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Sächsischer Landes-Anzeiger : 14.08.1891
- Erscheinungsdatum
- 1891-08-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-189108145
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18910814
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18910814
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsischer Landes-Anzeiger
-
Jahr
1891
-
Monat
1891-08
- Tag 1891-08-14
-
Monat
1891-08
-
Jahr
1891
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 14.08.1891
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Mage Mi (Chemnitzer General-Anzeiger). Freitag, 14. August 1891. — Verlag: vlexander Wiede i» «henmitz. — Nr. 187. — 11. Jahrgang. Die Hand der Erbin. Original «Roman von O. Rein hold. (Fortsetzung.) Nachdruck Verbote». „Sie kämpfte mit sich selber, ob sie ihn zurückhalten oder ihn gehen lassen sollte; aber als sie nicht mehr zweifeln konnte, daß es wirklich seine Absicht sei, sich zu entfernen, rief sie ihn noch einmal mit leiser Stimme an: „Verweilen Sie noch eine» Augenblick, Herr Berthold, und zürnen Sie mir nicht, wenn meine Worte hart nnd verletzend klangen! Es ist nicht meine Absicht, Ihnen wehe zn thnn. Aber ich muß Ihne» «och eine Bitte aussprechen, eine aufrichtige und herzliche Bitte!" „Ich errathe dieselbe, Fräulein Engelhardt," sagte er bitter. „Sie wünschen, daß diese Szene sich nicht noch einmal wiederholen möge; Sie wollen von mir fordern, dafür zn sorgen, daß unsere Wege sich nicht abermals begegnen!7 ,,Ja," erwiderte sie offen, „etwas Aehnliches war es, um da- ich Sie ersuchen wollte; aber nach der Theilnahme, welche Sie mir .heute bewiesen haben, hätte ich nicht den Muth, ei» derartiges Ansinnen an Sie zu stellen, wenn ich Sie nicht zugleich über meine Zukunft vollkommen beruhigen könnte. Ich werde niemals die Gattin des Freiherrn von Lottendorf werden!" Das klang so fest und bestimmt und doch so ohne allen Pathos, wie etivas längst Feststehendes, Selbstverständliches, so daß er ganz betroffen die Hand von de», Thürdrücker sinken ließ und in wortloser Verwunderung auf ihr Antlitz blickte. ; Helene aber fuhr rasch und mit derselben Gelassenheit fort: „Den Bemühungen des Freiherr» verdanke ich nicht nur mein Vermögen, sondern ich bin ihm auch in anderer Hinsicht so viel Er« kenntlichkeit schuldig, daß ich jedes Mittel ergreifen mußte, welches ,nir gestattete, ihm meine Dankbarkeit nbzntrage». Als ich erfuhr, daß er in großer Bcdrängniß sei, durfte ich mich nicht bedenken, ihn mit alle» mir z» Gebote stehenden Hilfsmittel» ans derselben zu be freie». Vielleicht hätte ich es mir freilich erspare» können, seine» An trag anzunehmeu, vielleicht hätte sich auch ohne dieses Opfer eine Möglichkeit gesunden, ihn zur Annahme meines Geldes zu veran lassen; aber ich war damals nicht im Stande, alle Dinge mit ge nügender Klarheit abznwägen, und es fehlte mir an einem Nathgeber, zu dem ich mit vollem Vertrauen hätte cmporsehe» können. Genug, ich willigte in unser Vcrhältniß, um ihn zu retten —" - Berthold war kaum noch im Stande, sich zu beherrschen, er wollte sie heftig unterbrechen; aber sie wehrte ihm mit einer ernsten Handbewegnng »nd fuhr fort: „Ich willigte ein, und ich halte mich allezeit an dieses Verspreche» als gebunden erachtet, wenn ihm selbst an der Erfüllung desselben etwas gelegen gewesen wäre. Aber ich erkannte bald, daß das nicht der Fall sei. Es bedurfte nicht erst solcher Mittheilnngeu, wie ich sie tebjni auS Ihrem Munde vernehmen mußte, um mich von dem wahren Charakter und de» eigentlichen Absichten meines Verlobten in Kennt- «iß zn setzen und um mich davon zu überzeugen, einen wie geringen Anlheil die Neigung für mich an seiner Werbung gehabt. Ich weiß auch mit vollster Bestimmtheit, was nun weiter geschehen muß und geschehen/ wird. Ohne den gegenwärtigen Stand meines Besitzthums zu keimen, weiß ich doch, daß dasselbe bereit» auf eine» verhältniß- ruäßiss geringfügige» Rest zusanimengeschniolzen ist und daß der Frei heit bei seinen Lebensgeivohnheiten und bei den Ansprüchen, welche kv an das Dasein stellt, gar nicht mehr daran denken kann, sich mit mir zn vermählen. Er würde es wahrscheinlich als eine Befreiung ds» schwerer Last begrüßen, wenn ich unser Verlöbnis; lösen wollte; aber ich habe bisher mit der Ausführung dieses Entschlusses gezögert, Weil er» wie es scheint, sehr dringend auch noch derjenigen Summe bedarf, welche sich zur Zeit in seinen Händen befindet, und weil ich für meine Erklärung den Zeitpunkt abwarteu wollte, an welchem ich annehmen könnte, daß er auch damit zu Ende sei!" „O, Helene, Du großes, goldenes Herz!" rief Berthold, der, seiner Bewegung nicht länger mächtig, vor ihr niedergesunke» war «nd ihre Hand ergriffe» hatte, um sie an seine Lippen zn ziehe». '„Aber das ist kein Eoelmuth mehr, das ist sträfliche Preisgebnng Deiner eigenen Person! Was auch immer jener Nichtswürdige für Dich gelhau haben mag, eS ist keine», andren Beweggründe als niedriger Berechnung und Habgier entsprungen, und hundertfach ist es schon bezahlt durch das» was Du ihm bereits geopfert! Niemals aber werde ich zngebcn, daß Dich der Elende vollends zur Bettlerin wache, um Dich dann von sich zu werfen — niemals! Eher würde ich ihn mit diese» meinen Hände» erwürgen — und ihn —" ! Er konnte den Satz nicht vollenden; denn Helene hatte einen leisen Schrei ausgestoßen und ihn, ihre Hand entzogen, während eine dunkle Röthe Plötzlich ihre Wangen übergoß und ihre Atzgen sich mit seltsamem Ausdrucke über ihn hinweg auf die Thüre des Zimmers richteten. » Berthold sprang ans und drehte sich ebenfalls »m. t Da sah er denn allerdings, daß ihr Erschrecke» nicht ganz grundlos gewesen war; denn in der geräuschlos geöffnete» Thüre stand kein Anderer als der Mann, dessen Persönlichkeit bisher der einzige Gegenstand ihrer Unterhaltung gewesen war — als der junge Freiherr von Lottendorf. , Sein hübsches Gesicht hatte einen höhnischen Ausdruck angenommen, der eS in diesem Augenblicke.geradezu widerwärtig erscheinen ließ, «nd eine kleine Weile weidete er sich an dem betroffenen Schweigen der beiden Ucberraschten, das er für eine Aeiißernng der höchsten Furcht und Bestürzung »ahm. Das junge Dienstmädchen, welches ihm geöffnet, hatte ihm un bedenklich mitgetheilt, daß seit geraumer Zeit ein anderer Herr )n dem Zimmer des Fräuleins sei; den» »och niemals hatte sie im Aufträge Helenens irgend Jemand eine Unwahrheit sage» müssen. Da seine Verlobte sonst nie die Besuche von Herren empfing, so hatte es für den jungen Rechtsanwalt keiner besonders scharf sinnigen Combination bedurft, m» ihn errathe» zu lassen, wer heute der Besucher sei, und blitzschnell war ihm der Entschluß gekommen, dieses zufällige Zusammentreffen nach Kräften zu seine», Vortheile gusznbeuten. Auch brauchte er sich nicht gerade zu verstellen, um den Be- leidigten z» spiele»; denn der Gedanke, diesen Maschinenbauer, der jn jeder Hinsicht so weit unter ihm stand, noch immer als einen ganz ernsthafte» Rivalen betrachten zu müssen, war so verletzend für seine Eitelkeit und sei» Selbstgefühl, daß er den sehr lebhaften Wunsch empfand, dem jungen Manne durch die That zn beweisen, wie wenig geralhen eS sei, einen Freiherrn von Lottendorf in seiner Ehre zu kränken. > Da» erste Wort, da» er ihm und Helene entgegenschleuderte, Har denn auch eine Beschimpfung der schwersten Art, und Berthold, Hör dessen Augen es wie ein blutrother Nebel emporstieg, wäre ohne Zweifel sogleich auf ihn loSgestürzt, wen» nicht Helene mit Hoheit« volle». Ernste dazwischen getreten wäre und den Freiherrn aufgefordert hätte, ohne Säumen ihr Zimmer zu verlassen. „Die feige Beschimpfung, welche Sie mir da anzuthun wagten,* erklärte sie mit dem Ausdrucke unverhohlener Verachtung, „enthebt mich selbstverständlich aller weiteren Verpflichtungen gegen Sie! Sie werden meine Wohnung nicht wieder betrete»! Sollten Sie es für wünschenswerth erachte», mir »och irgend welche Mittheilnngeu zu mache», so werde ich dieselben in schriftlicher Form in Empfang nehme», und ans dem nämliche» Wege sollen Sie auch erfahre», Wa ich Ihnen noch zu sagen habe! Für jetzt aber muß ich auf alle weiteren Erörterungen verzichten!" Todtenblaß war der Freiherr um einige Schritt« zurückgetaumclt. Er halte ihr als Richter gegenübertreten wollen, um in hohe» Worten Rechenschaft für seine beleidigte Ehre zu fordern, und nun hatte sie ohne jedes Anzeichen von Niedergeschlagenheit und Schuld- bewnßtsein die Spitze des Schwerte- gegen seine eigene Brust ge wendet und hatte ihn verabschiedet wie eine» Knecht, den man seines Dienstes entläßt, ohne ihm auch nur daS Recht der Widerrede ein- ziiräume». Darauf war er nicht gefaßt gewesen, und dagegen fehlte ihm unter dem drückenden Bewußtsein seiner gegen Helene begangenen Schuld jegliche Waffe. Und sei» Ingrimm wuchs, als er sehen »iiißle, welch einen dank bare» und zugleich innig bittenden Blick sie auf seinen Beleidiger richtete — wie sie demselben die Hand reichte nnd ihm sogar ge stattete, dieselbe an seine Lippen zu führen. Mit einer wüthende» Verwünschung stürzte der Doctor hinaus Aber al» er die Stufen der Treppe hinabgeeilt war, als ihm die frische Luft der Straße in's Besicht schlug, kam ihm doch zum Bewußtsein, wie thörichl und unvorsichtig er sich da be nomine» habe. Er war in der That nahe daran gewesen» einen der kostbarsten Trümpfe, welche ihm der Zufall »nr immer hätte in die Hand gebe» könne», ungenützt zu vergeuden, und er mußte nun seine ganze Energie und all seinen Scharssinn zusammennehme», um wieder gut zu mache», was er da gefehlt hatte. lleberlegcnd blieb er vor der Thüre des Hauses stehen, und eS zuckte eigenthümlich in seine», Antlitze ans, als er den Schritt seines Feindes hinter sich auf der Stiege vernahm. Daß er es sich und seinem Namen vor Allem schuldig sei, von Berthold Rechenschaft zu fordern, unterlag ihm ja keine», Zweifel, obwohl er im Grunde seines Herzen» überzeugt war, daß ein wirk- liches Verschulden die beiden jungen Leute nicht treffe. Die Unterhaltung, welche er mit dem ehemaligen Verlobten seiner Braut führte, war — wie eS -schon die Umstände mit sich brachten — sehr kurz. „Sie haben mich beleidigt," sagte er, „tödtlich beleidigt, und ich würde, wenn Sie salissactionsfähig wäre», nach ritterlichem Branche von Ihnen Gennglhnung verlangen — ja, ich würde mich über die Frage der Ebenbürtigkeit vielleicht sogar hinwegsetzcn könne», wen» Sie »nr im Stande wären, eine Waffe zu führen! WaS aber soll ich „nn eine», Menschen gegenüber beginne», für den ich kein anderes Znchtigungsmittel besitze als etwa meine Reitpeitsche?" „Genug, mein Herr!" fiel Berthold ein, und auch ans seine», düstere» Blicke loderte ein tiefer, ingrimmiger Haß. „So sehr ich sonst auch jene lächerliche», aus Hochmnth und Rohheit zusammen gesetzte» Duellgcbränche verachte, welche Ihre Staudesgenosseii als ei» besonderes Vorrecht für sich in Anspruch zn nehmen pflegen, so vollständig hat mich doch diese Stnnde überzeugt, daß cs in der That in gewissen Fällen kan», ein anderes Anshilfsmittel giebt. Was nun meine Satisfactivnsfähigkeit anbetrifft» so glaube ich Sie auch darüber inigermaßen beruhigen zn können. Es kommt ja für die Beurtheil- ung derselben — wenn ich nicht irre — zumeist ans die gesellschaft liche Stellung an, und wenn sich die iminige auch nicht entfernt mit de», Range messen kan», welchen Sie selbst ans der sociale» Stufen leiter einnchmen, so setzen Sie sich doch über kleine Bedenken viel leicht mit Rücksicht darauf hinweg, daß auch Ihre eigene Fähigkeit, einen, Ehrcumanne mit der Waffe Genngthnnng zu geben, aus ver schiedenen Gründe» anderer Art stark angezweifelt werde» konnte!" Der Freiherr biß sich auf die Lippen; aber er antwortete nicht, so daß sei» Widersacher »ach einer kleinen Panse fortfahre» konnte: „Ich bin der Mitbesitzer einer größeren Maschinenfabrik und ein unbescholtener Man»! Da ich Soldat gewesen bin nnd mich von jeher mit Vorliebe in den Waffen geübt habe, kann ich Ihnen getrost die Bestimmung derselben überlasse». Mir ist eine jede genehm, und ich hoffe zuversichtlich, daß Sie keine Veranlassung haben werden, sich über mangelnde Geschicklichkeit meinerseits z» betlagen!" Mit gerunzelter Stirn erklärte der Freiherr, daß er unter diesen Umständen trotz der noch immer sortbestehenden Bedenklichkeiten bereit sei, den Zweikampf anzniiehnien. Er ließ sich die Wohnung Berthold's neunen und ersuchte ihn, den Zeugen zn erwarten, welchen er innerhalb weniger Stunden z» ihm senden werde. An der nächsten Straßenecke gingen sie mit einem kühlen, höfliche» Gruße »ach verschiedenen Richtungen auseinander. XI, Unmittelbar nach dem Weggange der beiden Männer, die einen so verhängnißvollen Einfluß auf die Gestaltung ihres Lebensschicksales ausgeübt hatten, empfing Helene durch die Stadtpost ein Billet, dessen altmodisch verschnörkelte Schriftzüge kaum zn entziffern waren, so gewaltig schien die Hand des Urhebers dabei gezittert zu haben. Sie warf das Briefchen „„eröffnet auf den Tisch; denn sic befand sich »ach den letzten Ereignisse» begreiflicherweise in einer furchtbaren Aufregung, daß ihr alle anderen Dinge gleichgiltig nnd bedeutungslos erschienen. Jn eine wie bejammernswerthe Lage halte diese unselige Erb schaft sie nun gebracht, und wie sehr verwünschte sie die Stunde, in welcher sie die erste Kunde von derselben erhalten! Wenn eS auch mit unumstößlicher Gewißheit in ihrem Herzen feststand, daß das „»natürliche und innerlich unwahre Verhältniß zn ihre», unwürdigen Verlobten nunmehr unter allen Umständen ein Ende habe» müsse, so war sie doch in Bezug auf die Wahl der Mittel ganz rathlos, und sie beklagte mit bitteren Thränen, keine:, einzigen Freund zu haben, an dessen Hand sie einen Ausweg ans de», traurigen Wirrsale hätte finde» können, welches sie umgab. Ihre brave Pflegemutter konnte hier ja leider nicht i». Ent ferntesten in Betracht kommen; denn so gut und redlich es auch die wackere Frau mit ihr meinte, so vollständig fehlte ihr doch diejenige Urtheilsschärfe und Lebenserfahrung, deren es bedurft hätte, »>» Helenen jetzt einen wirklich heilsamen Rath zu gebe». Hatte doch da» bedauernswerthe junge Mädchen mit de» bis herigen Rathschlägen der alte» Dame nur recht betrübende Erfahrungen machen müsse», und verdankte sie doch ihrer Folgsamkeit gegen ff» einen nicht geringen Theil ihres Unglücke»! War es ein Zufall oder ein, gewisse instinclive Regung — genug, immer wieder kehrten die trübe» Blicke Helenens zu dem Briefchen mit den altmodischen und unsicheren Schristzüge» zurück, und endlich nahm sie eS halb mechanisch in die Hand, ui» sich von der Person seines Absender» und von seinem Inhalte zu überzeugen. Z» ihrer grenzenlosen Ueberraschung las sie da in wenige», krumm und unregelmäßig hingeworfenen Zeilen: „Ich weiß, daß Sie eines Freundes nnd eine» wohlgemeinte» uneigennützige» NatheS bedürfen. Ich hatte gehofft, daß Sie sich meiner schon früher erinnern würden; aber da es nicht geschehe» ist, so biete ich selber Ihnen meinen Beistand an. Weisen Sie denselben nicht zurück; den» ich weiß gewiß, daß Sie jetzt keinen anderen, wenigstens keinen besserge,»einten, finden werden! Meine Wohnung finden Sie »nten verzeichnet — ich werde für Sie immer zu Hanse sein: aber ich bitte Sie in Ihre», eigenen Interesse, Ihren Besuch nicht mehr lange hinanszuschieben. Ihr aufrichtiger Freund Balthasar Rege» steiner.* lForlfetzung folg« ) Reuvettretende»« Abonnent««» wird der bereit- er« schienen« Theil dieses Romans kostenfrei übermittelt. Das „optische" Schießen. Ueber eine neue Art des Schießen» an Bord von Panzerschiffe« welche als „optisches Schießen" bezeichnet wird, berichtet „Im b'raiivs müibairo" nach dem „Militärwochenblatt" in nachstehender Weise: „Im Verfolg der günstige» Erfahrungen, welche die mit den, Dir opticus an Bord der Panzerschiffe „Hvche" und „Courbet" a»ge« stellte» Versuche ergeben haben, hat der Minister angeordnet, daß dem Erfinder, de», Fregattencapitän Bonn«, de Freyssaix, ein Schiff unter stellt werden soll, damit er auf demselbc» an alle» zur Geschützauf stellung benutzten Orte» vollständige Mlistereinrichtlittgen für die Ausführ ung der von ihm vorgeschlageneuZielweise trifft. Das optische Schießen ist eine Entdeckung, welche, wem, man ihre», Urheber Glauben schenken darf, für die nationale Vertheidigung von höchstem Nutzen sein und in unberechenbarem Maße »nd unverzüglich die Stärke der Artillerie und folglich den Werth der Schisse wie der Battcrieen für Kriegszwecke ver mehren wird. Der Vorgang besieht darin, daß inan durch eine Oeffnung von 10 Centlinetcr» zielt und auf diese Weise sowohl der gesämmte» Bedienungsmannschaft hinter den Schirmblcndungen vollständigen Schutz bietet, als auch den. Schaffe eine mathematische Genauigkeit sichert. Der ungeübteste Richtkanonier kann ohne jegliche Vorübung beim ersten Male vollständige Treffsicherheit erzielen. Jeder Schuß trifft das Ziel; ein Taste», um zu dem gewünschten Ergebnisse zn gelangen, findet in Zukunft nicht mehr statt. Das optische Schieße» besteht einfach darin, daß das Zielbild auf einen Centralpunkt, näm lich eine hinter dem Geschütze befindliche weiße Wand übertragen wird» welche der Richtende ganz »ach seinem Gefallen betrachtet. Die bevor stehende Nutzbarmachung der Entdeckung eine» unserer besten See- Ossiciere wird in de» Jahrbüchern der Artillerie Aufsehen mache,,." lieber denselben Gegenstand schreibt ,1/^vsnir inilitürrs*: „Im letzten Zeitabschnitte seiner Hebungen hat das Mittclmeer- geschwäder die Versuche mit dem vom Fregattencapitän de Freyssaix vorgeschlagencn optischen Schießen mit großem Erfolge wieder aus genommen. Scho» die erste» Erprobungen, welche unter Aufsicht des früheren Conimandanten der Loola äs OunnoiiaKö, Contreadmiral Baron Alquicr, an Bord des „Dngnesclin" angestellt wurde», hattet« einen solche» ergeben. Derselbe wurde durch neue Versuche bestätigt» welche unter Leitung des Conlreadmirals des Essalts auf de», „Hoche* tattfande», und noch glänzender fielen die letzthin an Bord de» „Courbet" unter Leitung des Conimandanten dieses Panzerschiffes, de» Onpiduins cho vaissonu Pottier, vorgenom,neuen Versuche aus." „Durch das optische Visir (schreibt in de» „Paklsttas äsa Oeux- Olurr-antLs^ der Commandant C. Wyls) scheint erwiese» zu sein, daß cs in Zukunft angängig sein wird, eine Batterie oder einen Thurm gegen das feindliche Fcncr vollständig abzuschließen und einen jeden Schuß mit mathematischer Genauigkeit abzugeben, ohne daß der Richtende vorher irgend welche Anleitung erhallen hätte. Ohne Zweifel wird das Schießen rascher und vielleicht mit „och größerer Treffsicherheit von stalte» gehe», wen» dieser vorher eine Schule vurchgemacht hat; aber schon wie die Dinge jetzt liegen, scheint dar- gelhan zn sein, daß das optische Schießen mit den näniliche» oder mit den ersten besten Richtende», welche vorher keinerlei Anleitung empfangen habe», de», gewöhnliche» Schießen überlegen ist. Es muß vies so sein, weil es bei letzterem nölhig ist, vier Punkte, nämlich Auge, Visir, Korn und Ziel in eine gerade Linie zu bringen, nnd weil dies nicht immer leicht ist, während das optische Schieße» nichts weiter erfordert, als die Uebertragnng des Zielbilvcs aus den Mittelpunkt einer Weißen Bildfläche, welche der Zieler ganz nach seinem Gefallen betrachten kann. Wie viele Geschosse gehen nicht, zu», Vortheile des Feindes in Kriegs zeiten und zu», Schaden des Staatshaushaltes bei de» heutige» kost spieligen Ladungen und bei Geschütze» verloren, welche wahre Werk zeuge der Uhrniachcrknnst sind, deren Fehlwirknngen und Beschädig ungen aber gewaltig in's Geld lause». Beim optischen Schießen ist dagegen die Genauigkeit des Richtens sichcrgestellt; sie ist auch während des Ladens, welches de» Richtenden in keiner Weise stört, leicht zu erlangen. Die Mannschaften befinden sich in de», ganz geschlossene» Äeschützstande oder Thnrme in vollständiger Sicherheit; sie brauche» keinecle, Besorgnisse zn hegen und sind durch nichts behindert. Und dies Hnd noch nicht die einzigen Vorzüge, welche das optische Schieße» bietet. Es giebt deren noch mehrere: der Schutz der Bedienungsmann schaften vor de» aus den Bubenstücken entweichende» Gase», welche schou so oft Unglücksfälle herbeigeführt haben; dann der Umstand, daß für sämmtliche Geschütze nur eine Art von Aufsätzen gebraucht wird. Von den, Werthe der letztgenannten Vereinfachung wird man sich einen Begriff mache», wen» man bedenkt, daß jetzt für jHcS Geschütz fünf Aufsätze vorhanden sein müssen, welche in der Aufregung des Gefecht» leicht mit einander verwechselt werden können. Wird nicht ferner da» optische Schießen mit seiner mathematischen Genauigkeit den beste» Schutz gegen die Angriffe der Torpedo» bieten, dieser Miniatnr- känlpfer, welche unausbleiblich von Tage z» Tage kühner und furcht barer werden? Wird es nicht dazu beitragen, daß die Geschoß- vorrälhe weniger rasch ausgczehrt und die Schnellfeuergeschütze länger gefecht-fähig bleiben? Diese sind geneigt, mit ihre», Schießbedarfe ver- ichwenderisch »mzugehen, und werden sich um so eher zu größerer Sparsamkeit verstehen, wen» sie sicher sind, daß ihre Schüsse treffen.* Nach den mitgetheilte» Beurtheilnnge» seiten» französischer, hoher Artillerieossiciere scheint allerdings Bonum de Freffaix eine epoche machende Erfindung gelungen zu sein, die vielleicht dag» bestimmt W
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