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Oer Himmelfakrtsstrauh. Von Käthe Lubowski. Wenn sonst der Oberleutnant a. D. und jetzige Ritter gutsbesitzer Kelchtal in der alten Garnison seinen Freund, den Hauptmann Stadtfried, besuchte, dann fragte er, nachdem er genugsam von seinem jungen Weib und dem Stammhalter geredet, nach dem Dienst, den Pferden, und der neuen Ober herrlichkeit des Regiments. Heute aber sagte er nichts dergleichen! Er sah starr an dem Freunde vorbei, rieb das Kinn und meinte so ganz obenhin: „Hast Du Himmelfahrt schon was UngMtkNcke Professor (die Abschiedsrede an seine Abiturienten schließend):. „Da Sie jetzt hinaus in das akademische Leben treten, so hüten Sie sich vor Saufgesellschaften; Bierlrinken macht dumm. Denken Sie an mich!" vor? Wir wollten Dich nämlich zu uns bitten. Am liebsten für den ganzen Tag ..." Olaf Stadtfried lächelte melancholisch. „Was sollte ich Wohl vorhaben? — Ich komme na türlich sehr gern." Der andere zögerte ein Weilchen. „Du, Stadtfried, wir werden aber nicht allein sein." „Das sind wir — so viel ich weiß — auch sonst niemals bei Euch gewesen." „Aber diesmal ist es ein ganz besonderer Gast." „Soo . . . wer denn?" „Little Daisy." „Kenne ich nicht, alter Junge." „Denke mal nach! — Hat meine Frau Dir nicht oft genug von ihrer liebsten Freundin erzählt, mit der sie in Lausanne zusammen in Pension gewesen?" „Ich glaube doch Wohl." „Na, siehst Du, ... die ist es! — Sie will Himmelfahrt bereits da sein und um ihretwillen muß ich heute ein paar ernste Worte mit Dir reden." „Darum . . . aber ich begreife Dich wirklich nicht." „Und es ist doch so einfach! — Little Daisy muh sich ihre Million allein verwalten, weil sie Waise ist. Das mag ihr oft genug recht schwer werden, denn meine Frau sagt, daß sie alles Glänzende haßt. — Gott, Stadtfricd. toas soll ich noch länger um den heißen Brei rumgehen. Löffel rin — und denn feste losgefuttert. Meine Frau hat ihr einfach von Dir geschrieben — von Deinen vier Brüdern — von Eurem alten verlotterten Stammgut, das auf Dich, als den Aeltesten, nun lange genug gewartet hat — von Deiner Einfachheit und der lächerlichen Verdrehtheit, die Dich bisher vor jeder Erbin bewahrt hat . . . Kurz . . .wir haben durch blicken lassen, daß Ihr beide vortrefflich zu einander passen würdet. „Und sie kommt doch?" „Jaivohl — denn ich sage Dir, sie hat reiche Erfahrun gen in dieser Hinsicht gesammelt. Ich glaube, meine bessere Hälfte, die Maxe. sagt, — fünfundzwanzig Anträge fielen auf das Vierteljahr. Das hat sie nun dick! Aber heiraten will sie trotzdem. — Und wenn Tu ihr gefällst und sic Dir, dann ist sie gar nicht abgeneigt." Der jugendliche Hauptmann stöhnte auf. „Daß man so arm sein muß und dabei solche tiefe, heihe Liebe für die alte Scholle, die doch Vater und Mutter frühzeitig unter die Erde gegrämt hat, empfinden . . ." „Warum muhte das aber so sein, Stadtfried? — Weil kein Betriebskapital da war. Halte mal erst was Sicheres in der Hand — wirtschafte rationell — sieh und begreife, wie alles ansblüht und erstarkt — dann wirst Du auch Dank wissen." Olaf Stadtfried machte sein verschlossenstes Gesicht. „Und gerade Himmelfahrt soll ich ihr präsentiert wer den? — Just am Hochzeitstage meiner verstorbenen Eltern. Ich fürchte, das läßt mich noch vorher eine Dummheit bc: . gehen." „Du bist doch durch Dein bloßes Erscheinen noch nicht gebunden, Mensch! Ihr sollt beide ernsthaft überlegen und abwägen. Das ist ehrlich und gerecht, meine ich! — Ihr werdet die Augen beide gleich offen halten. ..." „Ich schäme mich des Handels ..." Der Freund brauste aus. „Das ist doch kein Handel . . . wenn man eine Ge legenheit gibt, eine ordentliche Zukunft aufzubauen? — Nicht nur die Deine, sondern auch die Deiner Brüder, die noch nicht fest im Sattel sitzen. Daran denke." lieber das ernste Gesicht lief plötzlich ein Zucken. „Gut . . . ich werde kommen! — Laß mich aber nicht in Deinem Prachtwagen abholen. Ich nehme den Krümper wagen. Es ist mir lieber so!" — —- Seitdem hatte Hauptmann Stadtfried unruhige Tage und Nächte. Sein Herz bäumte sich auf — seine Träume von Liebe und Ehe jammerten leise. — Dann aber, als der alte Administrator die Lage des Stammgutes als recht verzweifelt schilderte — — als der jüngste Bruder um die Erlaubnis rang, gleich ihm, des Königs Rock in dem alten Regiment zu tragen ... da sargte er still die goldenen Träume ein. Er wollte ehrlich prüfen und wenn es irgend ginge und auch sie nicht abgeneigt wäre — zugreifcn! Am Nachmittag vor der Himmelfahrt stand er in dem einzigen Blumenladen der kleinen Garnison, um einen Strauß Maiglöckchen zu bestellen. Es gab aber nur Rosen und Nelken und wenige geile, künstlich getriebene Maiblüten zu kaufen. — All diese Blumen aber mochte er nicht. Der Frau Les Freundes konnte er vielleicht von diesen blassen Teerosen bringen — aber die kleine Ausländerin muhte einen echten deutschen Himmelfahrtsstrauh von kraft vollen, schneeweihen Maiblumen haben, wie ihn seine tote Mutter liebte. „In der Försterei gibt eS schöne Maiblumen," sagte die junge Gärtnersfrau nach kurzem Besinnen. „Wenn Herr Hauptmann da mal nachfragen wollten." „In der Waldförsterei bei Stäubers, wo man im Som mer zu Kaffee und Pfannkuchen hingcht?" „Ja dort! Zwar ist die Försterin selten daheim. Aber das tut nichts. Eine ihrer vielen Nichten — die Pastors- tochtcr oder die Kaufmannsmädels — sind immer auf Besuch im Wald." Einen Augenblick überlegte Hauptmann Stadtfried, ob er es tun sollte. Weil die Sonne gar so verlockend lachte und der ferne Wald so vertraulich winkte, entschloß er sich endlich zu dem kurzen Spaziergang.