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126 Die drahtlose Einheitszeit Deutschlands. (Mit Text.) Ein neuer Apparat für künstliche Atmung. (Mit Text.) der alte Pristow und Peter zurück, denn die Herden des Bauern Kuhlmann wurden am Sonntagnachmittag nicht ausgetrieben. „Am Donnerstag, wenn du Sonntagsfriede war auf dem Hof, Sonntagsstille; keinen Laut ziehen?" fragte Luise plötzlich. und Stampfen eines Pferdes oder das Brüllen einer Kuh. Im Hause war große Gesellschaft. Wilhelm Lindenbauer Dort saß er noch, als Peter nach ge raumer Zeit von einem Rundgang durch Hof und Garten zurückkam, sann und schüttelte bisweilen bedächtig das sinnende Haupt. Endlich aber war er zum Schluß gekommen, sah auf und hob bedeutsam den Finger. „Wenn du nach Amerika willst, mußt du mit dem Schiff fahren", sagte er. Das war das Ergebnis seines Nach denkens. — — Der Gottesdienst war inzwischen beendet, und Peter sah, wie die vier wieder heimkehrten. Voran ging Mar tha mit ihrer Mutter, die beiden Män ner folgten. Wie vorhin. Als sie aber am Hause entlang gingen, löste sich ein Stück von einem Dachstein und fiel dicht vor dem jungen Lindenbauer auf die Erde nieder. Peter bemerkte es, und ein Ge danke fuhr ihm durchs Hirn: Wenn dieses Stückchen eine Sekunde später gefallen wäre, hätte es Wilhelm Lin denbauers Kopf getroffen, und wenn es ein ganzer Dachstein gewesen wäre, hätte der Lindenvauer am Donnerstag nicht Hochzeit machen können. „Er brauchte nicht gerade tot zu sein", setzte Peter in Gedanken hinzu, denn er schämte sich. Doch böse Wün sche sind wie Unkraut: man reißt sie aus, aber ein Würzelchen bleibt zu rück, und ehe man sich's versieht,-treibt es eine neue, größere Pflanze. Da * * oben herab lachte die Sonne. In der Laube machten fie Rast, einige suchten an den Johannisbeersträu chern nach den ersten reifen Früchten, Martha jedoch nahm den Arm ihrer vertrautesten Freundin und ging mit ihr allein den brei ten Mittelweg hinunter. Die blonde Martha mit der schwarzen Luise, die sonst so lebensfrohe Braut mit der ernsten Tochter des Grenzbauern. Aber fie hatten die Rollen vertauscht: Martha war heute die Nachdenkliche und ihre Freundin ausgelassen heiter. — Sie kamen in den entlegenen Teil des Gartens, in den Teil, dessen Ertrag den Bedarf der Küche zu decken hatte. Dort standen zwischen Salat und Kohl noch zwei vereinsamte Nosenbüsche, die Martha als Kind zusammen mit Peter dort selbst gepflanzt hatte. Der eine trug weiße, der andere rote Blüten. Mar tha brach von jedem eine Rose ab, reichte die rote ihrer Be gleiterin und behielt die weiße für sich. „So ist es nicht richtig" — wandte die Beschenkte ein — „die rote gehört dir." „Nein, ich mag die rote nicht", antwortete Martha und brach die Dornen von dem schlanken Stiel ihrer Blume. „Martha!" rief die Freun din — „du bist traurig. Sag' warum?" „Ich weiß nicht", sagte das Mädchen. Am Nachmittag schmückten sich Knechte und Mägde und gingen zum Tanz in den Dorf krug; Anton machte sich auf den Weg zum Nachbardorf, um Verwandte zu besuchen. So blieb von dem Hofgesinde nur kam mit seinen Eltern, dazu hatte die Bäuerin die Freundinnen ihrer Toch ter eingeladen, denn Martha sollte den letzten Sonntag ihrer Mädchenzeit festlich begehen. Ihr war der Besuch zwiefach willkommen, denn er be wahrte sie vor dem Alleinsein mit ih rem Bräutigam; sie verschwand in Lem Chor der Gäste, und die Unter haltung litt nicht, wenn sie es vorzog, still zuzuhören. Man trank miteinander den Nach mittagskaffee und schwatzte. Neben Martha saß links der künftige Herr des Hauses, rechts die schwarzhaarige Luise, die Tochter des Grenzbauern, Marthas vertraute Freundin. Die bei den Mädchen unterhielten sich im Flü sterton, ohne am allgemeinen Gespräch teilzunehmen; doch es fiel nicht auf. Nur Wilhelm Lindenbauer, der heute sehr aufgeräumt war, wandte sich bis weilen an sie und suchte durch eine schalkhafte Frage in die Geheimnisse ihrer Flüsterunterhaltung einzudringen. Als der Kaffeetisch aufgehoben war, suchten die jungen Mädchen den Gar ten auf. Der Garten lag aus der Hinteren Giebelseite des Hauses, drängte sich rechts weit in den Hof hinein und lief zur Linken längs der Straßenfront des Hauses in ein schmales Vorgärtchen aus. Man betrat ihn durch die vor dere Haustür, meist aber vom Hofe aus durch eine schmale Pforte, die an das Haus angrenzte. Die Mädchen wandelten zwischen duftenden Blumen, um fie her flat terten die Schmetterlinge, und von rum hüte dich, Peter, denn die Ver ¬ suchung kommt gern und schnell, und auch der flüchtige Gedanke findet zuletzt eine bleibende Stätte im Herzen, wenn er öfter wiederkehrt! — Noch wies Peter die Vorstellung, daß er Marthas Bräutigam etwas Böses wünsche, weit von sich, aber der fallende Dachstein beschäftigte ihn immer wieder, und die Farben des Bildes wurden immer lebhafter. Peter schüttelte sich ärgerlich. „Ich wollt', ich könnte hexen!" — „Was meinst du?" fragte Pristow, den Peter ganz vergessen hatte. „Ich? — O, ich sagte bloß, daß ich lieber doch nicht nach Amerika fahren will." „Hast wohl Angst vor dem Schiff?" „Ja, ich hab' Angst vor dem Schiff." „He!" rief Pristow, denn Anton ging wieder über den Hof. — „Er will nicht nach Amerika, er hat Angst vor dem Schiff!" Er verließ seinen unbeque men Sitz und humpelte zum Pferdestall; Peter aber hängte seine Tasche um und nahm sei nen Schäferstock mit dem blei gefüllten Knauf, um seine Herde auf die Weide zu führen. Sie gingen Arm in Arm schweigend den Weg zurück; ihre luftigen Gewänder rausch ten bei jedem Schritt, und un ter ihren Füßen knirschte der Sand. Sie gingen langsam, als wollten sie Zeit gewinnen, die eine für eine Frage, die andere für ein Bekenntnis. Am Donnerstag, wenn du Hochzeit machst, wird euer Peter Mund und starrte seinen Gefährten an. „He!" rief er über den hörte man, keine Stimme, als hin und wieder das Schnaufen Hof, denn Anton ging gerade vorüber. „Er will nach Amerika." Aber die Neuigkeit hatte ihn doch so angegriffen, daß er das Gespräch abbrechen mußte. Er setzte sich auf die Schwelle der Kammertür, stützte den Kopf in die Hand und überlegte.