Volltext Seite (XML)
Großenhainer Rnterhaltungs- mw AmeiAeblatt. — Gedruckt, verlegt und redigirt von Herrmann Starke. 38. Sonnabend, den 12. Mai 1849. Verordnung, das Verfahren bei Störungen der öffentlichen Ruhe und Sicherheit betreffend; vom 7. Mai 1849. Wir, Friedrich August, von Gottes Gnaden König von Sachsen rc. re. re., verordnen zur Aufrcchlhaltung der öffentlichen Ruhe und Sicherheit auf Grund des Z. 88 der Verfassungsurkunde wie folgt: tz. 1. Sobald die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit der Personen oder des Eigenthums durch Wider- sctzung wider die öffentliche Autorität (Art. 105 ff. des Crim.- Ges.-Buchs) oder Bolksauflauf (das. Art. 112) oder Aufruhr (ebendas. Art. 113 ff.) gestört oder bedroht erscheint, hat bis auf Anordnung der Oberbehörde die Sicherheits behörde jedes Ortes von Amtswegen einzuschreiten, nach Befinden alle Volksversammlungen unter freiem Himmel in Gemäßheit der deutschen Grundrechte Art. VII. tz. 29 zu verbieten und die sonst noch erforderlichen Maßregeln zu leiten. tz. 2. Bedarf sie hierbei zu ihrer Unterstützung bewaffneter Macht, so hat sie, insoweit nicht die von dem nächsten Wachtposten der Eommunalgarde oder des Militärs entsendeten oder requirirten Patrouillen ausreichen, in der Regel zuvörderst die Communolgarde, und erst dann, wenn auch deren Hilfe sich nicht ausreichend wirksam zeigt, die nächste .Militärmacht zu requiriren (Gesetz v. 22. Nov. 1848, §. 12), beide aber in jedem bedenklichen Falle Behufs der Be- rcilhaltung unverzüglich zu benachrichtigen. tz. 3. Ist die Behörde ß. 1 abwesend oder behindert, so tritt, so lange Dies der Fall, der Commandant der Eommunalgarde, nach erfolgter Requisition des Militärs aber der Commandant des letzteren an ihre Stelle. tz. 4. Alle Diejenigen, deren dienstlicher Beruf es nicht ist, zur Wiederherstellung der Ruhe mitzuwirken, haben sich auch unaufgefordert, auf die erste Kenntniß von dem Tumulte, und wo möglich bis zu dessen Beendigung, in ihre Wohnungen zurückzuziehen. Diejenigen, welche während des Tumultes in seiner Nähe auf den Straßen und öffentlichen Plätzen verweilen, haben kein Recht zu Beschwerden oder Klagen, wenn sie den Tumultuanten gleich behandelt werden. h. 5. Gleichzeitig — s. 4 — sind sowohl die öffentlichen Gasthöfe und Schänkstätten als die Privathäuser, Läden und Gewölbe zu schließen, und jedes Familienhaupt hat seine Angehörigen und Dienstleute, jeder Fabrikant, Kaufmann, Meister oder anderer Arbeitgeber seine Diener, Gesellen, Lehrlinge und Arbeiter bei eigener Verantwort lichkeit möglichst zu Hause zu halten. Die Schüler in den Schulen sind, wenn sic nicht bis zu Wiederherstellung der Ruhe gänzlich zurückbehalten werden können, nur in kleinen Abtheilungcn zu entlassen. 6. Die Behörde §. 1 und 3 hat vor Allem den Weg der Güte zu versuchen. Erst wenn die gütlichen Maß regeln ohne Erfolg geblieben oder wenn sie verhindert oder vereitelt werden, oder nach den Umständen überhaupt nicht mehr anwendbar sind, ist von der Waffengewalt Gebrauch zu machen. tz. 7. Vor wirklichem Eintritt der Waffengewalt ist jedoch in jedem nachstehend (Z. 9 und 10) nicht ausdrücklich ausgenommenen Falle die versammelte Menge erst noch dreimal, das letzte Mal mit dem Hinzufügen: „zum letzten Male" im Namen des Gesetzes zum ruhigen Auseinandergehen bei Vermeidung der Waffengewalt aufzufordern. Jeder dieser Aufforderungen hat, soweit die Möglichkeit dazu vorhanden ist, ein Signal der Art, wie cs die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen am meisten geeignet ist, voraus zu gehen. Die Aufforderungen selbst sind zu wiederholen, so oft die Volksmenge nach Jett oder Ort eine andere ist. tz. 8. Bleibt auch die dritte Aufforderung ohne Erfolg, so hat nunmehr die bewaffnete Macht von ihren Waffen jeden erforderlichen Gebrauch zu machen. Hierbei stehr das Commando zunächst dem Führer der Eommunalgarde, nach- erfolgter Requisition des Militärs aber dem Führer des letzteren zu. Der Commandirende allein hat zu ermessen, welche Waffen und welche sonstige militärische Maßregeln anzuwenden sind, und die Dauer des Waffengebrauchs zu bestimmen. tz. 9. Auch ohne Signal und Aufforderung, und so weit sie schon stattgefunden haben, ohne deren fernere Wieder holung ist die bewaffnete Macht zu jedem erforderlichen Gebrauch ihrer Waffen berechtigt: ») sobald die Tumultuanten auf sie eindringen oder sie angreifen, I>) wenn die Tumultuanten sich gewaltthätige Handlungen gegen die Behörde oder gegen die Mannschaft oder gegen dritte Personen erlauben, c) wenn sie fremdes Eigenthum verletzen, entwenden oder zerstören und der Abwehr oder Verhaftung sich ge- waltthätig widersetzen. tz. 10. Dasselbe gilt, wenn Diejenigen, welche, ohne der bewaffneten Macht oder dem Polizeipersonal anzugehören, bei einem Tumulte bewaffnet erscheinen, sich der Entwaffnung oder Verhaftung gewaltthätig widersetzen. tz. 11. Jede Verhaftung, welche nach Erlaß der §. 7 vorgeschriebenen Aufforderung, oder in Fällen, wo cs nach tz. 9 und 10 der letzteren nicht bedarf, auf der Stelle oder bei der unmiltclbaren Verfolgung geschieht, ist als Ergrei fung auf frischer That (die Grundrechte Art. III. tz. 8) anzusehen. H. 12. Alle, welche nach der dreimaligen Aufforderung sich gleichwohl nicht entfernen (Z. 8) oder sonst ihrer Ent waffnung oder Verhaftung sich gewaltthätig widersetzen (§. 10), sind neben den sonst noch rechtlich dazu Verpflichteten solidarisch zum Ersätze sämmtlichcr durch die Tumultuanten verursachten Schäden verbindlich. tz. 13. Die gleiche Verbindlichkeit trifft alle Behörden und Mannschaften, insoweit sie bei solchen Vorgängen (§. 1) eine Vernachlässigung, Verabsäumung oder Verletzung ihrer Pflicht sich zu Schulden kommen lassen.