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Großenhainer Unterhaltungs- und AmeiZeblatt. Gedruckt, verlegt und redigirt von Herrmann Starke. 40. Sonnabend, den 19. Mai 1849. Tagesnachrichten. Frankfurt. Die Nationalversammlung geht täg lich mehr und mehr ihrer Auflösung entgegen und würde selbst ohne die Zurückberufung der Abgeord neten nickt mehr lange sich haben halten können. Die überspanntesten Anträge werden gestellt, die Parteien sind in größter Uneinigkeit mit sich selbst, das Reichsministcrium ist abgetreten, der Reichs verweser mit der Nationalversammlung zerfallen, kurz allgemeiner Wirrwarr. — Zwischen Bürgern und Soldaten hat cs mehrere Ezcesse gegeben, wo bei mehrere der Ersteren ziemlich bedeutend ver wundet worden sein sollen. — Der Reichsverweser hat einen Aufruf an die im Reichsdienste stehenden Truppen erlassen, worin folgende Stellen vorkom men: „Eine Partei, welcher es nicht um die Ver fassung, sondern um andre verwerfliche Zwecke zu thun ist, bedient sich des Verfassungsstreites als eines Vorwandes, um Angriffe gegen Gesetz und Ordnung zu richten, Zerrüttung und Bürgerkrieg über Deutschland zu verbreiten. Deutsche Krieger! Wenn Verwilderung und Anarchie es wagen soll ten, das Haupt zu erheben, dann werdet ihr durch die That beweisen, daß die unerschütterliche Treue, der feste Muth und die brüderliche Eintracht des deutschen Heeres das mächtige Schild sind, welche das Vaterland vor jeder Gefahr zu schützen vermag." Preussen. Nachdem eine bedeutende Anzahl preußischer Abgeordneter Frankfurt schon freiwillig verlassen hatte, sind durch eine Verordnung vom 14. Mai sämmtliche preußische Abgeordnete zurück berufen worden. Die Regierung beruft sich darauf, daß die Versammlung ihre Befugniß überschritten habe; denn nur, um zwischen den Regierungen und dem Volke das deutsche Versassungswerk zu Stande zu bringen, sei sie, wie ausdrücklich in den Bestimmungen über die Wahl vom 7. April 1848 festgesetzt sei, gewählt worden, nicht aber, um den deutschen Regierungen eine Verfassung zu octroyiren. Als fernerer Grund wird angegeben, daß durch den Beschluß des Reichstags, „die preußische Regie rung habe sich durch unbefugtes Einschreiten im Königreiche Sachsen einen schweren Bruch des Reichsfricdens zu Schulden kommen lassen", eine Verleugnung und Verletzung der bundesgesetzlich bestehenden Rechte und Pflichten der Mitglieder des deutschen Bundes und offene Feindseligkeit gegen Preußen ausgesprochen worden sei. In einer Pro- clamalion des Königs „An mein Volk" heißt es unter Anderm: „Unter dem Vorwande der deut schen Sache haben die Feinde des Vaterlandes zuerst im benachbarten Sachsen, dann in einzelnen Gegenden Süddeutschlands die Fahne der Empö rung aufgepflanzt. In so ernster Zeit drängt es mich, ein offenes Wort zu meinem Volke zu reden. Ich habe fruchtlos alle Mittel erschöpft, um zu einer Verständigung mit der deutschen National versammlung zu gelangen, und selbst nach Ver eitlung meiner Bestrebungen habe ich in der Hoff nung einer endlichen friedlichen Lösung mit der Versammlung nicht gebrochen. Sie selbst hat jetzt, nachdem sie gegen mich und die Staaten, welche sich den verderblichen Bestimmungen eines Theiles der Verfassung nicht fügen wollen, zum offenen Widerstand aufgerufen, mit Preußen gebrochen. Deßhalb sind die Abgeordneten zurückberufcn wor den, und dasselbe wird von anderen deutschen Regierungen geschehen. In der Reichsversamm lung herrscht jetzt eine Partei, die im Bunde steht mit den Menschen des Schreckens, die die Einheit Deutschlands zum Vorwande nehmen, in Wahrheit aber den Kampf der Gottlosigkeit, des Eivbruches und der Raubsucht entzünden, um mit den Thronen den Schutz des Rechtes, der Freiheit und des Eigenthums umzustürzcn. Die Gräuel, welche in Dresden, Breslau und Elberfeld ge schehen, liefern die traurigen Beweise. — Das Werk dec Verfassung Deutschlands wird sofort von meiner Regierung im Verein mit andern deutschen Staaten wieder ausgenommen werden. Die Ver fassung soll und wird in kürzester Frist der Nation gewähren, was sie mit Recht verlangt und erwar tet: ihre Einheit, dargestellt durch eine einheit liche ausführende Gewalt, die nach Außen den Namen und die Interessen Deutschlands würdig und kräftig vertritt, und ihre Freiheit, gesichert durch eine Volksvertretung mit gesetzgebender Bc- sugniß. Die von der Nationalversammlung ent worfene Reichsverfassung ist hierbei zu Grunde gelegt und sind nur diejenigen Puncte derselben verändert worden, welche, aus den Kämpfen und Zugeständnissen der Parteien hervorgegangen, dem wahren Wohle des Vaterlandes entschieden nach theilig sind. Einem Reichstage aus allen dem Bundesstaate sich anschließenden Staaten wird diese