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612 äußerstes Sträuben die Stellung nicht aufgeben mag, die Sachsen Zahrhunderte hindurch in Deutschland einnahm. Man fühlt dies preußischerseits jedenfalls, und deshalb läßt man sich keine Mühe verdrießen, wenn auch die Ver handlungen nur sehr langsam fortschreiten ; aber sierücken weiter, und ich wiederhole, daß durchaus kein Grund vorliegt, an dem endlichen Gelingen oder daran zu zweifeln, daß Sachsen schließlich die ihm gebührende Stellung in dem Norddeutschen Bunde erhalten werde." Oesterreich. Die österreichisch-italienischen Friedensverhandlungen in Wien sollen einen guten Verlauf nehmen. Bis jetzt haben zwischen den beiderseitigen Bevollmächtigten vier Conferenzen stattgefunden. — Laut Ausweis des „Sürgöny" sind den k. Nothstandscommissaren für Ungarn 2,327,000 Gulden zum Ankäufe von Herbstsaat und IMO,560 Gulden zur Unterstützung durch Arbeit übergeben worden. — Der Feldmarschall- leuHant v. Gablenz ist in Disponibilität versetzt worden. — Zum Schutze der österreichischen Unter- thanen gehen Kriegsschiffe der k. k. Marine nach Kandia ab. Die Aufstellung eines Observations corps an der Ostgrenze Oesterreichs ist angeordnet. Bayern. Auf Anregung des bayerschen Ab geordneten Barth hat, wie man aus München vom 12. Sept, schreibt, der Vorstand des Aus schusses des deutschen Abgeordnetentages den Aus schuß auf nächsten Sonntag nach Berlin berufen, um die allgemeine politische Lage zu berathen. Schleswig-Holstein. Der Männer- und Kinderturnverein zu Kellinghusen ist auf Befehl des Oberpräsidiums geschlossen und das fernere Fortbestehen desselben bei Strafe verboten worden. Im Heidekruge. Eine Criminalnovelle von Wilhelm Andreä. (Fortsetzung.) Er fragte sich wieder und wieder, ob er einkehren oder weiter gehen solle, und sinnend, wie Herkules am Scheide wege, blieb er einige Augenblicke stehen. Schon war er entschlossen, seine Reise fortzusetzen, als ihm plötzlich der tröstende Gedanke kam, daß die Bauern ihn doch wohl gewarnt haben würden, wenn sein Leben in diesem Hause gefährdet sei. Dieser Gedanke gab ihm wieder neuen Muth und änderte seinen Entschluß. Beherzt öffnete er die Thüre und trat in das niedrige Gastzimmer. Hier wurde er von dem Wirth, einem stattlichen Bauern, der etwa im Anfänge der vierziger Lebensjahre stehen mochte, mit Gruß und Handschlag willkommen geheißen. „Ihr seid gerade noch vor Lhorschluß gekommen", meinte derselbe, dem Gast das gewünschte Abendbrod vor setzend. „ Soeben wollte ich mich zu Bett verfügen, nach dem ich, wie das meine Gewohnheit ist, noch einmal im Hause und Stalle nachgesehen hatte, ob Alles in Ord nung ist." „Zhr könnt mich doch auch hoffentlich diese Nacht be herbergen?" fragte der Fremde, dem das treuherzige und bie dere Wesen des Gastgebers Muth und Vertrauen einflößte. Der Gefragte zuckte mit den Achseln. „Der Raum ist mir heute sehr knapp", erwkederte er, „es logiren hier nämlich noch einige Fremde. Doch unter freiem Himmel könnt Ihr nicht bleiben, es muß also Rath geschafft werden. Wenn es Euch nicht darauf ankommt, hier in der Dönse*) auf dem Boden zu schlafen, so mögt Zhr in Gottes Namen hier bleiben; eine Matratze und wollene Decke sollt Ihr haben. Wenn es nicht anders sein könne, wolle er sogar mit einem Strohlager fürlieb nehmen, meinte der Gast, denn er sei außerordentlich erschöpft. ,/Jhr kommt heute wohl schon weit her?" fragte der Wirth. „Heute nur von Soltau." *) So nennen die Bauern dortiger Gegend die Stube. „Von Soltau? — eine hübsche Strecke; für einen Tagesmarsch fast zu viel." //Ja, da habt Ihr Recht, und besonders für einen Mann in meinen Jahren." „Seid Ihr in Soltau ansässig?" forschte der Wirth weiter, der, wie alle Bauern, außerordentlich neugierig und mit seinen Fragen zudringlich und unverschämt war. „Nein, ich bin aus Birkenheim, einem Flecken am Harze." „Das ist wohl sehr weit von hier?" „Heute ist der sechste Lag, seit ich unterwegs bin." „Potz tausend! der sechste Tag! — und Ihr gedenkt noch weit?" z,Ja, über Harburg nach Stade." „Nach Stade! 's wird auch noch 'ne schöne Strecke bis dahin sein!" „ Nun, Ihr müßt wissen, ich marschire nur bis Harburg, dann lasse ich mich nach Hamburg übersetzen und fahre von dort in einem Ever bis Brunshausen, von wo ich dann nur noch eine Stunde bis Stade zu gehen habe. So hat mir wenigstens mein Sohn, der in Stade als Korporal unter dem Militär steht und den ich besuchen will, die Reiseroute angegeben." „So! so ist die Sache! Ihr habt also in Stade einen Sohn unter dem Militär, den Ihr besuchen wollt? Ja, ja, dann läßt es sich schon erklären, daß Ihr eine so er schrecklich weite Reise unternommen habt. Wahrscheinlich habt Ihr Euern Sohn lange nicht gesehen, Urlaub hat er nicht, aber das Vaterherz hat große Sehnsucht nach ihm, und nun macht Ihr Euch selbst auf die Beine, um ihm einige Mutterpfennige und Lebensmittel zu überbrin gen — ist es nicht so?" Der Fremde lachte. „Ganz recht, so ist es, ganz genau so! außerdem bin ich aber auch neugierig, ihn in seiner neuen Korporaluni form zu sehen und ihn einmal eommandiren zu hören, denn wie er mir schreibt, hat er ja nun schon was zu befehlen." „Freilich hat er das!" meinte der Wirth. „Und da werdet Ihr auch wahrscheinlich einige Zeit dort bleiben?" // Ich gedenke acht bis vierzehn Lage bei meinem Sohne zu verweilen." „Was in aller Welt treibt Ihr denn für ein Geschäft, daß Ihr so lange von Hause abwesend sein dürft? In meiner Wirtschaft wäre dies eine Unmöglichkeit." „Ich bin Sattler, und da ich einen tüchtigen Gesellen habe, auf den ich mich verlassen kann, so darf ich es schon wagen, mich einmal auf einige Seit aus dem Geschäfte Herauszureißen." „Also Ihr seid ein Sattler, hm! Da führt Ihr eine sitzende Lebensweise und seid das Marschiren nicht gewohnt, kann mir's also denken, Herr — wie ist gleich Euer Name?" „Mein Name ist Lebrecht." „Also Lebrecht — ja, was ich sagen wollte! ich kann mir's denken, daß Ihr recht müde sein werdet. Ich will Euch daher sogleich Euer Lager bereiten; geduldigt Euch noch einen Augenblick." Mit diesen Worten eilte er hinaus und kam bald darauf mit einer Matratze und Decke wieder zurück. Nachdem er Beides auf die Erde gebreitet, wünschte er seinem Gaste mit einem Händedruck eine „Gute Nacht" und begab sich gleichfalls zur Ruhe. (Forts, folgt.) Kirchliche Nachrichten. Am 16. Sonntage nach Trinitatis Beichtrede (halb 8 Uhr): Herr Archidiaconus Müller. Vormittagspredkgt: Herr Diaeonus Hedrich, über Ephes. 3, 14 —21, da vom Herrn Superint. Clauß die Kirchenvisitation in Lorenzkirch abgehalten wird. Nachmittagspredigt: Herr Archidiaconus Müller, über Luc. 7, 11 — 17. Mittwoch den 19. Septbr. predigt Herr Archidiac. Müller. Beerdigte. Verft. den 6. Sept.: Joh. Gottfr. Sergel, Fabrikarb., 66 I. 3 W. 3 L. — Den 7.: Anna Ida Auguste, ehel. T. des Tuchmachers Carl Heinr. Praße, 9 M. — Anna, ehel. L. des B. u. Strumpfwaarenhändl. Hrn. Friedr. Gottlieb Meyer, 2 W. 3 T. — Den 8.: Paul Louis Alfred, ehel. S. des Tuchmachers Joh. Franz Carl Leopold, 2 M. — Den 11.: Adelheid Franziska Martha, ehel. L. des B. und Sattlermstrs. Hrn. Carl Friedr. Herrm. Kirchner, 1 I. 11 M. 2 L. Getauft vom 6. —12. Septbr.: 5 Mädchen.