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Da ich einsah, daß ich Wohl oder übel beichten mußt«, fing ich an: „Das mit meinem Hevbsturlaub ist 'ne lange Ge schichte. Im Februar schon fing es an. Da sagte meine Frau zu mir: „Wir müssen uns jetzt bald überlegen, wohin wir reisen wollen, wenn Dein Urlaub da ist!" „Jetzt schon?" gab ich erstaunt und belustigt zugleich zurück, „ich denke, das hat Wohl noch ein halbes Jahr Zeit!" „Nein," widersprach sie sanft, aber energisch, „das ver steht Ihr Männer nicht. Gerade jetzt kann man alle Pro jekte ruhig erwägen." „Schön," antwortete ich. Bei mir aber dachte ich: man mutz scheinbar selbst auf die verrücktesten Frauengrillen ein- gehcn, denn jeder Widerstand verstärkt die Oppofitionslust. Nachher machen wir Männer ja doch, was wir wollen. Aber einige Tage später zeigte meine Frau mir trium phierend ein Buch „Ratgeber für Sommerfrischler", Preis 3,50 Mark. Sie hatte es sich als Eilsache von Leipzig kom men lassen. Nachdem sie eine Woche in dem gewiß sehr lesenswerten Buche studiert hatte, sagte mein Frauchen: „Ich finde, wir gehen an die SeeI Das ist mir das Zuträglichste. Auch für Deine Nerven wäre es am besten." „Meinetwegen," brummte ich. Es war ja erst gegen Ende Februar. Ich hatte gerade meine Schlittschuhe nachge- sohen, weil etwas Frost gekommen war. „Ich brauche dazu nur eine einfache Mütze," fuhr meine Frau fort. „Den Regcnrock, den ich haben müßte, kann ich furchtbar billig bekommen. Denk' mal, für 35 Markl Das darf man sich doch nicht entgehen lassen." Wahrhaftig, meine Frau brachte es fertig und schleifte mich des andern Tages in den Laden mit dem billigen Regen rock. Auch eine „einfache" Mütze kaufte sie (5,50 Mark), dazu einen langen blauen Schleier (2 Mark), ein Paar passende Handschuhe (2,50 Mark), Strandschuhe (5,65 Mark), ein Vadekostüm (12 Mark) und einen „Führer durch die Nordseebäder" (1 Mark). Ich ließ alles ruhig über mich ergehen. Einmal hättest Du doch in den sauren Apfel beißen müssen, dachte ich mir; da ist es besser, wenn man es bald tut. So war es Mitte Mai geworden. Meine Frau hatte den „Führer" genau durchgearbeitct. So genau, daß, wenn es eine Professur für Nordseebäderkunde gäbe, sie unbedingt Lie erste Anwartschaft darauf gehabt hätte. Aber seit einiger Zeit war sie sichtlich etwas zerstreut. Zirweilen ertappte ich sie dabei, wie sie wieder den „Ratgeber für Sommerfrischler" studierte. Ich ließ sie zufrieden, weil ihr das außerordentlich niedlich stand. Als sie eines Abends das Buch zuklappte, ging sie in mein Arbeitszimmer, holte meinen „Dierke und Gäbler, Atlas für Vollanstalten", der sich merkwürdigerweise immer noch in meinem Bücherschrank erhalten hatte, schlug nach vie lem Suchen die Karte auf, die, in zwei Kreisen cingepackt, alle fünf Erdteile zeigt, urrd bat mich mit lieblich ein schmeichelnder Stimme: „Zeig' mir mal den Harz!" „Gern, mein Kind," antwortete ich, „aber da nimmst Du am besten doch Wohl die Karte von Deutschland. Was aber in aller Welt willst Du mit dem Harz?" „Ja, Liebster, die See wird mir doch Wohl nicht bekom men," sagte meine bessere Hälfte, „es ist mir jetzt ganz sicher, daß das einzige für mich der Harz ist. Auch für Dich, mein Schatz. Du mußt auch Höhenluft haben!" Nichtig! Das war ja das Schlagwort aus einem mo dernen Theaterstück, das ihr so riesig imponiert hatte. Höhen luft! l „Aber dann mußt Du ja wieder neue Sachen haben!" warf ich ein. „Gott bewahre!" antwortete mein Frauchen mit der Resignation eines Weibes, das noch nie einen Wunsch geäußert hat, „was seid Ihr Männer doch unpraktisch; höchstens einen Bergstock und ein paar derbe Stiefel brauche ich!" Richtig! Es kam so weit. Meine Frau schleifte mich einige Tage wieder durch die Läden der Stadt. Sie kaufte ein Lodenkostüm (85 Mark), ein schottisches Tuch (8 Mark) — „für die kühlen Abende," sagte sie, „wenn man ohne Jackett geht" — ein Paar derbe Stiefel (18,50 Mark), ein Regencape (16 Mark) und einen „Führer durch den Harz" Herbllurlaud. Humoreske von Fritz Arcus. „Mensch! Alter Junge! Was bummelst Du denn an diesem gesegneten Oktober-Vormittage in der Stadt herum, statt im Bureau zu sitzen und die Post für Ucbcrsee fertig zu machen?" Der mir das zurief, ein lieber Freund von mir, verband seine Frage mit einem energischen Klaps auf meine Schulter, so daß ich bei dieser eigenartigen Begrüßung zusammenzucktc. „Hm!" sagte er weiter, „Du gefällst mir nicht, komm mit. Hier in der Nähe ist eine famose Weinstube." Willenlos ließ ich mich mitschleppen. Als wir das erste Glas über unsere Kennerzunge hatten rieseln lassen, fing mein Freund wieder an: „Also schieß los und beichte! Ir gend etwas ist bei Dir nicht in Ordnung. Warum siehst Du so verärgert, so mißgestimmt aus?" Es half nicht, mein Freund ließ nicht locker, deshalb ant wortete ich: „Ich habe Urlaub!" Diese Zusammenstellung schien ihn derart zu verblüffen, daß er anfangs ganz verdutzt dasaß. Als er seine Sprache wiedergefunden hatte, sagte er: „Du hast Urlaub? Natürlich, Du bist ja immer ein Schlaumeier gewesen und hast den verregneten Sommer abgewartet! Aber bei diesen klaren, schönen Herbsttagen machst Du ein Gesicht, als wenn Du morgen Deine Schwiegermutter zum vierwöchigen Besuch vom Bahnhof abholen sollst? Erkläret mir, Graf Oerindur!" „Papperlapapp, Schwiegermutter," entfuhr es mir, „meine Eheliebste ist reichlich so schlimm!" - „Na, Du, ich will mich nicht in Deine Ehegeheimnisse drängen, aber wenn Du Deine süße Frau derart verdächtigst, muß ich Dich denn doch um eine Erklärung bitten. Als alter Freund darf ich das!" Vie geiiekenen -NSdei. Schauspieler (pathetisch am Aktschluß): „So will ich denn mit dieser elenden Welt abschließen!" Stimme aus dem Publikum: „Aber erst nehmen Sie Ihre schmierigen Stiefel von meinem guten Sofa 'runter!"