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Wintersport. Von Käte Damm. „Wirklich, man Weitz nicht, wie man es ohne die Reise zum alljährlichen Wintersport aushalten kann — man braucht diesen Wintersport ganz notwendig zu seiner Le benskraft und Lebensenergie," sagte die schöne Herta Kol- binger und faltete dabei ihren weißen Strautzenfächer aus einander und wieder zusammen. „Die Energie, mit der Du den schönen Fächer mit Vetter Kurts Strautzenfedcrn aus Südwest bearbeitest, lätzr nichts zu wünschen übrig, Schwesterchen," erklärte der Leut nant Oskar Kolbinger neckend. Herta beachtete die Bemerkung des Bruders nicht, und Frau Majorin von Kelling, in deren Haushalt stets Schmal hans Küchenmeister gewesen war, sagte mit einem leichten Anslug von Spott: „Ja — ja — in unserer Jugend, da gab es zur Erholung weder Sommerreisen noch Winter sport und wir mußten doch Lebensmut und Energie haben, die Männer so gut wie die Frauen." „Gewitz, gnädige Frau," entgegnete Herta artig, „aber die Welt von 'heut ist nicht mehr die von damals und der schöne Vergleich, datz die Kinder so anfangen wollen, wie die Eltern aufhörcn, hinkt, denn wie die Kinder erzogen sind, in dieser Lebenssphäre wollen sie weiter leben." Ein großer, stattlicher Rittmeister von demselben Re giment, dem Leutnant Kolbinger angehörte, hatte schon, in der Tür stehend, nur von den Falten der Portiere verdeckt, den größten Teil der Unterhaltung mit angehört. Als er cintrat, rief ihn Herta Kolbinger mit der ihr eigenen Zwanglosigkeit und Selbstverständlichkeit zu ihren Fahnen: „Herr vün Herbenau — kommen Sie mir mal zu Hilfe, Sie waren im letzten Jahr doch auch zum Wintersport in St. Moritz, wollen Sie nicht den Damen erklären, daß es wirklich der einzige echte Wintersport dort ist." „Da ich noch an keinem anderen Ort gerodelt, Schnee schuh oder Schlittschuh gelaufen bin — so kommt vorläufig allerdings St. Moritz als einzig schöner Ort für mich in Betracht — cs mag aber auch andere Orte geben, wo man sich ihm mit ganzer Seele hingebcn kann." „Herr Rittmeister von Herbenau hat recht," erklärte eine stattliche, schöne, alte Dame, die im schwarzen Damast- gewande, ein schwarzes Samthäubchen auf dem schneeweißen Haar, sich bisher stillschweigend verhalten hatte, „fragen Sie nur einmal auf Drönnewitz nach — bei meinen Kindern und Enkeln, die können Ihnen etwas von Wintersport er zählen, nicht wahr, Toni?" Die Angercdete, die Jüngste des Damcnkreises, das älteste Enkelkind der Baronin Drönnewitz, die augenblicklich für einige Zeit bei der Großmutter zum Besuch war, be jahte eifrig. „Herrlich ist das Rodeln in Drönnewitz — ich kann mir nichts Schöneres denken." Herbenau horchte auf, es tat ihm wohl, das zu hören und er sah interessierter als bisher hinüber — zu dem großen schlanken blonden Mädchen, dessen feine Züge sich mit leich ter Röte überzogen hatten. Also so groß und hübsch war die kleine Drönnewitz geworden, er hatte vorhin — vor Tisch gar nicht viel auf sie geachtet, als er ihr vorgestellt worden war. Das Vorstellen war eigentlich unnötig gewesen, er kannte ja Drönnewitz, lvar vor zwei Jahren dort einquar- tiert gewesen und hatte sich sehr Wohl in dem alten Herren haus gefühlt. Er sah Toni noch vor sich, wie sie damals mit den Brüdern um die Wette geritten war, fast immer sie voran auf ihrem schönen Pony, nur auf einem einfachen Filzsattel im halblangen Reitrock, aber sicher und schneidig, wie eine Amazone. Leutnant Kolbinger stand neben ihr und die beiden un terhielten sich eifrig miteinander, es fiel ihm ein, daß Kol- binger ihm erzählt hatte, er sei mit Herrn von Drönnewitz" jüngerem Bruder zusammen im Kadettenkorps gewesen und er würde öfier zu Jagden nach Drönnewitz eingeladcn. Es gelang Herbenau schließlich, da das Gespräch durch die Herren eine andere Wendung genommen hatte, bis an die kleine Gruppe vorzudringen, die von Toni Drönnewitz, Leutnant Kolbinger, Amtsrichter Wensemann und Lilly Hcr- tenfcls gebildet war. Es wurde ihm leicht, die Bekanntschaft von vor zwei Jahren zu erneuern, d»r Pony mußte dazu herhalten. „Ah — Sie entsinnen sich meiner Reitkünste auf dem alten Gürgcn, Herr von Herbenau? — Ja, das gute alte Vieh bekommt nun das Gnadenbrot." „Und Sie, mein gnädiges Fräulein, reiten nicht mehr?" Düö In drei Bildern „Doch, ich reite den Michel Kolhas, einen famosen Braunen, den Vater aufgezogen hat, schon in der Fohlen koppel lief er immer hinzu, wenn ich mit Zucker kam." „Also ganz Sportdame geworden," meinte Herbenau. Er wollte noch etwas sagen, aber eine der älteren Damen hatte das Zeichen zum Aufbruch gegeben und in dem allge meinen Wirrwarr des Aufbruchs wurden sie getrennt. Ein kurzes „Gute Nacht, mein gnädiges Fräulein" und „Gute Nacht, Herr von Herbenau — gute Nacht, Herr Leutnant Kolbinger —" — und „wer weiß, ob ich sie Wiedersehen werde als Toni von Drönnewitz," dachte der schweigsam gewordene Rittmeister. Schnee — Schnee — Schnee in Massen! Ganz Drön newitz lag in Weißen, silbern schimmernden Schneemassen begraben. Weg und Steg verschneit — und die bleiche Mittags-Wintersonne warf ihre melancholischen Strahlen über diese Pracht — aber die beiden Insassen des großen Automobils, dessen Maschine und Steuer mitten auf der ein samen Chaussee mit einem Akale versagten, sahen nichts von diesen Herrlichkeiten. Nur einmal, als die Sonne so recht goldene Streifen über den Schnee warf, dachte Herbenau an St. Moritz. Gott nochmal — so schön war's kaum dort gewesen in der Alpenwelt des Engadin — denn hier in der norddeutschen Ebene kam dazu das heilige winterliche.Schweigen. Aber vorläufig galt's doch, hier raus zu kommen. Konsul Schmolling, der sein Automobil selbst fuhr und Herbenau, die auf einer Fahrt zur Jagd auf ein entferntes Gut waren, verliehen den Wagen und stapften durch den hohen, zum Teil verwehten Schnee nach einer Stange, an der sie eine, Wegweisertafel vermuteten. Richtig — aber der Schnee saß fest und erst nachdem Schmolling ihn mit An strengung mittels eines Holzastes losgeklopft hatte, kam die Schrift zum Vorschein. „Nach Drönnewitz 2 Kilometer," am andern Arm „nach Spelow 5 Kilometer." „Drönnewitz," sagte Herbenau erfreut — „zwei Kilo meter, dort finden wir Hilfe."