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Der falsche Freiherr. Roman von Ludwig Blümcke. lgvrgrtzung.) o sind Sie denn aber mit Ihren Gedanken, Herr Leut nant?" fragte v. Grunow jetzt in dem barschen Ton, in den er, ohne es bös zu meinen, sofort zu verfallen pflegte, wenn ihm etwas nicht recht war. „Ich er laubte mir eben die Frage, wie weit Ihre Arbeit ge diehen sei, die interessante über neue Geschütztechnik?" „Ah, Pardon, Herr Hauptmann, überhörte allerdings Ihre Frage. Ich habe heute erst mit der Hauptarbeit begonnen; be schränkte mich bisher auf Vorstudien." Der Baron ließ sein Monocle fallen und horchte hoch auf. Gern hätte er gesehen, daß der junge Offizier etwas näher auf die Frage eingegangen wäre, aber der schweifte sofort davon ab, redete von allgemeinen Dingen, leerte hastig das zweite Glas Wein, schaute auf die Uhr und erhob sich bald, um wieder zu gehen. Alles Nötigen nutzte nichts. Er schien es wirklich eilig zu haben. Der Baron versicherte ihn beim Abschied noch einmal, sehr erfreut zu sein, seine Bekanntschaft gemacht zu haben, und sprach die Hoffnung aus, ihn öfter in der ,Reichskrone, zu treffen. Herr und Frau v. Grunow gaben ihm das Geleit bis in den Garten; Lili schien nicht da zu sein, was ihm recht schmerzlich war. — Aber dort sah er, als er den Garten verlassen hatte, ihre lichte Ge stalt unter dem Hellen Buchengrün am Ab hang stehen. Sollte er nach dorthin eilen, um sich von ihr zu verabschieden, oder sollte er tun, als hätte er sie nicht gesehen? Warum war sie denn nicht auch, wie sonst, hereinge kommen, warum nicht im Garten geblieben? Wollte sie ihm nicht zum zweitenmal begeg nen? Danach müßte er sie fragen. Er schlug also den längs der Rotdornhecke zum Wall füh renden Steg ein und stand nach wenigen Mi nuten vor Lili, die einen großen Strauß fri scher Maiglöckchen gepflückt hatte uud ihn mit glühenden Wangen und jener Zaghaftigkeit anschaute, die ihn vorhin schon an ihr befrem det hatte. „Aber gnädiges Fräulein, mir scheint, Sie haben vor mir die Flucht ergriffen", kam es gepreßt über seine Lippen. „Sie waren bisher immer zugegen, wenn ich drinnen bei Ihren Eltern saß, und heute —" In ihr glühendes Gesichtchen schoß eine dunkle Blutwelle, und ein seltsames Flimmern und Flirren erschien in den schönen Augen. „Was hätte ich denn da sollen? Sie waren Ihrer drei Herren. Den Baron kenne ich doch noch nicht genauer. Da hielt ich mich für überflüssig. Übrigens glaubte ich, Sie würden bei uns zum Abendbrot bleiben. So früh pflegten Sie doch sonst nicht zu gehen. Ich wäre im Augen blick mit meinen Maiglöckchen zurück gewesen. — Sind sie nicht herrlich? Ich liebe diesen Duft so sehr." Sie löste ein Sträußchen von dem großen Strauß und über reichte es ihm. Dabei berührten sich ihre Hände, und ihn durch rieselte es wie von seligem Schauer, ihm schoß das Blut mit heißen. Ungestüm zum Herzen und es war, als berauschte ihn der Geruch, daß er die Gewalt über seine Sinne völlig verlor. „Ja, sie sind herrlich, sie sind von Ihrer Hand, Fräulein Lili, darum sollen sie mich immerfort an die gütige Spenderin er innern, wann ich sie zu Hause in meinem trostlosen Hmterstübchen vor Augen habe, an die holde Fee im weißen Gewand, an Maien zauber, an einen Traum von goldenem Glück", kam es in über schwenglichem Ton, fast wie Fieberrede, über seine nervös zuckenden Lippen, und dabei erfüllte seine Augen ein so seliger Glanz, als schauten sie wirklich in ein Land voll eitel Sonnenschein und Frühlingswonnen. „Herr Leutnant — ich glaubte nicht, daß sie auch schwärmen könnten", stotterte Lili verlegen. „Ach, Lili, meine süße, süße Lili, das ist kein Schwärmen", suhr er fort, ihre kleine Hand ganz fest an seine Brust, an sein in lautesten Schlägen pochendes Herz drückend. „Ich muß es dir heute gestehen, daß du mein alles bist, daß ich ohne dich nicht sein kann." Und ehe sie es ihm wehren konnte, hatte er sie fest umschlungen, und auf ihren Lippen brannte ein glühender Kuß. „O Lieb, du sollst mein sein in alle Ewig keit! Ich will um dich ringen, ich will unser Glück erkämpfen." Und wieder beugte er sich nieder, ihren Mund zu küssen. Doch sie entwand sich seinen Armen mit sanfter Gewalt und stieß, an allen Gliedern bebend, mit tränenerstickter Stimme aus: „Achim — es darf nicht sein! — Herr Leutnant — ich kenne Sie gar nicht wieder! O, haben Sie doch nur Erbarmen! — Achim, gerade, weil Sie mir etwas gelten, viel, viel mehr gelten als jeder andere Mann auf (Äden, muß ich es Jhneu sagen: Es darf nicht sein, es kann nicht sein. Warum sollen wir nicht ferner als gute Freunde nebeneinander leben, warum verlangen wir, was uns nicht beschie- den ist? Wir sind ohne Vermögen, darum ist doch eine Heirat ausgeschlossen." „Lili, ich weiß das, ich kenne deine Be denken, ich habe mir alles tausendmal über legt. Aber meine Liebe ist stärker als alle Hindernisse, das ist mir in dieser Stunde zur Gewißheit geworden. Und kann ich nicht Of fizier bleiben, so werde ich auch in einem bürgerlichen Beruf meinem Fürsten und Va terlande ein treuer Untertan sein. Wenn du mich nur mit derselben großen Liebe lieben könntest, die mein ganzes Wesen erfüllt, dann müßten auch dir alle Bedenken klein und schwächlich erscheinen." „Achim, bitte, sprich nicht weiter. Mama steht an der Hecke. Siehst du? Ich glaube, sie hat uns beobachtet. — Ach Gott, nun ist das Wort gesprochen. Ich ahnte es, aber ich glaubte, wir wür den beide stark genug sein." Er griff an seine fieberheiße Stirn, holte tief Atem, sah nun ebenfalls eine Dame in Schwarz drüben stehen und wußte im Augenblick nicht, was er sagen sollte. Da reichte ihm Lili ihre weiße Hand, hauchte mit schwacher Stimme: „Lebe wohl!< Laß uns stark sein !" und eilte dann davon. O, wie ichlug ihr das Herz in der jungen Brust, wie pulste Das Johann-Wilhelm-Tentmm in Mül heim am Rhein. (Mit Text.) Phot. Wilh. Matthäus, Cöl» a. Rh.