Volltext Seite (XML)
„Pardon, gnädiges Fräulein, so dürften wir die Kähne kaum auseinander bringen, ich kenne mich im Ruder sport gut aus! Gestatten Sie daher Vie sNanövernessei. Von K. v. Linz. Hauptmann Giesebrecht nahm den Quartiermacher der zweiten Kompanie des 37. Pionierregiments ein wenig in den Schatten einer Pappel und redete auf ihn ein: „Wissen Sie, nach Schützenhoff möchte ich diesmal nicht gern ins Quartier. Deichseln Sie das mal ..." Der junge Unteroffizier verlor seine stramme Haltung keinen Augenblick. Aber in seinem offenen Gesicht stritten Staunen und Verlegenheit miteinander. „Herr Hauptmann Hüttens da aber großartig. Die Küche ist berühmt . . . Sonst käme nur noch Las kleine Waldhaus in Frage. Wollen Herr Hauptmann das? Ich habe mal vor fünf Jahren da gelegen . . . Die „tote Krähe" fließt hart vorbei." Der Hauptmann hielt sich erschüttert das Riechorgan zu. „Nee, wissen Sie . . . dann doch noch lieber Schützen- Hoff. Den Gestank von dem elenden Gewässer hält ja kein vernünftiger Mensch aus." So kam also Ler Hauptmann Giesebrecht doch wieder zu dem Oekonomierat Tautwitz ins Quartier. Der Ulte Herr freute sich offensichtlich des Wieder sehens. „Vor drei Jahren hatte ich schon mal die Ehre," sagte er gutgelaunt. „Damals waren Sie aber noch Ober . . . und hatten irgend etwas mit meiner kleinen kratzbürstigen Tilde vor, was ich doch richtig bis auf den heutigen Tag nicht heraus gebracht habe." „Geht es dem gnädigen Fräulein gut?" fragte der Hauptmann ablenkend. „Sie ist ein bißchen stachlig und scheu geblieben. Die Mutter fehlt ihr, wissen Sie . . ." Der Hauptmann seufzte, ohne eine passende Antlvort zu finden. Und der Oekonomierat fuhr fort: „Kaum zu glauben, was sie hier in der Gegend für einen Spitznamen hat." Giesebrecht tat, als studiere er mit großem Eifer die schiefbeinigen Jäger und langgereckten Hunde auf der schad haften Tapete Les Herrenzimmers. „Für junge Damen ist sehr leicht irgend ein Schmeichel name gefunden," meinte er dann hastig. „Da irren Sie sich gewaltig, bester Hauptmann," lachte jetzt Herr Tautwitz . . . „Irgend ein Schandmaul hat sie die „Manövernessel" geheißen, weil sie sich zu diesen Zeiten nicht gerade von ihrer liebenswürdigsten Seite zeigte." — Ucber Las frische Gesicht des Hauptmanns fuhr das Rot der Verlegenheit. Sollte er die Gelegenheit beim Schopf ergreifen und reuig erklären, daß er ihr im Kreise der Ka meraden diesen Namen gegeben, weil ihm damals vor drei Jahren das kleine Malheur mit ihr passierte . . . Nee . . . so dumm war er denn doch nicht! Aber blitzschnell zog das Geschehnis noch einmal an ihm vorbei. Seine Kompanie war zwei Stunden früher nach Schützenhoff eingerückt, wie eigentlich berechnet war. Der unerträglichen Hitze halber war ein Abkürzungsweg ge nommen worden. Er war vor dem Park stehen geblieben und hatte ihn durchquert, weil ihn der Schatten der Rüstern und Edeltannen lockte. Dabei geriet er auch in den Obst garten, blieb uirter einem reich gesegneten Pflaumenbaum stehen und weidete sich an dem Anblick eines kaum den Kinderschuhen entwachsenen Mädchens, das mit nackten Füßen, kurzem roten Rock und schlichtem Kopftuch die runden, appetitlichen Früchte einsammelte. Er meinte, noch nie zu vor so etwas Liebliches und Taufrisches wie die kleine Hof dirn gesehen zu haben . . . Die zarten Wangen lachten ihni daß ich die Sache in die Hand nehme! — Sehen Sie, gnädigstes Fräulein — so ein kleiner Ruck — und . die Sache ist gemacht! — wie Pfirsiche entgegen . . . und Pfirsiche waren nun eimnal von jeher seine Lieblingsspeise gewesen. . . . Sie sollte ihm aber diesmal herzlich schlecht be kommen ! Wie eine Wildkatze war ihm die Kleine ins Gesicht ge sprungen . . . und drei Stunden später wußte er es, daß ihm nicht etwa eine der kleinen übertrieben sittsamen Guts arbeiterinnen alle Naschhaftigkeit ausgetrieben, . . . sondern des alten Tautwitz einziges Töchterlein, das ihn während des notwendigen Beisammenseins einfach übersah. Die beiden Tage in ihres Vaters Hause waren ihm da mals furchtbar peinlich gewesen. Er versuchte mit allen Mitteln ihre Verzeihung zu erlangen. Allein ... sie wür digte ihn keines Wortes und Blickes. Nur ihr feingeschwun gener Mund begann leicht zu zittern und ihre Hellen Augen zeigten einen dunklen Schein des Zornes, sobald er die von ihr beliebte Distanz von mindestens zwanzig Schritt Ent fernung zu verringern drohte. So war er denn, ohne ihre Verzeihung zu erlangen, geschieden . » . und hatte gemeint, den kleinen Vorfall sehr schnell wieder zu vergessen. Selt samerweise aber war ihm das bisher nicht gelungen. Von den jungen Wüchsen hörte er zuweilen, daß sie spröde und unnahbar wie eine Kaiserin-Witwe sei und dabei doch das reizendste Geschöpfchen, das es überhaupt geben könne. Das mußte er ihr bestätigen, als er ihr jetzt beim Mittagsmahl gegenübersaß. Sie erschien Hm noch viel schöner wie einst. Mit keiner Miene verriet sie das Erinnern an die unangenehmen Ereignisse der Vergangenheit. Nur