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Grossenhainer UnterhaLtungs- und Än^eigeblatt. Mit Hoher Concession gedruckt, verlegt und redigirt von Herrmann Starke. 28. Mittwoch, den 7. April 1847. Der Candidat als Recrut. Michel Bavins, ein Schweftersohn des zu seiner Zeit berühmten und viel geltenden Doctors und Professors Lange zu Halle, widmete sich auf dieser Universitär, in den Jahren 1705 bis 1708, der Gottcsgelahrtheit. Es war ein schö ner, großer Jüngling, und als er von Halle zu seinen Eltern nach ver Altmark zurückkehrcn wollte, ließ ihn der Fürst Leopold von Anhalt- Dessau, ein damals nicht ungewöhnlicher Ge- wallstreich, wegen seiner ungewöhnlichen Größe anhaltcn und als Soldat einkleiden. Da es dem Fürsten nicht unbekannt blieb, wie nahe Bävius mit dem Professor Lange verwandt war, und er dessen Ansehen und Einfluß bei dem Könige von Preußen, Friedrich dem Ersten, fürchtete, so übergab er den Recruten der Auf sicht eines Musquetiers, der allgemein in dem Ruse der Hartherzigkeit stand. Bei diesem wurde er einquartiert und solchem auf das schärfste anbefohlen, darauf ein wachsames Auge zu haben, daß Bävius an Niemand eine Zeile schreibe. Bävius wußte indessen doch seinem hartherzigen Aufseher die schwache Seite abzu gewinnen und machte es so möglich, an seinen Oheim, den Professor Lange, zu schreiben. Der Professor Lange schrieb nun an den Fürsten Leopold einen sehr submissen Brief, worin er um die Entlassung seines Neffen dringend bat. Obgleich er sehr sorgfältig in demselben ver mieden hatte, zu erwähnen, woher er von der Einstellung seines Schwestersohnes als Soldat Kunde erhalten, so ahnte doch der Fürst, daß Bävius dieses Schreiben veranlaßt haben mußte. Er ließ den Brief des Professors unbeantwortet, befahl aber, den Bävius noch viel strenger zu behandeln. Als nun Lange auf eine Antwort von dem Fürsten vergebens geraume Zeit ge wartet halte, hielt er es für das Beste, eine Bittschrift dem Könige unmittelbar einzureichen. Dieser Schritt hatte auch den erfreulichen Er folg, daß der König sogleich den Befehl an den Fürsten Leopold erließ, den Candidaten Bävius zu entlassen. Der Fürst war darüber höchst ärgerlich, indeß blieb ihm nichts übrig, als zu gehorchen. Um sich an Bävius zu rächen, befahl er, daß er bei seiner Entlassung aller Montirungsstücke beraubt und so eigentlich nackt vom Rcgimente gejagt werden sollte. Die Ab sicht des Fürsten war dabei, ihn dadurch vor den Augen des Publikums verächtlich zu machen. Die Sache blieb indeß nicht verschwiegen, und da Bävius schon durch die Art, wie man ihn zum Soldaten gemacht und ihn als solchen be handelte, auch durch seine stille Ergebung in ein unverdientes Harles Schicksal allgemeine Theilnahme erweckt hatte, so äußerten viele und auch bedeutende Personen nicht allein unver- holen ihren Unwillen über die dem Unglücklichen noch bevorstehende öffentliche Verhöhnung, son dern man war auch darauf bedacht, solche un wirksam zu machen. Den Fürsten um Zurück nahme seiner Anordnung zu bitten, würde bei dessen Halsstarrigkeit ohne Erfolg gewesen sein; man mußte also auf ein anderes Mittel sinnen. Bävius erhielt einen vollständig schwarzen An zug von ganz dünnem Zeuche zugcschickt, mit dem Rathe, ihn, wenn er entlassen werden sollte, auf dem bloßem Leibe zu tragen. Er that dieß. Am Tage seiner Freilassung wurde er vor die Wachtparade geführt, ihm der Befehl des Kö nigs, daß er entlassen werden sollte, bekannt gemacht, ihm zugleich aber auch angedeutet, daß er augenblicklich alle Montirungsstücke, selbst bis auf das Hemde, ablegen müsse. Zum größten Befremden der schadenfrohen Gaffer entkleidete sich Bävius, ohne die ge ringste Verlegenheit zu verrathen, und plötzlich stand er, zum größten Erstaunen Aller, in schwar zer Kleidung da. Der Fürst schäumte vor Wuth und befahl ihm, unter derben Flüchen, sich zum Teufel zu scheeren. — Er ging nun fort und als ihn der Soldat, dessen Aufsicht er über geben worden, um ein Andenken bat, er aber nichts besaß, als ein neues Testament, so schenkte er ihm dieses, nachdem er zuvor in das Innere des Deckels geschrieben hatte: „Ich bin erlöset aus des Löwen Rachen, der Herr wird mich auch ferner erlösen von allem Uebel. 2 Timoth. 4, V. 17 und 18." Bävius machte sich sogleich auf den Weg nach Berlin, erwartete dort die Ankunft des Königs und bat ihn um eine Predigerstelle. Der König ließ ihm an einem Sonnabende einen Text zufertigen, mit dem Befehl, über solchen am folgenden Tage