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78 Truppen der Division Renault, welche von Afrika nach Frankreich abgesandt worden ist, sind in Lyon angckommen. — Der Maire von Marseille hat an den Kriegsminister ein Schreiben gerichtet, worin er auf die unberechenbaren Gefahren hin- wcist, in welche Marseille durch die Ungeheuern Pulvermasscn gerathen konnte, die ohne Beobach tung der nöthigen Vorsichtsmaßregeln dort auf- gehauft würden. — Graf Montalembert hat von einem der ersten Pariser Bildhauer zwei Statuetten, Demosthenes und Cicero, in Silber ausführen lassen und dieselben seinen letzten Vertheidigern verehrt. England. Die Arbeiten zum Umbau und zur Verstärkung der Kriegsflotte werden im aller größten Maßstabe fortgesetzt. So sollen in voriger Woche 16 große Maschinen für Kriegsdampfer bestellt worden sein. Auch wird der „Times" aus Woolwich geschrieben, daß Herr Armstrong, der Erfinder des nach ihm genannten neuen Ge schützes, welches schwere Kugeln auf eine Ent fernung von mehr als eine deutsche Meile wirft, einen Contract mit der Regierung zur möglichst raschen Lieferung einer großen Anzahl seiner Ka uen abgeschlossen habe. Italien. In die Reihe der wiederholten Ge rüchte gehört die Verheiralhung des Königs von Sardinien mit einer russischen Großfürstin. Vor Kurzem wurde die verwitwete Herzogin von Leuch tenberg als Braut genannt, jetzt dagegen deren Tochter von l8 Jahren, welche die Enkelin des Kaisers Nikolaus und nach bretonischer Art die Cousine des Kaisers Napoleon III. ist. Rußland. Die Amurcompagnie beabsichtigt eine Telegraphenlinie von Moskau durch ganz Sibirien bis an die Küste des stillen Meeres zu errichten. — Mehrere russische Divisionen aus den Canlonnements in der Umgegend von Taganrog haben Befehl erhalten, gegen die moldauische Grenze vorzurücken. Türkei. Die Pforte hat gegen die Hospodaren- wahl in der Walachei prolestirt und den Ver tretern der Großmächte den Wunsch ausgesprochen, daß die Pariser Conferenz wieder zusammentrelen möge. — Aus der Moldau wird geschrieben, daß einer der Führer der nationalen Partei, Herr Gogolnitschano, Redacteur des „Donausterns", Beweise beigebracht hat, daß Fürst Michael Stourdza ihm 130,000 Ducaten bot, wenn er seine Wahl zum Hospodar durchsetzen wollte. Um den Patriotismus des Herrn Gogolnitschano, der den Antrag ablchnte, zu belohnen, hat man eine Subscription eröffnet, um ihm ein Gul für 40,000 Ducaten zu kaufen. Serbien. Eine Proclamation des Fürsten Mi- losch verkündet seinen Regierungsantritt als re- staurirter erblicher Fürst von Serbien. — Die Skupschtina wurde am 12. Februar durch den Fürsten Milosch persönlich geschlossen. Ein Co- mitö derselben von 34 Mitgliedern bleibt, um die begonnenen Arbeiten fortzusetzen. Ostindien. Die allgemeine Entwaffnung ganz Ober-Indiens ist angeordnet worden. — Im Laufe dieses Jahres sollen acht englische Regi menter nach England zurückkehren. bhina. Lord Elgin hat aus dem Pangtsekiang bereits mehr als zwei Drittheile des Weges nach Hankow zurückgelegt, soll aber, weil der Fluß um diese Jahreszeit sehr seicht ist, nur langsam weiter kommen. Er hat deshalb die tiefer geben den Fahrzeuge zurücklassen und seine Fahrt blos mit den Kanonenbooten fvrtsctzen müssen. Wie es heißt, beabsichtigen die Rebellen, dieser engli schen Expedition bei der Rückkehr den Weg zu verlegen. Geschick bringt Glück. (Fortsetzung.) Dos Leben des Menschen ist eine Masse von Furcht, Hoffnungen, Widerwärtigkeiten, Entwürfen, Geschäften, wo sich hier und da ein Augenblick Freude anhängt, der oft Schmerz und Reue in seinem Gefolge Hal. Könnten wir in der Geburt ahnen, was uns das Schicksal bestimmt, so würden die Meisten aus dem Schooße der Mutter so gleich wieder in den Schooß der Erde zurückkehcen wollen. Es gicbt eine Stufe der Rathlosigkeit, die statt des Muthes sich mit jenem entsetzlichen Stumpfsinn waffnet, bei dem man nichts mehr hofft und nichts mehr fürchtet, kaum noch denkt. In solchem Zustande — Stimmung kann man es nicht nennen — verließ ich ein Haus, wo man mich wiederum abgewiesen, um nach meiner Wohnung zurück zukehren, das Entbehrliche von meiner Kleidung zu ver äußern, um den Hunger noch einige Tage zu stillen. Mein Weg führte nicht durch die Rue de Savoie, den noch fand ich mich plötzlich darin. Damals glaubte ich, daß meine Achtlosigkeit mich diese Straße einschlogen ließ, jetzt weiß ich, daß es der Finger Gottes war. Die Straß« war ziemlich leer. Etwa dreißig Schrille vor mir ging ein woklgeklcideler Mann. Ich bemerkte, daß er ein Tuch aus der Tasche zog und daß gleich darauf etwas Weißes auf der Erde lag. So schnell ich konnte, eilte ich ihm nach, um das verlorne Papier aufzuhcben und ihm ein zuhändigen, aber noch bevor ich ihn erreichte, war er kurz vor mir in ein Haus getreten. Ich hatte einen Brief gefunden. Es blieb nichts übrig, als ihm nachzugehen. Bor dem Hause war ein Bronzearbeiterschild. Ich trat hinein. „Ist nicht eben ein Herr in dieses Haus gekommen?" „Ja, der Meister; wenn Sie ihn sprechen wollen, be lieben Sie nur da hineinzutreten." Man führte mich in ein Zimmer. Ich fand muntere, schwarzhaarige Knaben, eine hübsche, modisch gekleidete junge Frau und der Meister war offenbar der Mann, den ich auf der Straße vor mir gesehen hatte. „Verzeihen Sie meine Dreistigkeit, mein Herr. Ver missen Sie nicht vielleicht etwas?" „Das ich nicht wüßte"' sagte er verwundert. „Besinnen Sie sich; könnten Sie nicht vielleicht auf der Straße etwas verloren haben?" Er suchte an und in seinen Taschen herum und kam endlich an die Hintere Rocktasche. Sein Gesicht verfärbte sich auf einen Augenblick. „Mein Himmel, der Brief! Amalie, ich habe den Brief verloren", sagte er halb zu seiner Frau gewendet. Lächelnd reichte ich ihm meinen Fund hin und ergötzte mich an dem Wechsel seiner Züge. „O, mein Herr", sagte er, „Sie wissen nicht, wie vielen Werth dieser Brief für uns hat! Er enthält eine Menge wichtiger und einträglicher Bestellungen, die mir bis von Lyon, ja, bis von weither zugekommen sind und die ein dortiger Freund aus Gefälligkeit alle in einem Briefe zusammengefaßl hat. Ich bin unvorsichtig mit dem Briefe umgcgangen; wäre er verloren, so hätte ich wieder nach Lyon schreiben müssen; aber auch das wäre vergeblich gewesen; denn mein Freund schreibt mir, daß er im Be griff sei, auf vier Wochen zu verreisen. Sie sehen selbst ein, welch ein bedeutender Verlust mir daraus erwachsen wäre, wenn Sie den Brief nicht gefunden und sich um mich bemüht hätten. Ich danke Ihnen herzlich Nicht wahr, Sie werden mit einem kleinen Abendbrot bei uns vorliebnehmen?" Ich schlug, immer schon im Begriff, zu gehen, dieß