Volltext Seite (XML)
Der Zustand der englischen Flotte. Ein neutraler Berichterstatter, der brr der Rück kehr der englischen Flotte nach der Seeschlacht in der Nordsee in England weilte, stellte, wie der Kor respondenz „Heer und Politik" geschrieben wird, fest, daß die Verluste der englischen Flotte nicht die ge samte Schädigung umfassen, welche dies- Flotte durch ihre Niederlage in der Seeschlacht bei dem Skager rak erlitten hat. Auch der Zustand eines großen Teiles der zurückgekehrten Schiffe soll furchtbar sein. Troy der Geheimhaltung, welche di? englische Admi ralität beobachtet, sind doch im Publikum Englands eimge Einzelheiten durchgesickcrt, welche diesen „Sieg" der englischen Marlne seltsam beleuchten. Die deut schen Granaten sollen nach diesen Mitteilungen auch aus den nicht gesunkenen Schissen furchtbare Ver heerungen angerichtet haben, durch die viele Schiffe kampfunfähig geworden sind und erst eine lange Re paraturzeit werden durchmachcn müssen, che iie aufs neue für die Sev tauglich sein werden. Schorn steine, Maschinenräume, Locks und Panzerungen wei sen große Beschädigungen auf einer großen Anzahl von Schiffen auf. In diesem Zustande der engli schen Flotte bei Abbruch der Schlacht wird man den Grund dafür sehen müssen, daß der Kampf beendet wurde, aber nicht in der angeblichen „Flucht" der deutschen Kriegsschiffe. Tie Seeschlacht dauerte saft ohne Unterbrechung viele Stunden, in denen die eng lischen Limcnschiffe bei ihrer größeren Schnelligkeit die Versolgung hätten sehr wohl aufnehm.-n können, wenn sie dazu im Stande gewesen wären. Wenn Lie Darstellung der Engländer richtig wäre, dann hätte es sich nur um ein kurzes Vorpostong-secht gehandelt, in das wegen der Kürze der Zeit di großen englischen Schlachtschisse nicht eingreifen konnten. Aber tatsächlich dauerte die Schlacht so lauge, daß allen englischen Einheiten Gelegenheit gegeben worden war, sich an diesem Ringen zu be teiligen, abgesehen davon, daß für ein Vorpostrn- gesecht die von der englischen Admiralität selbst zu gegebenen Verluste der englischen Flotte doch etwas zu ungeheuerlich gewesen wären. Diese englische Darstellung, welche nur die englische Niederlage be- schöuigen soll, wird durch die Tatsachen selbst wider legt, ebenso wie die von England verbreitete Feststel lung, daß die Schlacht beinahe an der deutschen Küste stattgefunden hätte, während sie doch in Wirk lichkeit beim Skagerrak stattsand. Tie Berichte über Leu Zustand der englischen Flotte nach der Seeschlacht sind geeignet, die englische Darstellung noch mehr in das rechte Licht zu rücken; denn ber diesem Zu stande der englischen Flotte ist es durchaus erklärlich, daß der englische Oberbefehlshaber es angesichts der bereits festgestollten hohen Verluste für angezeigt hielt, das Treffen abzubrechen und in den schüt zenden Hasen abzudampfen. Dor norwegische Lotse, der den sich nach Westen entfernenden Kanonendon ner gehört hat, hat schon am ersten Tage nach der Schlacht, deren Ausgang er noch gar nicht kennen konnte, diese Wahrnehmung der Oesfeutlichleit mit geteilt. Auch daraus kann man erkennen, daß sich die englische Flotte kämpfend gegen die englische Küste zu entfernt hat. Tas sieht mcht gerade nach Verfol gung aus. Es wird übrigens schon jetzt berichtet, daß alle englischen Wersten mlt Reparaturen der Kriegsschiffe überlastet seren. Tiese Tatsache spricht auch dafür, daß der Zustand der englischen Kriegs schiffe nach der Seeschlacht nicht gerade beneidens wert gewesen sein muß. Seine Braut. Von Georg Paulsen. 24- Fortsetzung. Tic Zuhörerin war erbleicht, verstand es aber nach wie vor, ihre Ruhe zu bewahren. „Wer Ihnen das gesagt hat, Madame, hat Sie falsch unterrichtet. Ich habe die Gewohnheit, Anderen wertvolle Gefällig keiten zu erweisen, nur daß man mir nicht dafür dankt. Ich habe solchen Dank auch nicht begehrt." „Soll das bedeuten," fuhr die Soltansky auf, „Laß Sie nuch damals hätten — dec Polizei über liefern können. Tas wäre impertinent gewesen." Tie Geduld Margot's war zu Ende. Und so sagte sie: „Madame beherrschen als Ausländerin die deutsche Sprache wohl nicht vollständig. Sonst hät ten Sic statt impertinent konsequent sagen müssen." Tie angebliche Gräsin fuhr zurück. Sie biß sich dermaßen aus die roten vollen Lippen, daß beinahe das Blut sich zeigte, und wedelte mck ihrem Fächer sich frische Luft zu. „Lassen wir diese Auseinander setzung über Vergangenes, die unter meiner Würde ist und die wohl nur der Eisersucht entspringt. Da- sür kann ich aber nichts, daß dieser Monsieur Willi beständig mir auf Schritt und Tritt nachlänft. Er kommt schon wieder zu Ihnen." Sie glaubte damit ihrer Gegnerin einen ver nichtenden Schlag versetzt zu haben und war sehr überrascht, als Margot Westling in einem stillen, von jeder Schärfe freiem Ton.- antwortete: „Ach nein, Madame, aus Eifersucht habe ich nicht gehan delt. Eifersucht kenne ich überhaupt nicht m?hr. Al lerdings, das dars ich Ihnen wohl sagen, es ist ein» sehr bittere Stunde für mich gewesen, in der ich lernte, daß Eisersucht für mich keine Leidenschaft mehr sein dürfe." Eugenie Soltansky schwieg einige Minuten, und auch Margot zeigte keine Neigung, sofort auf die eigentliche Absicht ihres Besuches einzugehen. End lich begann die Ungarin aber doch wieder das Ge spräch und sragte ganz unvermittelt: „Und was führt Sie heute zu mir?" „Tas Schicksal ihres Kindes!" antwortete Mar got Westling aufatmend. „Was wissen Sie von meinem Gabriel, der mir hier aus diesem Zimmer gestohlen, geraubt worden ist?" ries Eugenie beinahe überlaut, indem sie die Besucherin fest, bei den Händm packte. „Sprechen Sie doch, sprechen Sie doch, Sie sehen ja, daß ich vor Erregung umkomme." Margot Westling verbarg kaum ihre Genugtu ung darüber, so leicht erfahren zu haben, daß die Soltansky mit der Erzählung vom Verschwinden ihres Sohnes wirklich kein falsches Spiel getrieben hatte. Daun versetzte sie: „Noch weiß ich nicht, wo Ihr Kind geblieben ist, aber ich Hoffs, Ihnen behilflich sein zu können, es auszusinden. Tarum kam ich zu Ihnen." Tie schöne Abenteurerin sah sie mißtrauisch an. „Ich verstehe aber nicht, wer Ihnen von dieser An gelegenheit gesagt haben könnte, die doch nur mich selbst etwas angeht, und die ich zudem streng geheim gehalten habe. Sollte es etwa Monsieur Willi, Ihr früherer Bräutigam, gewesen sein?" „Nehmen Sie das an, Madame," versetzte Mar got, „wenn Sie sich nicht daran erinnern wollen, ob nicht ein Anderer es gewesen sein könnte. Viel leicht hat Jemand eine unüberlegte Wendung ge braucht, in einem unbewachten Moment eine Aeuße- rung getan, die ihn selbst verriet." „Wie sagen Sie?" ries Eugeni, außer sich. „Soll te dieser Schust von Ketwar wirklich sich selbst ver raten haben? Kennen Sie den Baron?" Margot harte ihre Frage in ein unverfängliches Gewand ge kleidet, und die Soltansky hatte sich dadurch fesseln lassen Mit ihrer Frage, ob die Besucherin den Ba ron Ketwar kenne, hatte sie selbst angedsutet, aus wen sie Verdacht habe, daß er der Räuber ihres Kindes sei. In einer Sekunde war sür Margot Alles klar: Baron Ketwar, der sie auf jenem Kasino-Ball zum Tanze ausgefordert hatte, und den sie, weil er ihr total unsympathisch war, abgewiesen hatte, hatte Kenntnis von den Verhältnissen der einstigen Grä fin Soltansky; er hatte mit einem kecken Unterneh men sich des Kindes bemächtigt, um von dem Vat.-r eine große Summe zu gewinnen. Und er war es auch, der dem Grafen Geza Ralönyi jenen Brief ge schrieben hatte, in dem er ihm anbot, gegen Zah lung von einer halben Million Mark ihm seinen Sohn zu verschaffen. Triumph! Das Spiel war für diesen Intriganten aus! „Aber so sprechen Sie doch!" drängte Eug-nie. „Oder spielen Sie heute ein trügerisches Spiel?" „Bei der Hoffnung auf mein künftiges Seelen heil," antwortete Margot rasch. „Ich wollte Sie da von überzeugen, daß Sie mich bisher vollständig v?c- kannt haben, und Ihnen in einer Sach« zur Seit: stehen, in der ich dies unbedenklich tun darf." „Aber mein Gott, wer sind Sie denn eigentlich, Sie rätselhaftes Wesen?" „Ein junges Ding, das hart hat arbeiten müssen, um sich am Leben zu erhalten und für den Mann sorgen zu können, diesen leichtsinnigen Toren, den es einst so heiß geliebt hat. Und ich will Ihnen helfen, weil ich erkannt habe, daß Sie, mag man auch sonst von Ihnen sagen, was man will, die sen Ihren Sohn mit echter und rechter Mutterliebe sich zu erhalten suchen." Eugenie sah sie mit großen Augen an. Als sie aber in ein Antlitz schaute, aus dem in diesem Moment wirklich nur reine Freundschaft strahlte, da begann die Eisrinde des Hasses und des Mißtrauens zu schmelzen! „Das hieß ein guter Geist Sie spre chen; wenn Niemand sonst zu mir gesagt hat, daß Eugenie Soltansky an einem Wesen aus dieser Welt mit voller und ganzer Liebe hänge, dann haben Di es zu mir gesagt. Mag in meinem Leben Vieles, nur zu Vieles nicht stimmen, die Liebe zu meinem Jun- gen, zu meinem Gabriel, ist echt wie Gold, sür ihn kann uh und will ich mein Bestes hingeben. Nur das erstrebe ich an, ihn mir von dem schändlichen Ban diten. der ihn mir nahm, zurückzugewinnen, und dann zu erreichen, daß er nio erfährt, welches Leben seine Mutter zeitweise geführt hat, auf daß er sie stets achten und lieben kann." „Das werden Sie crreichen," antwortet: Mar got warm. Eine Träne blitzte in dem dunklen Auge der Ungarin, wortlos streckte sie dem jungen Mädchn, das ihr vor einer Viertelstund« noch ein Gegenstand des Hasses gewesen war, ihr.- Hand entgegen, und Margot Westling legte die ihrige hinein. Tann sagte Eugenie: „Weil ich Ihnen vertraue, daß Sie mir meiuen Gabriel wiedorbringen werden, darum sei Alles, was bisher geschehen ist, vergessen. Aber Sie versichern mir nochmals, daß Sie keine Sonderab- sichten haben, daß Sie nicht daraus ausgehen, mich zu täuschen. Sehen Sie mich an." Ruhig und sest blickte sie ihrer bisherigen Fein din in die Augen, und es war ihr unerschütterlicher Wille, diesem vom Leben und seinem Temperament gehetzten Weibs eine Freundin zu sein, damit es in der Liebe zu seinem Kinds .'inen Anler im wilden Wog:n- gctriebe des Lebens habe, an dem cs sich sesthalten könne, um nicht völlig im Abgrund zu versinken. Margot Westling hatte in dieser knappen Zeitspanne die Wahrheit des alten Wortes so recht erkannt, das da lautet: „Richtet nicht, aus daß Ihr nicht gerich tet werdet!" Auch in den Mitmenschen, die verlo- ren zu sein scheinen, schlummert ein echter goldener Kern, und hier war es die Mutterliebe. Tie beiden Frauen sprachen noch geraume Zeit miteinander, und in dieser Unterhaltung räumt: Eugenie rückhaltlos ein, daß nach ihrer Ueb.-rzeu- gung kein Anderer, als der Baron Ketwar sich des Knaben bemächtigt habe, teils um jich sür dis Ab weisung seiner Liebes-Erklärungen zu rachen, teils um vom Grasen Ralönyi, dem früheren Gatten Eu- genien's und dem Vater des Kindes, eine große Summe zu erpressen. „Lieber, als ich mit ihm per- handle, dulde ich es schließlich, daß mein früherer Mann das Kind bekommt. Ich verachte diesen Kct- war viel zu sehr, als daß ich seine Liebesschwüre je erhören könnte. Und wenn ich in meinem Leben noch betteln müßte, nie und nimmer will ich diesem Menschen angehören." Margot nickte: was sie selbst von diesem unga rischen Baron sich gedacht, das hörte sic hier im verstärkten Maße von Neuom aussprechen. Und die Galanterie dieses Menschen hatte Annie Helmers hinnehmen können? Wie wenig war diese ameri kanische Millionärin doch Menschenkennerin im B?r- gleich mit dieser sonst so skrupellosen Abenteurerin? Und von einem solchen Weibe hatte Fred Baumann sich fesseln lassen? Margot Westling fühlte es wie einen Antrieb in ihrem Hirn, jenen sich vorberei tenden unseligen Bund in letzter Stunde noch zu sprengen, mochte es kosten, was es wollte. Toch dann mußte sie wieder denken, was acht das Alles Dich an? Wie kommst Du dazu, Dich an Fred Bau- mann, den reichen und großen Kaufherrn, heran- zuorängen? Inzwischen hatte Eugenie Soltansky weiter er zählt, wie auch ihr kleiner Sohn von einem in stinktiven Widerwillen gegen den Baron Ketwar er füllt war. Niemals hatte er fich von jenem be rühren lassen, alle mitgebrachten kleinen Geschenks hatten den Sinn des Mndes nicht zu ändern ver mocht. Und nun mußte gerade dieser Mann sich des Knaben bemächtigen? Nur er bracht: das fertig. „Aber Sie wollen es der Behörde nicht anzsi- gen und beweisen?" „Bisher habe ich gezaudert. Aber bleibt mir et was Anderes nicht übrig, dann werde ich auch m«in.» Scheu überwinden." „Wollen Sie mir versprechen, diesen Schritt zu unterlassen, bis ich Sie wieder ausgesucht haben werde?" fragte Margot bittend. „Sie dürfen nnr vollständig vertrauen." „Nun denn ja," war die Antwort, und nnwill- kürlich sanden sich die Hände der beiden Frauen, die eine osfeno Aussprache aus Feindinnen beinah» zu Freundinnen gemacht hatte. «Fortsetzung folgt.) Vermischte Nachrichten. — Tas Kurhaus „Zum Mutige» Rit ter" in Kösen abgebrannt. Am Mittwoch srüh in der fünften Stunde ist das weithin bekannt: Kurhaus „Zum Mutigen Ritter" von Grund auf niedergebrannt. Das alte und das neu: Haus, dec Wintergarten und der große Saal sind völlig vom Feuer zerstört worden. Dis im Erdgeschoß gelege nen Geschäftsläden sind ausgebrannt. Vermutlich ist das Feuer in der Zentralheizung ausgrkommen, die aus Wnnsch der Badegäste angestellt worden war. Die Feuersbrunst griff mit solcher Schnelligkeit um sich, daß Hunderte von Badegästen nur ihr nacktes Leben retten konnten und im Hemd und in Nacht kleidung slüchten mußten. Sie sind im Ritterbad, das dem Kurhausbesitzer Weber ebenfalls gehört, un- tergcbracht worden und werden dem Vernehmen nam sämtlich abreisen, was ein ungeheurer Schaden für das Bad sein dürfte. Durch die Glut des Feuers ist auch das in der Nähe stehende städtisch? Elektri zitätswerk gefährdet, dessen Holzverschalung bereits angekohlt ist. Auch das Haus des Besitzers ist be reits vom Feuer ergriffen. Tie Feuerwehren von Kosen, Schulpforta, Lengefeld und Naumburq, so wie eine Abteilung Naumburger Jäger bemühen sich, des großen Brandes Herr zu werden. — DerCachse als Bursche. Ein sächsisch«, Oberleutnant, der allerdings körperlich nicht gerade eine Größe genannt werden kann, befiehlt beim Verlass«» sei ne» QuartierS seinem gleichfalls sächsischen Burschen: „Gib den Blume» im Zimmer frisch«S Wasser und schneide «ine Hand breit dieStieIe ab!" Bei der Rückkehr fin det er den ob solchrn Befehls immer noch erstaunten Burschen, wie dieser von jedem Bei» der Stühle eine Hand br«it absägt. Befehl ist Befehl! Mriegsallerlei. Verwegene Bergung eines gefallenen Kameraden. Beim Abschlagen eines französischen Angriffes fielen wenige Meter vor dem feindlichen Schützengraben von den vorgeschickten Jägern zwei Leute, die trotz aller Bemühun gen nicht geborgen werden konnten. Dem Reservisten Ar- tur Beck aus Leipzig-Lindenau ließ es keine Ruhe, die Leiche des einen Jägers, die vom Graben aus deutlich sichtbar war, unbeerdigt zu lassen. Nachdem er «inen Abend die Möglichkeiten des Geländes erkundet hatte, machte er sich am nächsten Abend mit dem Reser visten Paul Schneider aus Dresden daran, da« gefährliche Unternehmen zu wagen. Keine Waffen nahmen sie mit, nur eine Zeltbahn und ein längeres Stück Tele phondraht. Die letzten paar hundert Meter mußten sie sich auf dem Bauche kriechend an ihr Ziel heranarbeiten, denn dicht neben der Leiche befand sich ei» französischer Horchposten. Tas allergefährlichste letzte Stück übernahm Beck allein, befestigte den Draht an den Beinen deS Gt- fallenen und kroch vorsichtig zu seine»! Kamerade» rück wärts. Tann begannen beide kriechend den Toten am Draht hinter sich herzuziehen. Von Zeit zu Zeit mußten sie «twaS verschnaufen und lauschten angestrengt in die Finsternis, um zu hören, ob verdächtige Geräusch« beim Feinde «twa andeuten könnten, daß sir bemerkt worden