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voller- Zahl einfanden, nachgebend, veranstaltete Knispel am Aberle eine großartige Kneiperei im „Goldenen Löwen." Hoch gings da her im geräumigen Nebenzimmer, es gab em solennes Abendbrot mit einigen Fäßchen „Echten." Knispels Nachbar, der Materialwarenhändler Weich brot, nahm nicht daran teil, er saß mit einem alten Freunde, einem Weinreisenden, der heute auf einen Tag in der Stadt verweilte, im Vorderzimmer. Weichbrot, der von seinem Schulfreunde zu einigen Flaschen Wein eingeladen worden war, bemerkte bald mit Staunen, daß dieser, sobald der Wirt oder der Kellner den Rücken gewandt hatten, seinen Spazierstock, den er nicht aus den Händen ließ, an das Glas hielt, und daß dann die Flüssigkeit verschwand. „Dir kann ich ja mein Geheimnis anvertrauen," sagte der Weinreisende. „Bekanntlich müssen wir Reiseonkel im Geschäftsinteresse viel verzehren. Das wird uns natürlich ost zu viel, ein Blumentopf oder Kohlenkasten, dem wir die Getränke anvertrauen könnten, ist auch nicht immer bei der Hand, und da habe ich hier nun meinen intimen Freund den Saugstock. Er pumpt — das tun ja Freunde oft —, aber er pumpt nur den Wein oder Likör aus dem Glase, dabei wird er zwar voll, aber nie betrunken, redet also keinen Blödsinn." „Es lebe der Säugling!" rief Weichbrot lachend, und stieß mit seinem alten Freunde an, der noch hinzufügte: „Uebrigens deutsches Reichspatent!" Im Nebenzimmer schlug die Freude und der Jubel in dessen immer höhere Wogen, der „künftige Millionär", wie man Knispel bereits nannte, wurde in ausgiebigster Weise angetoastet und angeprostet. Freudestrahlend saß der Posamentier auf seinem blu menbekränzten Stuhl an der Spitze der Tafel, als plötzlich sein Sohn Kurt leise eintrat. Heute sah er gar nicht so „selbstredend tadellos" aus, vielmehr war er blaß und niedergeschlagen. Er winkte seinem Vater, doch dieser wollte sich in seinem Behagen nicht stören lassen. Erst als er das be kümmerte Gesicht durch seinen Festrausch hindurch näher ansah, stand er auf und trat mit ihm zur Seite. Der Sohn flüsterte ihm einige Worte zu. „Was?" rief -er Vater, in seinem Taumel alle Vor sicht vergeßend. „Es kommt Wasser, es kommt kein — Pe troleum mehr?" „Verdammt ekliche Sachei" bestätigte Kurt. Nun litt cs den Festgeber nicht länger, mit aschfahlem Gesichte folgte er seinem Sprößling. Die lustigen Zecher sahen sich betreten an, wie ein Lin lütkliger „Hm — hm — Ihr Herz klopft ganz schauderhaft!" Lauffeuer ging es am Tisch herum, wie die den beiden Zu nächstsitzenden gehört hatten: „Es kommt Wasser, es kommt kein Petroleum mehr!" Und so war's denn auch, als Vater und Sohn nach Hause kamen, fanden sie die übrigen Hausgenossen vor einer Anzahl Töpfen und Schüsseln, in die sie abwechselnd hinein rochen: Wasser, reines, klares Wasser wie vordem förderte der Brunnen zu Tage! Auch der Kaufmann Weichbrot, der noch mit seinem Freunde beim Weine saß, erfuhr den Verlauf der Sache. „Vertrauen gegen Vertrauen!" flüsterte er dem Wein- reisenden, der eben den Saugstock wieder eintauchte, mit verschmitztem Lächeln zu. „Du hast mir ja auch Dein Ge heimnis vom Säugling erzählt und bist überhaupt ver schwiegen! Ich war der Einzige, der die Geschichte mit der Petroleumquelle durchschaute. Mir ist nämlich in meinem Keller, der neben dem Knispels liegt, vor kurzem — ein Petroleumfatz ausgelaufen — und ich wollte nur nichts davon sagen, um mir die Kosten der Brunnenreinigung zu sparen!" Erklärung. Stammgast: „Sagen S' einmal, Herr Expeditor, wo her kommt's denn eigentlich, daß die Postbeamten oft so grob werden?" Postexpedltor: „Das kommt vom Verkehr mit dem Publikum." Moäern. Arbeit ehrt — Schwindel nährt!