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Trauerfeicr für den Grafen van Schliessen. Mittwoch nachmittag wurde in der Invalidenkirche zu Berlin eine Trauerseier für den verstorbenen Generaladjutanten, Generalfeldmarschall Grafen von Schliessen abgehaltcn. Der Trauerfeier wohnten unter anderem bei außer der Familie des Entschlafenen die in Berlin anwesenden PrinzeUsöhne des Kaisers, Prinz Friedrich Leopold und Herzog Ernst Günther zu Schleswig-Holstein, die Generalsold- marjchälle und Generalobersten, die Ritter des Schwar zen Adlerordens mit dem Reichskanzler an der Spi tze, viele Damen und Herren der Hofgesellschaft, als Ver treter des Königs von Sachsen Militärbevollmächtigter Generalmajor Freiherr Leuckart von Weißdorf, fer ner der Chef des Generalstabes, Generalmajor Edler von der Planitz. Der Kaiser erschien zu der Trau erseier gegen 3 Uhr im Automobil vom Neuen Pa lais her, er legte einen Kranz an dem vor dem Al tar aufgebahrten Sarge nieder. Keine neue» M il i t ä r v o r lag e n. Die „Post" brachte in ihrer Abendausgabe vom Mittwoch nachfolgende Meldung: „Von hoher militärische Seite erfahren wir, daß eine neue Militärvorlage in näch ster Zeit, voraussichtlich noch im Monat Januar, dem Rcickstage vorgelegt werden wird. Sie ist bestimmt, alle Lücken auszufüllen, die die letzte Militärvorlage noch hat bestehen lassen. Bor allen Dingen wird die Stärke der Kompagnien so bedeutend erhöht werden, das; sie allen Anforderungen gewachsen ist und eine vorzügliche Ausbildung der Leute gewährleistet wird. Außerdem werden die fehlenden dritten Bataillone naclß- gesordert, die Kavalleriedivisionen schon im Frieden ausgestellt und die Ersatzreserve wie früher zu einer Ausbildung mit der Waffe einberufen. Die bereits bei einigen Armeekorps bestehenden, über die normale Zahl hinausgehenden Brigaden und Regimenter sollen zu einem neuen Armeekorps zusammengesetzt werden. Auch den Wünschen der Artillerie nach höherer Be spannung u. s. w. wird durchaus Rechnung getragen werden." Dem gegenüber ist das Hirsch'sche Telegra phen Bureau von der zuständigen Stelle des Kriegs ministeriums zu der Erklärung ermächtigt, daß diese Nachricht erfunden ist. vePerreich'N»sarn. Wieder ein Säbelduelll des Gra fen Tisza. Zwischen dem Präsidenten des ungari schen Abgeordnetenhauses, Grafen Tisza, und dem Grafen Aladar Szechenyi fand ein Säbelduell statt, weil Graf Szechenyi kürzlich erklärt hatte, er habe den Gruß des Grasen Tisza nur irrtümlich erwidert. Graf Szechenyi erhielt einen Hieb am Kopfe. Graf Tisza blieb unverletzt. Die Abgeordneten der Regier ungspartei bereiteten dem Grafen Tisza Ovationen. Spanien. Spanien und der Vatikan. Nach einer Blättermeldung aus Madrid haben die dortigen diplomatischen Kreise erklärt, daß die Beziehungen zwi schen Spanien und dem Vatikan demnächst wieder auf genommen werden sollen. Oertliche und sächsische Nachrichten. — Eibenstock, 9. Januar Nach dem statistischen Bericht über die wirtschaftlichen Vorgänge im Bezirke der Handelskammer Plauen wurde die hiesige Handelsschule im Schuljahr 1911/12 von 81 Schülern besucht (im Vorjahre 83). Die Einnahmen dieser Schule betrugen für diesen Zeit abschnitt 12 543 (11 800), die Ausgaben 12 500 (11800). — Carlsfeld, 9. Januar. Am Neujahrstafte ver anstaltete der Mannergesangverein „Liederkranz" einen Thea- rerabend. Zur Aufführung kam der köstliche dreiaktige Schwank „Hans Huckebein". Es wurden Tränen gelackt und an die Zwerchfelle der Zuschauer hohe Anforderungen gestellt; ein Wunder war's, daß keinS platzte. Die Verantwortung dafür hätte in erster Linie Herr Kürt Benisch aus Dresden tragen müssen, der den Unglücksraben spielte, einen Ehemann, der bei allen seinen Streichen erwischt wird. Es war zu drol lig, wie er auS einer Verlegenheit in die andere gestürzt wur de, wie eine Ausrede nach der andern mißlang. Die vortreff liche Darstellung all dieser Situationen durch Herrn Kurt B. verhalf dem Stück zu einem durchschlagenden Erfolge. Aber auch von den anderen Herrschaften, von denen einige zum 1. Male bei einem Stück dieses Umfanges in hochdeutscher Spra che mitwirkten, wurde vortrefflich gespielt. Wie Herr Boris MenSky seiner Braut Martha die russische Sitte des Verlo bungskusses lehrte, wie der Ringkämpfer Krack seine ganze Umgebung in Todesangst brachte, wie Hildegard ihrem Mann Gardinenpredigten hielt und wie schließlich ihr Vater von seiner Frau auf einem Seitensprung ertappt wird, das alles war trefflich wiedergegeben. Alle Erschienenen unter hielten sich aufs Beste und wir wünschen, daß uns der M.- G.-V. „Liederkranz" recht bald wieder mit einer so köstlichen Perle des Humors aufwarten möge. —8. — Sosa, 7. Januar. Am Sonntag abend hielt Hr. Pastor Wagner aus Eibenstock im Jugendheim einen Vortrag über seine Erinnerungen an Hamburg, sowie seine Erziehertätigkeit und das Leben im dortigen, von Wi chern begründeten Rauhen Hauke. Der Vortrag weckte bei den in größerer Anzahl anwesenden jungen Leuten, sowie bei den Damen und Herren, die sich eingefunden hatten, lebhaftes Interesse, das in herzlichem Danke dem Redner gegenüber Ausdruck fand. — Dresden, 8 Jan. Sämtliche bayrischen Staats kassen sind angewiesen worden, die Noten der Sächsi» fischen Bank auf alle den Nennwert der Noten erreichen den oder übersteigenden Zahlungen anzunehmen. Dresden, 8. Januar. In der vergange nen Nacht wurden Schmmeksachen im Werte von ca. 20 OM Mark in der Villa des Kommer zienrates Römisch in der Jägerstraße gestohlen. Der Verdacht lenkte sich aus das selt dem 1. Dezember vorigen Jahres daselbst in Stellung befindliche 25 Jahre alte Dienstmädchen Chototoha, welches seit ver- güngtner Nacht flüchtig ist. Die Spur der Geflüch teten führt nach Prag. Das Mädchen soll den Dich- stahl gemeinsam mit ihrem tschechischen Liebhab>r aus- gcführt haben — Leipzig, 8. Januar. Zur Leitung der fachtechm schen Abteilungen der Internationalen Ausstel lung fü r B u ch g e we r be und Graphik Leipzig 1914 ist vom Herrn Staatssekretär deS ReichSpostamteS der Abteilungsvorstand der Reichsdruckerei, Herr Kaiser!. Baurat D r. Nicolaus für die Dauer von 2 Jahren beurlaubt worden. Herr Dr. Nicolaus hat seine Tätigkeit als techni scher Direktor bereits begonnen. — Griinma, 8 Januar Ein Großfeuer wütete gestern mittag in den „Sächsischen Tonwerken" in Bran- d i s. Der große westliche, neugebaute Flügel, in welchem die Fabrikation der säurefesten Gefäße betrieben wird, brannte fast vollständig aus. Dem tatkräftigen Eingreifen der städ tischen, sowie vieler Feuerwehren der Umgebung gelang es, dem Umsichgreifen des Feuers auf das angrenzende kleine Beamtenwohngebäude zu wehren. — In Hausdorf bei Colditz ist die Scheune deS Gutsbesitzers Müller nieder gebrannt. Verbrannt sind 75 Schock Roggen, 30 Schock Weizen, 35 Schock Hafer, sowie Heu, Stroh und landwirt schaftliche Maschinen. Brandstiftung liegt zweifellos vor, da in derselben Nacht noch der Versuch gemacht worden ist, eine Scheune in einem Nachbardorfe in Brand zu setzen. Hier ist jedoch nur das Scheunentor angekohlt. Bereits vor 2 Jah ren ist versucht worden, die Müllrr'fche Scheune in Brand zu setzen. Johanngeorgenstadt, 7. Januar. Herr Amtsrichter D r. Glaß hier ist zum Vorstande des Amtsgerichtes Neustadt bei Sebnitz er nannt worden. Er wird sein neues Amt am 1. April antreten. Sein Weggang von hier wird lebhaft be dauert, denn er hat sich große Verdienste um das Ge meinwohl und um den Wintersport, dessen eifriger Freund und Förderer er war, erworben. Herr Dr Glaß hat hier den Wintersport erst einge- führt und ihm ist es auch mit zu danken, daß der aka demische Sportklub Leipzig hier seßhaft geworden ist. In ihm verliert auch der Wintersportverein von hier und der Westerzgebirgischc Skiverband seinen tatkräf tigen Vorsitzenden. Erst kürzlich gründete sich auf des Scheidenden Anregung hin ein Verein für Jugend fürsorge. Herr Dr. Glaß gehörte auch dem Kurato rium des Lazarusstiftes an. Sitzung des Bezirksausschuff,s der K-nigl. Amtshauptmannfchaft Schwarzenberg vom 7. Januar 1913. Zn der heute unter dem Borsitz de» Herrn Amtshauptmann Dr. Wimmer abgehaltenen Sitzung deS Bezirksausschusses fand eine Tagesordnung von 42 Punkten Erledigung. Genehmigt wurden: 1. die beabsichtigte Verlegung eines Teil« des KommunikationSwcgs Nr. 721 des Flurbuchs für Sosa, 2. die Uebertragung der Geschäfte einer Ausgabestelle für die Angestellten. Versicherung im selbständigen Gutsbezirk Kgl. Blaufarbenwerk Obrr- schlema auf den Gemeindevorstand zu Oberschlema, 8. die llebernahme einer bleibenden Berbindlichkeit der Stadtgemeinde Griinhatn in Wege sachen, 4. die Verschmelzung der Armenkasse mit der Gemeindekassc m Oberaffalter und Dittersdorf, 5. das Gesuch der Klempnereiinhaberin Emma Marie Werner geb. Weißflog in Beierfeld um Genehmigung zur Aufstellung eines Polierhammer« im Gebäude Nr. 26 l) das., 6. da« Ortsgrundgesetz siir Lauter (unter der Voraussetzung, daß die er forderlichen Ausnahmebewilligungen erteilt werden), 7. das Gesuch der Bergbaugesellschaft St. Johannes in Bockau um Genehmigung zur Errichtung einer Stetnbrecheranlage auf dem Flurstücke Sir. StB das., 8. die Hinzuschlagung des in der Teilbarkeit beschrankten Grundstücks Blatt 9 zum Grundstücke Blatt 8 des Grundbuchs für Oberschlema, 9. das Gesuch des Gastwirts Gustav Emil Rudolph in Beierfeld um Erlaubnis zum Betriebe der Gastwirtschaft, einschl. des Branntwein, schanks, in dem Gebäude Nr. 29/80 das. (Gasthof zur Linde). 10. daS Gesuch deS Gastwirts Franz Theodor Richter in Alberoda um Erlaubnis rum Betriebe der Gastwirtschaft, einschl. des Branntweinschanks, zum Abhalten öffentlicher Tanzvergnügen, Veranstalten von Singspielen und Theatervorstellungen kowie znm Krippensetzcn für das Gebäude 201 das. (Gasthof Schweizertal), N. das Gesuch des Friedrich Ernst Börner in Pöhla l. um Erlaubnis zum Betriebe der Schankwirtschaft einschl. de« Branntweinschnnks, in dem Gebäude Nr. 1l7 das. und in dem m der Nähe befindlichen Schießstand, 2. um Genehmigung zum Krippen setzen vor dem erwähnten Gebäude, 12. das Gesuch der Gasthofsbe- sitzer Johann Paul und Karl Max Pöllmann in Oberaffalter um Aus dehnung der ihnen für das Gasthossgcbäude Nr 58 das. erteilten Schankkonzession auf ein neben dem Gasthof befindliches Schankzelt, l8. das Gesuch des Webme.sters Max Wildner in Auerhammer um Erlaubnis zum Betriebe der Schankwirtschaft, einschl. des Branntwein- schankS, zum Abhallen von Tanzvergnügen für geschlossene Gesellschaften, zur Veranstaltung von Singspielen und Theatervorstellungen in dem Gebäude Nr. 8 in Auerhammer (Schwcizerhaus), 14. das Gesuch de« Gastwirts Guido Arno Sternkopf in Pohla um Erlaubnis zum Be triebe der Gastwirtschaft, einschl des Branntweinschanks, zum Abhalten öffentlicher Tanzvergnügen sowie zum Krippensetzen für das Gebäude Nr. 20 8 das. (Deutsches HauS). Ferner nahm der Bezirksausschuß die Wahl von Sachverständigen der BezirksschätzuagSausschüsse beider staatlichen Schlachtviehversicherung sowie die Wahl eines Mitgliedes der ErgänzunoSsteuerkommission für den AmtSaerichlSbezirk Schwarzenberg vor und brachte einen Sachver» ständigen für die Schätzung landwirtschaftlicher Grundstücke beim Amts- gerichte Lößnitz in Vorschlag. Zu der beabsichtigten Dismembration der Grundstücke Blatt 17 des Grundbuchs für Zschorlau, Blatt 150 des Grundbuchs für Breiten- brunn, Blatt 32 deS Grundbuchs für Neuwclt, Blatt 1 de» Grund buchs für Großpöhla und Blatt >64 de« Grundbuchs für Raschau er- teilte er Dispenfation. Auch erkannte er die BerufSmäßigkeit de» Ge- meindcvorstandes Mey in Markersbach an, befürwortete die Wahl de» GcmeindeamtsregistratorS Andrea« in Oberlungwitz zum Gemeinde- oorstand von Beierfeld und di« Wahl des Gemeindevorstand» Vogel gesang in Bärenwalde zum Gemeindevorstand von Oberschlema und fetzte den pensionsfähigen Gehalt des letzteren fest. Mit den neuen Satzungen des Landespensionsverbande« sächsi scher Gemeinden erklärte er sich einverstanden, bewilligt« einer Anzahl sleißiger Klöppelschülerinnen Geldprämien, gewährte dem Verband für Jugendstils« «inen Jahretbeitrag von 10 Mk und der freiwilligen Sa- nitätskolonne in Zschorlau ein« einmalige Unterstützung von 20 Mk. und stellte einem lungenkranken Arbeiter im Bezirke eine Kurbeihilfe von 100 Mk. in Aussicht. Den beabsichtigten Bau einer Industriebahn in Lauter befürwor tete er in wegepolizeilicher Hinsicht, erklärt sich auch damit einveistanden, daß die Gemeinde für diesen Zweck ein Darlehn aufnimmt, unv befür wortete weiter, daß ihr die EnteignungSbefugni» übertragen wird. Bon dem vorläufig aufgestellten Haushaltplane de» JUrsorgever- bandeS Zwickau auf das Jahr 1913 nahm er Kennt»!». Auf das Gesuch de« Materialwarenhändlers Ottomar Hugo Krauß in Pöhla um Erlaubnis zum Branntweinkleinhandel im Gebäude Nr. 21 daselbst vermochte er keine beifällige Entschließung zu fassen. Aus dcr Zeit der Besreiungslriege. ( ach.ru« Es ist ein Beweis für die ungeheure und zähe Gestaltungskraft Napoleons, wie für die Verehrung, die er in Frankreich genoß, daß er, trotz feiner gewal tigen Niederlage in Rußland 1812 bereits am Anfang des Jahres 1813 ein großes und schlagferti ges Heer wieder ins Feld führen konnte. Allerdings stand ihm in dem französischen Senat eine ihm blind lings gehorchende Körperschaft zur Verfügung, die un ter dem Scheine freiwilliger Maßnahmen einfach an ordnete, was Napoleon dekretierte. Am 10. Janu ar 18l3 bewilligte der Senat zu den sofort nach Napoleons Rückkehr von Rußland ausgehobenen 120000 Monn noch weitere 100000 Mann und ferner 100000 Herespslichtige, die erst 1814 einberufen werden soll ten. Tas war für den Anfang schon ein gewaltiges Heer, das den Verbündeten mit Erfolg entgegentreten konnte. Aber es kamen binnen wenigen Monaten noch etwa 200 000 Mann dazu; denn Napoleon wußte sehr gut, daß es sich nun nm einen Kampf handeln werde, dessen Siegespreis für die Gegner sein Thvon sein würde Deutscher Reichstag. Sitzung vom 8. Januar, 2 Uhr. Am Bundesratstische: Wackerzapp. Präsident Dr. Kaempf begrüßt die Abgeordneten mit Wünschen zum neuen Jahre, gibt ein Danktelegramm des Prinzregen ten Ludwig von Bayern bekannt und widmet dem am 30. Dezember 1912 verstorbenen Staatssekretär von Kiderlen Wächter ehrende Worte des Nachrufes. Auf der Tagesordnung steht oie sozialdemokratische Inter pellation über den Wageumangel im Ruhrrevier. Ab geordneter König (soz.) rückte mit scharfen Worten der Eijenbahnvcrwaltuug zu Leibe und betonte, daß es trotz aller Versprechungen mit dem Wagenmangel im Ruhr revier nicht besser gewordene sei. Herr Wackerzapp, der Präsident des Reichseisenbahnamtes erklärte in seiner Antwort, daß es sich hier eigentlich um eine preußische Angelegcnheil handele, und er deshalb nur auf die allgemeinen Seiten eingehen könne. Er mach te es sich im übrigen ziemlich leicht, indem er sich den mehrfach schon anderweit gehörten Argumenten sei nes preußischen Kollegen Breitenbach anschloß, indem er betonte, daß die Regierung zur Vermehrung der Berkehrsgelegenheitcn zwar für normale Verhältnisse ausreichend vorgesorgt hätte, daß aber der Bedarf unerwartet weit über das Norinale hinausgegangen sei, und daß man daher der Negierung keinen Borwurf machen könne. Man trat alsdann in eine Be sprechung ein, die wesentlich neue Gesichtspunkte nicht ergab, und, da die Materie oft genug erörtert worden ist, auch nicht bringen konnte. Auch Gras Kanitz (kons.) und Abgeordneter Dove (Fortschr.) gaben ihrem Bedau ern über den Wagenmangel Ausdruck. Letzterer Red ner .trat für ein Reichseisenbahngesetz ein. Nachdem noch ein polnischer Mgeordneter auf den Wagenman- gel in Oberschlesien zu sprechen kam, wurde die Wei- tcrberatung auf morgen, Donnerstag, vertagt. Au ßerdem soll die Vorlage über die Konkurrenzklausel in erster Lesung beraten werden. Das große Los. Von T. M. von der Kull. (1. Fortsetzung) Es ist Sonnabend. An diesem Tage wird das Bureau, in dem Anneliese tätig ist, bereits nm 5 Uhr nachmittags geschlossen, und für Anneliese beginnt dan" der Sonntag. In ihrem Stübchen angelangt, erwartet sie dort cin Telegramm aus Berlin. Tas kann von ni'mand anders sein als von Kurt, dem geliebten Manne. An neliese hat außer einmal zu ihrem Geburtstage noch nie ein Telegramm erhalten, und merklich zittern ihr die Knie, während sie es erregt erbricht. Mit flie genden! Atem liest sie: „Gelegentlich kurzer Geschäfts reise treffe heute Abend 8 Uhr 27 Minuten dort ein, Kurt." Anneliese weiß sich vor Freude nicht zu lassen Sie hatte ihn erst in einigen Monaten zum Weihnachtüfest erwartet. Das Telegramm mit heißen Küssen be deckend, die Hano auf das stürmisch pochende Herz gedrückt, verharrt sie einige Augenblicke, um nicht im Ueberschwange des Glüasgefühls, das sie durchwogt, in die Höhe zu springen, was für eine junge Dame doch etwas unpassend gewesen wäre. Fast ein hal bes Jahr hat sie ihn nicht gesehen, und nun kommt er da so plötzlich und unerwartet hereingeschneit! Anneliese befindet sich in einem wahren Freuden taumel, denn die kargen Worte des Telegramms be sagen ihr ja so viel. „Gelegentlich einer Geschäftsreise" steht dort, also hat man ihn in seiner neuen Stellung bereits für die Reise verwandt, gewiß ein gutes Zep chen, daß sein Chef Vertrauen in ihn setzt und ihm wahrscheinlich eine Gehaltserhöhung bevorst-ht. Durch ein derartiges Ereignis ist ja auch der Tag ihrer Bereinigung viel näher gerückt. Aufgeregt stürzt sie in die Küch«e, um auch Frau Könneke, ihre Wirtin, an dem freudigen Ereignis teil nehmen zu lassen, welch letztere, da selbst kinderlos, mit fast mütterlicher Zärtlichkeit an Anneliese hängt Mit sich überstürzenden Worten macht diese sie mit dem Inhalt des Telegramms bekannt. Frau Könne ke nimmt regen Anteil an der Freude ihres Schützlings und schlägt vor, in ihrem Wohnzimmer für das Braut paar den Abendbrottijch zu decken, damit sie mög lichst ungestört das Wiedersehen feiern könnten, wel ches Anerbieten Anneliese erfreut und dankbar an nimmt Es ist jetzt halb 7 Uhr, also hat sie noch beinahe zwei Stunden bis zu seiner Ankunft und somit noch genügend Zeit, sich umzuziehen, denn in ihrem Werk- tagskleidchen will sie ihn doch nicht an der Bahn emp fangen . . . Eine Stunde später steht sie fix und fertig vor dem Spiegel. Sorgsam drückt sie den breitkrämpigen schwarzen Samthut auf ihr braunes Haargelock, rückt und nestelt daran herum, bis er gut fest sitzt und recht vorteilhaft ihr Gesichtchen beschattet, denn sic will ihrem Kurt doch heute vor allem recht gut gefallen; und sieht nun in dem dunkelblauen Jackrnkvstüm, mit dcm von der Erregung rosig angehauchten Wangen und den blitzenden graublauen Augen wirklich aller-