Der Dreibund ist von den svcialdcmvkratischcii Negierungen sogleich aufgelöst worden. Augenblicklich wird Oestcreich-Ungarn von Italien in Istrien und Wälschtirol bedroht. Dieser Zeitpunkt erscheint Frank reich »nd Rußland günstig, n»i gegen Dentschland vvrzngehen. Beide Staaten haben an unser auswärtiges Amt gleichlautende Noten ge richtet, in denen binnen 10 Tage» Bezahlung der ausgelaufenen Waarenschnloe» Deutschlands verlangt wird. Wie kommt denn Frankreich dazu? Wir haben doch im Grniide gcnonime» mir »och Wcinschnlden a» dasselbe für einige Millionen Flasche» Champagner, welche im ersten Freudenrausch »ach der großen Umwälzung und vor der staatlichen Regelung der Cousnmtio» bei »ns vertrunken worden sind. Aber Rußland hat hinterlistiger Weise einen Theil seiner Forderungen an uns au Frankreich cedirt, um eine Grundlage zu schaffen für ein gemeinsames Vorgehen. Unsere Schulden an Rußland sind jetzt allerdings bis über eine Milliarde Mark ausgelaufen, obgleich wir nur die auch früher staltgesundene Lieferung an Getreide, Holz, Flachs, Hanf N. s. Iv. bezogen haben, weil wir alles dies zu linserem Bolksnnterhalt absolut nicht entbehre» könne». Die Fabrikate, welche wir sonst an Rußland und Frankreich zu», Ausgleich lieferte», sind in der letzte» Zeit fast sämmtlich als angeblich mangelhaft und nicht preiswnrdig dort znrückge niesen worden. Früher hätte man den Russen einfach die russischen Papiere oder deren Coupons, von denen damals in Deutschland genug vorhanden waren, in Zahlung geben könne». Jetzt fehlen uns i» Ermangelung von Werthpapierc» und Edelmetallen Ansgleichs- mittcl solcher Art. Das wissen unsere beiden braven Nachbarn anch sehr wohl, »nd haben deshalb in ihren Noten dnrchblicken lassen, daß sie im Falle längeren Säume»? in der Bezahlung scr Schuld sich genöthigt sehe» würden, Thcilc von Posen und Ostpreußen, sowie Elsaß-Loth ringen in Pfandbesitz zu nehmen. Beide Staate» erklären sich bereit, eventuell in Verhandlungen zu trete» über Erlaß der Schulde», falls Dentschland gelingt sei, diese Landestheile endgiltig abzntrelen, ist dies nicht eine beleidigende Frechheit sondergleichen? In Deutschland ist an ansgcvildeten Mannschasicn, Gewehren, Pulver und Blei kein Mange'. Alles dies ist von dem früheren Regiment reichlich hinlerlassen worden. Aber leider mangelt es in folge des Rückganges der Produktion nnd infolge der Anfzchrnng der Vorräthe anf den Eisenbahnen a» Kvhlc» für die Militärlrans- pvrte, während die Festungen und Fcldintcudantnrcn über Mangel an Fleisch, Mehl nnd Hafer für den Unterhalt der Truppen klagen. Inzwischen haben die Franzoscn das Großhcrzvgthn», Lnrcm- bnrg anneclirt. Dasselbe ist nach Auflösung des Zollvereins sozu sagen ins Freie gefallen. Die Mißstimmung über die Auflösung der alte» Handclsbeziehnngen z» Deutschland ist von einer Partei im Lande vcnntzt wurden, um die Franzose» herbciznrnscn. Dieselben sind anch alsbald über Lvngwy cingerückt. Französische Cavallcrie ist schon an der l»xei»b»rgisch-de>ltsthen Grenze vor Trier gesehen worden. 32. Massenstreik«; nnd K»iegöa«töbt»»ch zugleich. Alle Eisenarbeiler in Berlin und Umgegend streiken seit heule früh, nachdem ihre Forderungen der Gewährung des „vollen Arbeits ertrages" abgcwiescn worden sind. Die Negierung hat sofort ver fügt, alle» Eiscnarbeitcrn die MiltagSmahlzcit und Abendmahlzeit zu sperre». In allen Staatsknchcn sind die Beamten angcwicjc», die Geldcertificatc der Eiscnarbcitcr znrückznwei cn. Dasselbe gilt von allen Ncstanrativncn nnd Vcrkanfsladen, in welchen die Eisenarbeitcr bestimmungsgemäß ihre Lebensmittel zu entnehmen haben. Die be treffenden Lokalitäten werden durch starke Abtheilnngen der Schntz- »lanilschast bewacht. Anf diese Weise hvsftHnnn, die Streikenden in der kürzeste» Frist ansznhnnger», da diejenigen Brotkrumen und Speisereste, welche ihre Franc» nnd Freunde von der ihnen An stehende» Portion für sie erübrigen können, nicht lange ansreichcu dürste». Es kommt dazu, daß seit heute früh für die gcsammte Be völkerung die Brotrationen auf die Hälfte herabgesetzt nnd die Flcisch- ratioiie» gänzlich i» Wegfall gebracht sind. Man hasst dadurch »och so viel zu erübrigen, nm die Grenzfeslniige» »och ciiiigerinaßen vcr- proviaiitircn zu können. Tenn inzwischen lat die sogenannte Aus pfändung Deutschlands schon begonnen. Französische Cavallerie ist ans dem Großhcrzoglhnm Luxemburg über die deutsche Grenze vvrgcdrnugcn, über die Mosel gesetzt »nd hat die Bahnlinie» Trier-Diedcnhofcn und Trier-Saarlonis unterbrochen. Andere französische Heereskörper sind, gestützt ciuf Longyo», Conflans, Pont-n-Mvusso», Nancy nnd Lüneville über die lothringische Grenze vorgedrimgen, um Metz nnd Diedenhofttl zu belagern und eine» Vorstoß i» der Richtung anf Mörchinge» zu machen. Die beiden Festungen solle» mir nuf höchsten» 8 Tage mit Lebensmitteln versehen sein. Dassclbe gilt vvn Königsberg. Thor» nnd Grandenz, gegen welche russische Heeressäule», gleichfalls in» die Auspfändung vorzunehme», i» Anmarsch sind. Es scheint zunächst darauf abgesehen zu sein, Ostpreußen gleichzeitig i»> Osten »nd im Süden anzngreifen, um »ach dessen Besetzung die östliche Angriffs linie gegen Deutschland zu verkürze» nnd daneben die Pferdever» sorgmig der denlschen Armee ans Ostpreußen zu verhindern. Die Landwehr nnd der Landsturm i» Ostpreußen eilen an die Grenz«, Aber leider stellt sich heraus, daß eS für die Landwehr und den Landstnrm vielfach an den uothwendigstc» Kieidnngsstückcn gebricht. Denn große Partien von Stiefeln und Unterkleidern sind nach der Uinwälznng infolge unzureichender Produktion zur Deckung des Be darfs der Civilbevölkcrnng verwendet worden. Doch es wird mir unmöglich, diese Aufzeichnungen in ihrem bisherigen Umfang Weiler sortziisetzc». Ten» vvn morgen ab tritt die Verlängerung der Arbeitszeit anf 12 Stunden in Kraft. Ich will daher dieses Buch demnächst abschließen und a» Franz und Agnes 'nach Newhork alles Geschlichene übersenden. Möge» dieselben dies zur Er »neruug an mich nnd diese sturmbewcgte Zeit für Kind nnd Kindeskinder anfbcwahre». Man behandelt mich auch jetzt der« artig als politisch verdächtig, daß ich nicht mehr sicher bi» vor einer Haussuchung nnd Beschlagnahme meiner Papiere. 33. Die Gegenrevolution beginnt. Die streikenden Eiienarvcitcr wollen sich nicht anshunger» lasst». Ich hatte meine» Schwiegervater im Schloß Bellevue besucht, wo derselbe sich i» der dort eingerichtete» AlterSversocgungsanstalt be findet. Da höre ich. daß Eisenarbeitcr, Ivclche sich in den ehemals Bmcsig'sche» Wcr'kcn veriammelt halte», den Vcruch mache», da» Brot- magazi» zu stürmen, welche- sich Schloß Bellevue gegenüber am andern Ufer der Spree zwischen dieser und dem Eiscnbahudaim» e. befindet. Jndeß alle Zugänge zu dem große» Platz, anf welchem sich die Proviantmagazine befinde», sind geschlossen. Die Arbeiter wolle» über die hohe» Mauern klettern, da gebe» die im Inner» ausgestellte» Schutzmannsposten Feuer und die Kletterer büßen da- Wagniß mit dem Lebe». Die Eisenarbeitcr erklettern nun den Eisenbahndamm, welcher Aussicht ans das Innere des Platzes gewährt, anf dem sich di« zwischen dem Damm und der Spree liegenden Proviantgcbäude be finde». Sie reißen die Schiene» anf, dnrchschncidcn die Telegraphen« .-r drahte; aber.wiederum bedecke» Todle nnd Verwundete de» Platz infolge des Feuers der Schntzmannschast ans den Fenstern und Luken der Proviantgebäude. Nn» setzen sich die Eisenarbeitcr i» den oberen Stockwerke» der hinter dem Eisenbahndami» liegende» Häuser der Lüneburger Straße fest. Ans den Fenstern dieser Häuser einerseits nnd der Proviant- gebände audcrcrseils cntspinnt sich ei» heftiges Fenergcfecht. Die Minderzahl der Besatzung der Proviavtgcbändc verfügt über bessere Waffen und reichlichere Munition. Nene Trupps der Eisenarbciter versuchen inzwischen von dem Helgoländer User aus in die Umfassungsmauern deS Platze-, auf welchem sich die Prvviantgebäude befinden, Bresche zu lege». Aber durch den Schloßgartcn von Bellevue ist inzwischen »»bemerkt Ver stärkung der Schntzmannschast im Laufschritt hinzngekoinmeii, hat die Fußgängerbrücke besetzt, welche sich gedeckt unter der Eisenbahnbrnck« befindet, »nd von dort ein mörderisches Feuer auf de» größtcntheils »»bewaffneten Menschenhaufen anf dem Helgoländer Ufer eröffnet. Unter furchtbarem Nachcgeschrci stiebt derselbe auseinander, Knäuel von Todtcn nnd Verwundete» znriicklasscnd. Jetzt heißt es, die Ar« tillcric der Schntzmannschast sei herbcigcrnfen worden, »in vom an« deren Sprecnfer ans die Lüneburger Straße z» beschießen. . Ich verlasse den blutige» Schauplatz, um ans einem Umwege durch dc» Tliiergarten mich nach Berlin SW. z» begeben. Ucberall stehen die Menschen aufgeregt truppweise beisammen. I» Berlin SW. haben »och keine Gewaltthntigkeilen staltgcfiinden, aber man hört, daß die Eisenarbeitcr >» der Erstürmung de.r Brotmagazine in Tempelgof nnd in der Köpenickcrstraße erfolgreicher gewesen find. Anch zahlreiche Gewehre und Munilionsvvrrälhe solle» a» ver schiedenen Stellen in ihre Hände gefallen sei». Sicheres ist nicht zu erfahre», aber man rannt sich zu, daß der Ansstand aus dem rechten Sprcenfer immer allgemeiner werde. (Fortsetzung folgt.) Vom antisemitischen Parteitag in Dresden. Ten Verhandtnngc» wohnten »eben zahlreichen Mitgliedern eine Reihe Ehrengäste und Delcgtrw. sowie Abgeordnete der sammtli he» Neformvereiiie Sachsens bei. 'Ans Vorschlag des Herrn Rci hstagSabgcordnetcn 4>r. Böckel- Marlmrg wurde Reichstogsabgcordnetcr Zinnneewann z»»l Vorsitzenden ge wählt. Weiler wählte »in» 1>. Wchncr-Snhl nnd Fabrikant C. F. Lohe zu stellvertretenden Vorsitzenden, Hanptmann a. D. v. Santen nnd Feycrherin« Tresdca, Wilhelm-Neustadt, vanpt-Vcrlni, Bartholomäus-Stolpe» nnd GoUcslcben-Erfnrt zn Schimführcrn. Dem von Herr» Ftmmcrmann aus« gcbvachte» Hoch ans .n öntg Albert folgte» Mittgcilmigcn über die erfreuliche» Fortschritte der antisemitische» Bewegung in Deutschland. t)r. Böckcl er stattete Bericht über die Agitation des mitteldentichen Bancrnvcrcins in Hessen, der jetzt 400 Ortsgruppen mit 1ö,000 Mitgliedern zählt. Herr Feherhcrm referirle über die antisemitüche Bewegung in Sachsen. Trotz aller Anfeind ungen sei die sächsische Reformpartci stetig gewachsen nnd habe dieselbe neuer« dings ihre Tbütigkcit über das ganze östliche Sachsen erstreckt. Der jüngste, erst kürzlich gegründete Verein Bantzmi habe schon die Fahl vo» 400 Mitgliedern überschritten. Fast ebenso günstig sür die Partei legen die Verhältnisse im westlichen Sachsen, wie a»S dem Bericht deS >.err» Andreas-Hainichen zn entnehmen war. Hierauf rcserirtc Isr. Böckel über die Handwcrkcrsrage und brachte nach längerem Vorträge »achstchensc Leitsätze zur Discnffio»: „1)Ei»e Rettung des Handwerks kann nur geschehen durch Organisation des Hand werks in große Vereine, die auch praltUch dem Handwerk nützen. 2) Hand werker- nnd Vinernstand müsse» gemeinsam mit den übr-gcn Schichten des Mittelstandes Hand in Hand gehe» und sich gegenseitig bei Wahlen unterstütze», dnnit durch eine größtmögliche Fahl von Vertretern in, Reichs- nnd LanAag die Bestrebungen zur Rettnng deS Handwerks energisch nnd selbstständig gefordert werde». 0) Die antisemitische VolkS- partci »ins; eine dentjche Miticlstaudspirtc! werden: der Mittelstand, angeublickli h o me jede parlamentarische Vertretung, muß in der ainil'cmitiichcn Votkspartei seine specicllc Vertretung finde». 4) Mit dem wirlhschaflliche» Liberalismus maß entschiede» gebrochen werden. Nicht wirthichaftliche Freihc t, sonder» wirthschaftti! e Ordnung muß die Parole iciii. An Stelle der Geweibefrechett, Freizügigkeit, Coalitionssrciheit muß ein geocdnetcs Gewcrbclebcn nn Steile dcö römische» Rechts ein d.inschcs Gewcrbcrecht treten. Forderungen der Vanhandwcrkcr nnd der Lieferanten von Baumaterialien ist z nn Schutz regen Verluste ein Vorrecht vor alle» Eintragungen gesetzlich znzngcslchc.i. Dieser Grundsatz ist später in das bürgerliche Gesetzbuch als allgemein keatichcr Rcchlsgriindsatz anfzn« nehmen, öl Tüchtige Zcräsle ans dem Handwerkerstände selbst müssen zur Thaligkeit sür ihren Stand gewonnen, der Handwerkerstand geistig nnd praktisch gründlich geschult werden. Die Beschaffung billigen Crcdils muß dem Handwerk ermöglichen, die Thäligkcit der Maschinen in seinen Dienst zu stellen. El i einiges, gesetzlich geschütztes Handwerk, seiner Bedeutung im Handwerk wvhlde.onßt, ist die beste Stütze deS Staates und »inß unter alle» Umständen geschaffen werden." Nach eingehender Debatte wurden die Llitl satze einstimmig angenommen.
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