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> 7 8 Und geht es ins Verderben hinein — einer ganzen Welt zum Trotz! -- Sie mußte sein werden. Mit ihr in die Hölle! Zuweilen sah er dann alles im rosigsten Lichte. Es war ihm, als ob sich dre Zukunftsfrage spielend leicht löste. Wenn der Iustizrat.sein Versprechen erfüllte und alles tat, um eine gericht- liche Nachuntersuchung abzuwenden, wenn von dort aus keine Schwierigkeiten zu erwarten waren, so entwirrte sich alles höchst einfach. Dann zog er mit Karla, nachdem sie ihre völlige Ge nesung abgewartet hatte, weit fort in irgendein paradiesisches Land und lebte mit ihr fortan nur seiner Liebe. Bei dem letzten Gedanken jedoch umdüsterte sich seine Stirn wieder schwer. Wenn sie nun nicht genas? Wenn der Arzt mit seiner ausgesprochenen Befürchtung recht behielt? Er mochte den Gedanken nicht zu Ende denken. Das war, als ob in seinem, Leben die Sonne unterging. Das war der Tod in der schlimmsten Form — nicht der Tod, der uns wegführt aus dem Lande der Lebendigen, sondern der Tod aller Freude, der Tod alles dessen, was das Leben süß und lebenswert macht. hatte die Kameraden anläßlich seiner Verlobung mit der Aus- erwühlten seines Herzens, deren Herr Papa als der begütertste Mann im Orte galt, zu einer Bowle eingeladen. Rittmeister von Plessen hielt eine seiner berühmten Reden, die er immer erst von: Stapel ließ, wenn er die Kehle gehörig „eingeölt" hatte. Im gewöhnlichen Leben war er ein wortkarger Mensch. „Meine verehrten Herren Kameraden! Zu einer ge deihlichen Ehe gehören zwei wichtige Faktoren —" „Jawohl, ein Mann und ein Weib!" „Bitte, unterbrechen Sie mich nicht! Zu einer gedeihlichen Ehe gehören zwei wichtige Faktoren, nämlich die Liebe und das Jeld. Ich stelle die Liebe voran, weil ich ein Idealist bin, wie Sie alle wissen —" „Na, na!" „Wäre ich Materialist, würde ich sagen: das Jeld und die Liebe. Darum, wenn ein unsteter und flüchtiger Lunggesell auf Erden die Einsamkeit satt kriegt und sich nach Flitterwochen sehnt, soll er achtgeben, daß ihm weder das eine abgeht noch das andere, weder die Liebe noch das Jeld. Eine neue Art von Wohnhäusern in Paris. (Mit Text.) Mund in sonderbarer Verzerrung, und die Glieder bewegten sich Bravo!" Denn: was ist die Liebs? Ein Sehen Sie selbst!" Mit hämmerndem Her zen trat der Rittmeister an Karlas Lager. Sie lag im ganzen wie sonst, doch hatte sie jetzt die Augen weit geöffnet. Aber die schönen Sterne blickten ausdrucks los ins Leere, in weite, Raufen poetischer Gefühle, eine krankhafte Schwellung des Herzmuskels, Schlag sahne und Mondschein. Was ist das Jeld?" — Oberst von Reichenbach wandte sich leise an seinen Nachbar, den Major von Wackernagel. „Lassen wir den guten Rittmeister reden. Unter einer Viertelstunde tut er's nicht. Geht er nicht auch auf Freiersfüßen?" „Er ging, Herr Oberst. Er soll sich einen zierlichen Korb gebolt haben. Aber wo bleibt Rittmeister von der Borcht? Er macht sich seit einiger Zeit sehr rar." Des Obersten Stirn ver dunkelte sich. „Wissen Sie, was geredet wird, Herr Oberst? Der Rittmeister sei seit einiger Zeit stark in Anspruch ge nommen durch Minnedienst. Er macht geheimnisvolle Reisen —" „Darf man Näheres wis sen?" „Kennen Herr Oberst die Nur das nicht! — Nur das eine nicht! Tag für Tag war er in Karlas Wohnung. Eine Krisis schien sich vorzubereiten. Karla von Haakes körper licher Zustand besserte sich. Aber des behandelnden — Arztes Züge erhellten sich doch nicht. „Ich muß sie auf etwas Schweres vorbereiten, lie ber Herr Rittmeister," sagte er eines Tages zu Franz Eginhart, „es ist möglich, daß nach meiner Erfahrung eine seelische Störung, ein geistiger Defekt zurückblei ben, wird —" Franz Eginhart schrie auf. „Geisteskrank? Irre? Barmherziger Gott!" „Ohne Frage hat chr Geist gelitten. Ob der Zu stand , der sich vorbereitet oder schon vorhanden ist, von Dauer oder nur vor übergehend sein wird, läßt sich natürlich nicht sagen. lichen Fäden fester knüpft. Sie ist nämlich seine Kusine. Eine Schönheit ersten Ranges, und die nötigen Däuser dazu. Die Liebe und das Jeld!" „Freifrau von Haake?" antwortete von Reichenbach. „Der Name klingt mir bekannt. War da nicht kürzlich 'ne besondere Geschichte?" automatisch und zwecklos. Franz Eginhart wendete sich erschüttert ab. „Doktor — um des Himmels willen — ist denn die Wissen schaft machtlos gegen dies Schreckliche?" Der Arzt zuckte die Achseln. ..Natürlich nicht. Ich werde alles tun, was möglich ist. Das beste haben wir von der Zeit zu erwarten und von der Ruhe. Geist und Verständnis der Umgebung können langsam wieder- kehren." „Und wenn sie es nicht tun ?" „Man muß nie den Mut verlieren. Ihnen bleibt die Hoff nung, daß Ihre Braut dennoch genesen wird. Sie hat eine sehr starke und gesunde Körperkonstitution, sonst würde sie die Krank heit bis so weit kaum überstanden haben. Mut und Hoffnung!" Stundenlang saß der Rittmeister, ängstlich forschend, ob keme Veränderung eintrete. Er rief Karlo mit den zärtlichsten Namen, er beugte sich über sie und berührte leise ihre Lippen. Einmal war es ihm, als ob ihn ein verständnisvoller Strahl aus ihrem Auge träfe, aber es wW doch wohl nur Schein gewesen. Wie ein schönes Marmorbild lag sie da, ein Körper ohne Seele, ein Organismus ohne fühlende und denkende Kräfte. Spät reiste der Rittmeister zurück. In der Nacht, die diesem Tage folgte, verlebte er wohl die schwersten und düstersten Stunden seines Daseins. Im Ofsizierskasino des Dragonerregiments war am selbigen Abend ein außerordentliches Leben. Oberleutnant von Mieritz „Herr Oberst haben ganz recht. Vielleicht lasen Herr Oberst in der Zeitung darüber." Er erzählte, was er wußte. Frau von Haake sei die Erbin eines immensen Vermögens, nämlich der von Löserschen Güter. Das Testament sei allerdings eigentümlich abgesagt gewesen, und ein Zeitraum von wenigen Stunden habe über die Erbschaft entschieden. Der Oberst erinnerte sich jetzt wieder. „Ja, da begreife ich allerdings nicht —", begann er, brach aber gleich ab. „Was meinen Herr Oberst?" Die Antwort blieb aus. Alle erhoben sich, um dem jungen Bräutigam, der das Fest gab, Glück zu wünschen und mit ihm anzustoßen. Von schallendem Gelächter zuweilen unterbrochen, hatte Rittmeister von Plessen seine Rede glücklich zu Eude ge führt. Er setzte sich zufrieden und trank den Rest aus seinem Glase. „Sagen Sie mal," begann Oberst von Reichenbach wieder, „Sie sind doch von der Borchts Intimus, lieber Major. Könnten Sie ihm nicht 'n bißchen auf den Zahn fühlen? Er hat da neulich 'ne ganz verschrobene Idee entwickelt. Werde nicht mehr recht klug aus ihm." „Sein Intimus, Herr Oberst? Nein, da sind Herr Oberst Freifrau Karla von Haake? imaginäre Fernen. Die Worte, mit denen sie angeredet wurde, > Superbes Weib übrigens, ich sah sie früher einmal, als ihr Mann schien sie nicht zu hören. Zuweilen zuckte es um den schönen noch lebte. Na ja, kein Wunder, daß er da die Verwandtschaft-