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Zwei Schwestern. Erzählung von B. von der Lancken. ? (Fortictzung.) (Nachdruck verboten.) uten Morgen, Väterchen, guten Morgen, Herme", mit diesen Worten, frisch wie ein Roschen, trat Kläre Roderich nm andern Morgen in das gemeinschaftliche ! Wohnzimmer, wo auch meist der Kaffee getrunken wurde, weil es einen hübschen, geräumigen, mit Blu men geschmückten Balkon hatte. Die Türen standen offen, die Sonne schien ins Zimmer nnd der Kanarienvogel sang in seinem Käfig. „Guten Morgen, guten Morgen", kam die Antwort von Vater und Schwester. Kläre setzte sich sehr wichtig auf ihren Platz, und als sie ihren Kaffee zubereitet und ihr Brötchen ge strichen hatte, sab sie lächelnd von einem zum andern: und sagte: „Lieb' Väterchen, ich habe dir etwas sehr Erfreuliches mit zuteilen." - „Nun?" Der Sanitütsrat sah von seiner Zeitung auf. „Väterchen, ich habe mich verlobt." „Verlobt?" riefen Vater und Schwe ster wie aus einem Munde. Kläre nickte glücklich lächelnd. „Kläre —" Der alte Sanitütsrat war so be stürzt, daß er nur dies eine Wort, aber anch nnr stockend, bervorstoßen konnte. „Kläre!" rief auch Herme und stellte die Tasse, die sie eben zum Munde führen wollte, wieder hin. — Endlich begann der Sanitätsrat: „Kind, mit solchen Dingen soll man nicht spassen." ,^Aber ich spasse doch gar nicht, Papa, es ist wahr, es ist wirklich wahr." „Unsinn." „Nein, kein Unsinn; es ist Fritz Bremer." Der Sanitätsrat sprang auf und fuhr mit seinen beiden Händen in die spärlichen Haare. „Kind," rief er, „Kind, das ist ja nicht möglich, das ist ja mehr wie ein Nomai:." Kläre lachte unbefangen und sehr lustig. „Nein, Papa, gottlob, es ist Wirk lichkeit. Fritz Bremer und ich sind uns gut und wollen uns heiraten." Hermine sprang jetzt ans die Schwe ster zu. „Bist du wahnsinnig, Kläre? Hast du denn gar kein Gefühl? Den Mann, der vor vier Monaten deine Schwester begehrte, den willst du ! heiraten?" „Was schadet dir das? Du hast ihm ja einen Korb gegeben," erwiderte Kläre. „Laß mir doch mein Glück." „Glück? Tas nennst du Glück, einen Mann zu heiraten, der erst deine Schwester wollte, und nun —" „Und nun mit mir fürlieb nimmt", fiel Kläre fpöttisch ein. „Darum sorge dich nur nicht, das ist meine Sache." Der Samtätsrat hatte sich etwas von seinen: Erstaunen, seinem Schreck erholt, und als praktischer Mann traten ihm die Vorzüge dieser Verbindung in den Vordergrund; wenn er ja in getmsser Beziehung die modernen und etwas nüchternen An schauungen seines jüngsten Töchterchens nicht ganz verstand, so waren ihm die seiner ältesten Tochter wieder etwas zu ideal. Er kannte sich bei feinen Töchtern gar nicht mehr aus, er fühlte nnr dnnkel, daß beide in einer anderen Welt mit ihren An schauungen wurzelten. Tie „Kleine" war fast zu vernünftig — aber gerade deswegen mochte sie besser zu Fritz Bremer passen, und es stand bei'ihm fest, dieser Verbindung nichts in den Weg zu legen, aber er wollte wenigstens nochmal ein ernstes und ein dringliches Wort mit ihr reden. — Mit den: gemütlichen Früh stück war es nun für heute vorbei; nur Kläre ließ sich ihr Brötchen gut schmecken und zeigte die ruhige Heiterkeit einer, die ihr Schiffchen in: ruhigen Hafen hat. Schließlich sah der Samtätsrat und seine älteste Tochter ein, daß an der Tatsache nichts mehr zu ändern sei, und Kläre lief anS Telephon. „Was willst du an: Telephon?" rief Hermine. „Mein Gott , was foll ich wollen? Ich will an Fritz Bremer telephonie ren; daß alles in Ordnung ist." „Telephonieren?" rief Hermine ent setzt. „So etwas, in solcher Sache tele phoniert man doch nicht, da schreibt man." „I wo, schreiben ist so mühsam, nnd nun gar einen Liebesbrief, dies geht doch anch viel schneller, und dann kann er an: Nachmittag zum Kaffee schon hier sein." Hermine gab es auf, durch Vorstel lungen auf Kläre zu wirken, oder ihr „Geist von ihrem Geist" einzublasen, aber sie ließ nicht undeutlich merken, daß Kläre bei ihr au Wertschätzung eine ganz bedeutende Einbuße erlitten hatte; ein Mädchen, das mit zweiundzwanzig Jahren keine Spur von Idealismus hakte, das über die Liebe dachte, wie über ganz Alltägliches, für ein solches Mädchen hatte sie kein Verständnis, und sie meinte, die Schwester sei ibr viel, viel ferner gerückt. — Das Tele phon läutete. „Bitte, verbinden Sie mich mit Ouastendorf, Herrenhaus", tönte Kläres Stimme, dann kam eine kleine Pause und dann börte Hermine wieder die muntere Stimme der Schwester. Sie ging, von seltsamen Gefühlen bewegt, von der Diele ins Zimmer zurück. „Hier Kläre Roderich — Herr Bremer selbst?" „Jawohl; guten Morgen Klärchen." „Guten Morgen, lieber Fritz; alles in Ordnung, Papa ein verstanden. Komm nur heute nachmittag, ja!" „Selbstverständlich! Auf Flügeln der Liebe." „Du bist nußerordeutlich poetisch —" sie lachte. „Na ja, so manchmal ein bißchen, bin glückselig. Grüße alle, lieber Schatz, um vier Uhr bin ich da. Gruß und Kuß." „Ditto — Ditto. Adieu." Schluß. Eine Schwester vom bulgarischen Roten Krenz.