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wrzunehmen. Ueber das Ergebniß verlautet nichts bestimmtes. Verschiedene dieser Tage stattgehabte nattonalltbe- rale Versammlungen haben sich für die neue Mt- ltiärvorlage erklärt, da eine Ablehnung derselben eine nähere Gefahr eines Krieges bedeute. Ueber die Stellung der preußischen Regierung zum BergmannSstretk im fiskalischen Saargebtet wird der „Rhein.-Westf. Ztg." roa maßgebender Sette aus Saarbrücken geschrieben, daß die staatliche Bergbehörde nicht beabsichtige, den Streikenden ein Ultimatum für die Wiederaufnahme der Arbeit zu stellen, weil sie mit Amfangreichen Arbeiterentlassungen (man sagt, daß 8000 Bergleute nach und nach entlasten werden sollen) vorgehen wolle. Die Bergbehörde betrachtet dem genannten Blatte zufolge diese strenge Maßregel als das einzige Mittel, den Ausständigen klar zu machen, daß auf den königlichen Gruben nicht der Wille der Ar beiterführer, sondern der der Bergbehörde maßgebend sei. Der Zwischenfall wird auch im preußischen Ab geordnetenhaus« zum Gegenstand der Erörterung ge macht werden. Im Saargebtet hat die Zahl der Streikenden weiter abgenommen, im rheinisch-westfäli schen Revier ist der allgemeine Ausstand faktisch bisher nicht eingetreten. Der Verband der Grubenbesitzer im letzteren Bezirk will alle Bergleute entlasten, die länger als drei Tage streikten. Die Hauptentscheidung über den allgemeinen Ausstand wird am Mittwoch fallen. Die Zahl der Streikenden beträgt noch etwa 18,000. Eine lebhafte Bewegung entstand unter den Bergleuten auf die Nachricht hin, daß die Bergbehörde etwa 500 Arbeiter, welche bet dem Streik hervorragend bethetltgt find, entlasten hat, außerdem von den Ausständigen mindestens 2—7000 Mann bis auf Weiteres von der Grubenarbeit zurückgewtesen weiden. Der württembergtsche Landtag ist am Dienstag vom Könige Wilhelm eröffnet worden. Die Thron rede constatirt die weniger günstige Finanzlage des Landes, dte eine Wendung zum Besseren kaum tn Aus sicht stellt. Ferner kündigt sie eine Vorlage betr. dte Besteuerung des Kunstwetns an, den SlaatSvertrag mit Baden, und eine Verfaffungsrevtfion bezüglich der Zusammensetzung der Ständekammer. Der „Nat.-Ztg." zufolge schließt der neue preußische Staatshaushalt, den am Donnerstag FInanzmtntster Miquel dem Abgeordnetenhouse unterbreiten wird, mit einem Deficit von etwa 58 Millionen ab. Bet Gelegenheit der soctaldemokrotischen NothstandS- tnterprllatton wird heute, Mittwoch auch der Berg- arbetterstreik im Reichstage zur Sprache kommen. Der Besuch des russischen Thronfolgers zur Theilnahme an den Ho°feslUchkettm am Deutschen Katserhofe im Laufe dieses Monats ist jetzt amtlich tn Berlin angemeldet. Wie in der DienstagSfitzun- des Deutschen Reichs tages vom Präsidenten von Levetzow mttgetheilt worden ist, ist das Strafverfahren gegen den Abg. Ahlwardt gemäß dem Beschlusse des Reichstages vom 10. De- cember für ote Dauer der gegenwärtigen Session ststtrt worden. Am Dienstag nahm das preußische Abgeord- r netenhaus seine Sitzungen nach der langen Pause! von Ende November wieder auf. Das Haus ehrte z zunächst das Andenken der verstorbenen Mitglieder Lange, Vyzen, v. Borken und Reichensperger durch Erheben von den Sitzen und trat dann tn dte Tages ordnung etn. Der Gesetzentwurf, betreffend dte Auf hebung der Stolgebühren tn der evangelisch-reformtr« f ten Kirche der Provinz Hannover wurde nach lurzer r Debatte tn erster und zweiter Lesung angenommen, f Alsdann wurde in dte erste Lesung des Gesetzentwurfs § betr. die Aufbesserung des Volksschulwcsens und des ? ! Dtensteinkommens der Volksschullehrer eingetreten. CultuSmtntster vr. Bosse befürwortet die Vorlage, da i für jetzt dte Einbringung eines neuen Schulgesetzes unmöglich sei. Dte finanztellrn Zustände in den Ge- metnden und dte Gehaltsverhältnisse vieler. Volksschul- lehrer seien derart, daß unbedingt etwas geschehen x müsse, wenn dte Volksschule ntcht schweren Schaden z leiden solle. Der Minister bemängelt auch das Ver halten zahlreicher Selbstverwaltungsbehörden gegenüber der Volksschule. Abg. v. Strombeck (Ctr.) ist unzu frieden damit, daß dte nach dieser Vorlage zu ver wendenden Mittel aus den Ueberschüffen der Einkom mensteuer genommen werden sollen. Redner beantragt dte Verweisung des Z 1 des Gesetzentwurfs an dte Steuercommisfion. Abg. Rtckert (frets.) sieht den Kernpunkt der Vorlage ebenfalls tn der Aufbringung der zu verwendenden Mittel; dem Prinzip der Vor lage steht der Redner nicht unsympathisch gegenüber, hat aber noch einzelne Bedenken, die er tn der Com« Mission zu erörtern wünscht. Abg. Frhr. v. Mtnnt- gerade (cons.) kann einen Nothstand in Lehrerkretsen ntcht anerkennen, da dte Lehrergehälter mehrfach und genügend aufgebeffert seien. Redner möchte am liebsten dte Gehälterfrage tn einem Schulgesetzentwurf gelöst sehen und ist mit der Verweisung des 8 1 an dte ! Steuercowmtsfion einverstanden. Nachdem noch Abg. Hobrecht (natl.) und Ftnanzmtntster Miquel tn war men Worten für dte Vorlage gesprochen, wird dte Wetterberathung auf Mittwoch Vormittag vertagt. Frankreich. Der Panamaskandal schlägt wieder hohe Wellen, wenn auch wahrscheinlich die Verfolgung aller be- s stochenen Abgeordneten eingestellt werden wird, die keine Beamten find. Das französische Strafgesetz sieht nur Bestrafung der Bestechung bet Beamten, aber ntcht > bet Parlamentariern vor. Moralisch find die Herren > freilich geliefert. Hingegen ist der frühere Bauten- i Minister Baihaut, der sich für die Beseitigung eines der Panamacompagnte ungünstigen Berichtes eine , halbe Million zahlen ließ, festgenommen. Gegen den Krtegsmtnister Freycinet und den Kammerpräsidenten Floquet werden erneut dte schwer sten Anklagen erhoben. Der Minister soll von dem berüchtigten Herz minderwerthtgeS Eisenbahnmatertal sich habe aufschwtndeln lassen, und dadurch die Sicher- k hett der Mobilmachung gefährdet haben. Freycinet ' bestreitet dqs. Die Sache soll tn den Kammern zur Sprache kommen, dte am Dienstag von den Alters. Präsidenten eröffnet find. Bon den angekündtgten De monstrationen war bis auf einige Lärmscenen nichts zu bemerken. Mehrere Schreier find verhaftet. Die getroffenen Vorsichtsmaßregeln bleiben aber für dte Nacht aufrecht erhalten. Es werden heftige Auftritt« tn der Deputtrtenkammer erwartet. In dem am Dienstag abgehaltenen Mtntsterrath theilte Rtbot «tt, daß er mit seinen Collegen früh bereits eine Berathung gehabt, daß sie allesammt die Nothwendigkeit einer Umgestaltung des Cabinets etngesehen und infolgedessen eine Collectiv-Demission «tngeretcht hätten, dte Earnot angenommen habe. Carnot beauftragte nach dieser Mttthetlung alsbald Rtbot mit der Neubildung des Cabtnets. Dem Vernehmen nach wird Ribot im neuen Cabtnet das Portefeuille de» Auswärtigen an- statt des Innern übernehmen. Freycinet und Laubet würden dem neuzubtldenden Cabtnet ntcht angehören. Somit hat Freycinet der Wucht der erneuten Anklagen weichen müssen. England. Die englische und französische Regierung streiten sich wieder einmal wegen ihres Einflusses in Marokko. Die Engländer haben dte Vergewaltigung eines Briten durch dte Marokkaner zum Anlaß genommen, dem Sultan mtt Einschreiten zu drohen und die Franzosen wollen das nicht dulden. Londoner Zeitungen berichten aus Montenegro von dem Ausbruch eines Aufstandes gegen den Fürsten. Aus dem Muldeuthale "Waldenburg, 11. Januar. Die hiesige Har monie-Gesellschaft beging am gestrigen Abende tn den geschmückten Räumen des Schönburger HofeS Ihr 75. jähriges Jubiläum tn festlicher Weise und unter zahl, reicher Bethetligung der Mitglieder. Gegründet im Jahre 1818, hat dte genannte Vereinigung fett jenem Jahre ununterbrochen auch unter schwierigen Zettver« hältntflen ihren Zweck, ein Centralpunrt edler Gesellig keit und eine Pflegestätte künstlerischer Darbietungen zu sein, verfolgt. Dte Jubelfeier bestand in Festtafel mtt nachfolgendem Ball und nahm dieselbe einen allseitig befriedigenden Verlauf. *— Seit gestern Abend hat sich erneuter Schneefall eingestellt, welcher auch während des heutigen Tage» anhtelt. Dte Schneedecke hat nunmehr einen Durch messer von ca. 25 ew erreicht. *— Ueber das Vermögen des Brauereipachter» Albin Richard Engemann tn Steinbach, Altenb. Anth., ist am 5. d. das Concursverfahren eröffnet worden. Concursforderungen sind bis 7. Februar beim herzog lichen Amtsgerichte in Altenburg anzumelden. — In Zwickau find am 9. d. tn der Räucher kammer eines dortigen Fleischers dte daselbst unterge- brachten Fletschwaaren tn Brand geralhen und total verbrannt. Hierbei wurde auch das Gebäude be. schädigt. — Bet der tn Zwickau zu erbauenden elektrischen Straßenbahn berechnet sich der Herstellungspreis auf etwa 20,000 Mark pro Kilometer, der Preis für Glühlicht pro Brennstunde und Glühlampe aus ca. 4 Pf. Feuilleton. Die Bettlerin. Originalnovelle von F. Fichter. Nachdruck »ardat««. (Fortsetzung.) Sich selbst hat er gefunden; wie etn Spiegel haben ihm die schwarzen Lettern sein Antlitz gezeigt, sein« Seele — sein Sein und Lieben! — — Wer hat so hineingeschaut tn sein Herz? — Wer so die Tiefen seines Geistes ermessen? Nur Eine kann dies sein! — Eine! Und nicht mit Spannung und Erwartung, sondern mtt dem Gefühl unumstößlicher Gewißheit sucht er die Bestätigung seiner Vermuthung; er hat sich nicht getäuscht, der Titel zeigt als Verfasserin „Editha Willert". Etn Seufzer der Erleichterung hebt seine Brust, ein freudiges Leuchten durchzuckt sein Auge. Editha Willert — ntcht Editha Sandour! Wie gut weiß er auch diesen Namen noch! War ihr dieser Name theuer — warum schmückte sie ihn dann nicht mtt ihren Werken? Er konnte thr nichts gellen, thr Mädchenname war thr mehr — war thr alles werth. Wteder ergriff er das Buch; Zett und Raum schwand vor Ihm, und während der müde Kör per seine Heimat gefunden, feierte das Herz seine Auferstehung! Er durchwanderte die Stätte seiner Kindheit, die Wälder seiner Jugend, vor ihm blühte sie auf, dte Vergangenheit mtt all ihrem Zauber. Die thurmgekrönte sagenretche Abtei, dte lustige Studenten zeit, dte einzige, kurze glückliche Liebe setneS Lebens! Wie aus tiefem Traum erwachte er, als bereits das Geräusch des nahenden Tages sich auf den Straßen geltend machte. Weitab streckte er die Hände, als wollte er den Bann, der ihn gefangen genommen, zurückstoßen, und kaum nahm er sich Zett zum Auskletden, um sich hastig aufs Lager zu werfen und so im Schlaf den ihm nach eilenden Geistern der Erinnerung zu entfliehen! Kör perliche Ermüdung, dte Folgen der anstrengenden Reife, z nahmen ihn bald gefangen, doch dte erregte Phantasie ' schuf im Traume weiter und ließ ihn noch einmal im wunderlichen Gemisch Glück und Leid, Schmerz und Freude durchleben! „Höre, Leo, Du kannst Dich bet mtr bedanken! Deinetwegen habe Ich gestern einen Genuß versäumt, von dem heute dte halbe Residenz schwärmt; hter —" damit reichte Günther von Dallwitz dem zum Diner eintretenden Schwager rin Zettungsblatt. „Zur Strafe wirft Du mich tn das nächste Concert begletten — hoffentlich dürfen wir ntcht lange darauf warten," setzte er neckend hinzu. Zerstreut nahm Leo das Blatt. Ihm war heut zu Muthe, als sei er nicht mehr derselbe. Er hörte nur das Wort „Concert", und anhaltend daran suchte er mtt den Augen die Notiz. Wie etn Blitz fiel der Name Edttha's tn setnc Augen, welche als Mutter der jungen Künstlerin — als bereits rühmlichst bekannte Schriftstellerin den Triumph ihrer Tochter mit der selben zu theilen schien! Wteder und wteder las er dte begeisterte Schilderung der genußretchen Stunden, ohne davon aber einen Begriff zu finden, nur mtt dem etnen süß-schmerzlichen Gedanken: Du hast einst dem Glück der Liebe entsagt und dafür die Krone des Ruhmes gesunden! — „Du kannst Dich wohl gar ntcht losreißen von der neuerstandenen Zauberin," lachte Günther. „Ja — das muß ntcht blos hörens-, sondern auch sehens- werth sein, das ganze Offizterscorps steht tn Hellen Flammen." Erstaunt aber blickte er auf Leo, als dieser schweigend das Blatt finken ließ und mtt wunderbar ernstem, fast schimmerndem Blick den jungen Kavalier von oben bis unten maß. Fast verlegen fragte Günther: „Aber, Leo, warum stehst Du mich so an? — Du hast ja etnen Blick wie unser Generalmajor!" „Ich möchte Dich nur bttten, Günther, Dtr keine banalen Redensarten über die hier tn Rede stehenden Damen zu erlauben!" erwtederte dieser ernst und fest. „Daran habe ich doch ntcht gedacht!" erwiderte Günther eifrig. „Aber Du kannst es eben ntcht lassen, den Mentor Wetter zu spielen. Allem nach aber mußt Du doch dte Damen kennen! Das wäre ja ein besonderer Glücks fall, Leo; ich werde in aller Zett die BtlletS besorgen, gleich nach dem Essen halte Ich Nachfrage. Da kommst Du mir erst recht nicht los; kannst mich dafür auch nach Herzenslust schuriegeln!" Und nun konnte er ntcht genug zur Etle treiben. Leo aber genoß fast stillschweigend seine Mahlzeit, was glücklicherweise niemand zu bemerken schien, denn dte kleine Stella fesselte ganz und gar den alten Herrn und Günther sann nach, wie er am schnellsten fort kommen könnte, und in welcher Beziehung Leo wohl zu den Damen stehen möge; zu fragen aber traute er sich ntcht, er kannte seinen einstigen Lehrer zu gut und beschloß abzuwarten. Sollte denn Leo, kaum den Fuß im Vaterlande, nun alles wiederfinden, was einst das Glück seiner Jugend gewesen? — Noch ehe der Tag zu Ende ging, meldete der Diener eine Dame, welche den Herrn Professor zu sprechen wünschte. Und hinter dem Meldenden schritt fie schon herein — Wanda, die geliebte Schwester, und nach jahrelanger Trennung hielten sich die Geschwister upt- schlungen, still und wortlos — im tiefsten Herzen be wegt. Sie konnte nicht so lange warten, bis er selbst fie aufsuchte — fie mußte ihn Wiedersehen nach so ercignißreicher Zett — tn Ihr treues Schwesterherz sollte er das Empfinden feiner Seele über das, was er verloren, und das, was er gewonnen, htnetnlegen. (Fortsetzung folgt.)