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Amts- und Änzeigeblatt für den Amtsgerichtsbezirk Eibenstock und dessen Umgebung Bezugspreis vlerteljährl. M. 1.50 einschließl. des „Jllustr. Unterhaltungsblatts" und der humoristischen Beilage „Seifenblasen" in der Expedition, bei unseren Voten sowie bei allen Reichspostanstalten. für Eibenstock, Larlsfeld, Hundshübel, Neuheide, Oberstützengrün, Schönheide, Schönheiderhammer,Sosa,Unterstützengrün,wildenthalusw. Tel.-kldr.: Kmtrblatt. Verantwortlicher Redakteur, Drucker und Verleger: Emil Hannebohn in Eibenstock. -------- -- r— 57. Jahrgang. ------- - T4T. Dienstag, den 18. Oktober Erscheint täglich abends mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage für den folgenden Tag Anzeigenpreis: die kleinspaltiae Zelle 12 Pfennige. Im amtlichen Teile die gespaltene Zeile 30 Pfennige. Fernsprecher Nr 210. Wegen vorzunehmender RU«ig««g bleibt das «em-ind-amt und das Köalgl. Standesamt am Montag, den 17. dieses Monats von nachmittag- 1 Uhr ab und Dienstag, den 18. dieses MonatS vollständig geschlossen. Dringliche Angelegenheiten werden am Dienstag von S—10 Uhr vormittags erledigt. CarlSfeld, den 13. Oktober 1910. Der Gcmcindevorstand. vanernseind. Der Ausstand der Eisenbahner in Frankreich. Das französische Eisenbahnnetz ist zum größten Teil in Besitz von Privatgesellschaften, nur ein kleiner Teil hat Staatsbahnbetrieb. Der gegenwärtige Ausstand hat jedoch nichts mit der Frage der Verstaatlichung der Eisenbahnen zu tun. Ebenso wenig ist er rein wirt- schastlicher Natur. Zwar schweben schon lange Diffe renzen zwischen den Angestellten und den Bahngesell- chasten über eine Erhöhung der Löhne, und es läßt ich nicht leugnen, daß die Lage der Angestellten nicht günstig ist und die Gesellschaften wenig oder nichts für hre Verbesserung getan haben. Aber der Ausstand iellt sich doch deutlich als eine Machtprobe des revo- utionären Arbeiterbundes heraus, dem sich auch die organisierten Eisenbahner angeschlossen haben, und der die ganze französische Gewerkschaftsbewegung be herrscht. Schon daß der Ausstand plötzlich über Nacht ohne jede Ankündigung erklärt wurde, ließ auf den politisch revolutionären Hintergrund der Bewegung schließen. Bald wurden aber auch Versuche gemacht, die Angestell ten der Pariser Untergrundbahn, ferner die Elektriker und die Maurer in den Ausstand hineinzuziehen und damit die schweren Verkehrs- und wirtschaftlichen Schä digungen sowie die großen Verlegenheiten der Regie rung zu vermehren. Und nun ergibt sich die merkwürdige Erscheinung, daß eine ganz und gar radikale Regierung sich genötigt sieht, mit radikalsten Mitteln gegen die Eisenbahner und den Arbeiterbund vorzugehen. Der Ministerprä sident Briand ist ein alter Freund und Genosse von Jaures, dem Führer der französischen Sozialdemokra ten, ebenso sind der Handelsminister Millerand und der Arbeitsminister Viviani aus der sozialistischen Par tei hervorgegangen. In denselben Räumen, wo Briand früher das Gewaltmittel des Generalstreiks predigte, werden jetzt in seinem Auftrage die Mitglieder des leitenden Komitees der Eisenbahner verhaftet. Der Krtegsminister muß sämtliche noch dienstpflichtigen Ei senbahner zur Fahne einberufen und so bewirken, daß sie unter dem Militärgesetz Gehorsam zu leisten haben. Die Ausständischen und ihre Hinterleute schreien na türlich über Vergewaltigung und Verletzung der Gesetze, und während die Bourgeoisie der Regierung die An wendung ungesetzlicher Mittel gegen den Ausstand nach sieht, mischen sich auf der anderen Seite anarchistische Bombenwerfer hinein und werden Akte der Sabotage verübt, d. h. die Vernichtung von Material, um die Fortsetzung des Eisenbahnbetriebes zu hindern. Unzweifelhaft wird es der Regierung gelingen, die Fortsetzung und Ausdehnung des Streiks zu verhin dern. Aber die Macht des Arbeiterbundes ist damit keineswegs gebrochen, und der Eindruck wird sich ver tiefen, daß die Regierung der französischen Republik, die im letzten Jahrzehnt so viel Kraft auf die Austrei bung der Kongregationen und die Trennung der Kirche vom Staate verwendet > hat, sich in viel stärkerem Maße dem Wohle der arbeitenden Klassen widmen muß, die in Frankreich fast aller der Wohltaten entbehren, die in Deutschland die soziale Gesetzgebung geschaffen hat. Tagesgeschichte. De«tMa»v. — Der Kaiserbesuch in Brüssel. Nach der „Nordd. Allg. Ztg." ist nachstehendes Programm für den Besuch des Kaisers in Brüssel festgesetzt: Die An kunft erfolgt am 25. Oktober, 3 Uhr nachmittags, auf dem Nordbahnhof. Abends findet ein Galadiner nach Empfang des diplomatischen Korps statt. Für den 26. ! Oktober ist ein Besuch der Ausstellung für alte Kunst sowie des Rathauses geplant. Abends findet ein Diner bei der Gräfin von Flandern und im Anschluß daran eine Galaöper statt. Für den 27. Oktober ist der Besuch des Parkes von Lacken, nachmittags der Empfang der deutschen Kolonie und hieraus ein Diner in der Gesandt- s schast vorgesehen. .Hiernach erfolgt die Abreise nach j Berlin. — Jubelfeier der Berliner Kriegsaka demie. Am Sonnabend fand in Berlin in Anwesen heit des Kaisers die Feier des hundertjährigen Beste hens der Kriegsakademie statt. — Exzellenz Dr. R. Koch f. Der frühere Präsident des Reichsbankdirektoriums, Exzellenz Dr. Koch ist Sonnabend Vorm, in Charlottenburg gestorben. — Der Wiener Aufenthalt des Herrn v. Kiderlen-Wächter. Den anderslautenden Preß stimmen gegenüber erfährt das „Hirsch'sche Telegra phenbureau", daß der Wiener Aufenthalt des Herrn v. Kiderlen-Wächter und die Unterredung desselben mit dem Grafen Aehrenthal einen völlig privaten Charakter getragen hat. Zu einer politischen Aussprache lag au genblicklich nach den eingehenden Besprechungen der beiden Staatsmänner in Marienbad keinerlei Veran lassung vor. — Ein erlogenes Interview. Das in Bu karest erscheinende Blatt „Adverul" veröffentlichte ei nen Bericht über eine Unterredung eines Mitarbeiters mit dem Staatssekretär des Aeußeren von Kiderlen- Wächter, worin Herr v. Kiderlen aufsehenerregende Aeu- ßerungen getan haben soll. Die dem Staatssekretär von Kiderlen-Wächter in den Mund gelegten Aeußerun- gen des „Adverul" sind apogryph. Herr von Kiderlen- Wächter hat sich allerdings verschiedenen Persönlichkei ten gegenüber darüber geäußert, daß die vexatorischen Gesetze des Herrn Orleano danach angetan sind, die In dustrie zu bedrücken, das fremde Kapital zu beunruhigen und speziell die Unternehmungen der in der Petroleum industrie angelegten bedeutenden deutschen Kapitalien zu beeinträchtigen, alles übrige ist jedoch erfunden. — Zur Borkumer Spionageangelegen heit. Während die beiden Engländer wegen der Bor kumer Spionage in Leipzig gefänglich festgehalten wer den, gehen still, aber eifrig die Nachforschungen über ihr Treiben weiter. Wie dem „Hamb. Fremdenbl." geschrieben wird, ist der in der Spionagesache in Kux- Haven aufgetauchte Verdacht, daß eine kleine englische Motorjacht, die zu Anfang August dort weilte, mit den Borkumer Spionen in Zusammenhang gestanden hat, inzwischen von der zuständigen Behörde weiter verfolgt worden, und es haben die Nachforschungen zu näheren Feststellungen über den Namen und die Zeit des hiesigen Aufenthalts der Jacht geführt. Die in dieser Angele genheit erfolgten Ermittelungen entziehen sich der Oef- fentlichkeit. Es ist jedoch schon jetzt als feststehend zu er achten, daß man fortab den verschiedenen ausländischen Jachten, die namentlich im Sommer unter allerlei Gründen in Kuxhaven in den Häfen Liegeplatz zu neh men pflegen, eine besondere Aufmerksamkeit widmen wird, wie ebenso den auf der Reede ankernden Jachten besondere Ankerplätze angewiesen werden dürften. Wie weiter verlautet, ist die Besteigung des Leuchtturms die nur noch in ganz besonderen Fällen nach vorher entsprechend eingeholter Erlaubnis gestattet wurde, jetzt gänzlich verboten worden, so daß nicht einmal mehr Angehörige des Leuchtturmwärters den Turm betre ten dürfen. Inwieweit auf Grund der Kuxhavener Ermittlungen noch sonstige Vorkehrungen zu treffen sind, scheint noch nicht entschieden zu sein, doch darf nach früheren Verlautbarungen damit gerechnet werden, daß der Kuxhavener Strand- und Badeverkehr dadurch keine Beeinträchtigung erfährt. — Der Reichstag und das Tempelhofer Feld. Kurz nach seinem Zusammentritt wird dem Reichstag ein Nachtragsetat über die Erwerbung des Tempelhofer Feldes durch die Gemeinde Tempelhof zu gehen. Die Heeresverwaltung wird — wie die „ Ml- pol. Korrefp." hört — dabei die besonderen Gründe aus einandersetzen, die zur Ausschaltung der Stadt Berlin als Käufer des Riesenterrains geführt haben. Während der Bebauungsplan von Tempelhof die Schaffung ei ner Muster-Gartenstadt vorsah und 43 Prozent des Grund und Bodens für Straßen und freie Plätze dis ponierte, ging, sicheren Informationen an die maßge benden militärischen Stellen zufolge, die Absicht des Berliner Magistrats dahin, daß auf dem alten Exerzier gelände ein Zentralbahnhof von ungeheueren Dimen sionen erstehe, wodurch in der Folge große Teile der jetzigen großen südlichen Lunge der Reichshauptstadt sraglos der ausgiebigsten Bebauung und wilder Hotel- und Häuserspekulation ausgeliefert worden wären. In Verbindung mit diesem Projekte sollte, zum Teil im Austauschwege, von der Preußischen Eisenbahnverwal tung der Potsdamer und der Anhalter Bahnhof mit dem dazugehörigen Streckengelände erworben, beide Terrains zu Verkehrsregulierungen benutzt werden. Der ganze Plan hätte eine ungeheure Umwälzung der Bodenwerte an der Königgrätzerstraße einerseits, in der Bellealliancestraßengegend auf der anderen Seite mit sich gebracht. Es unterliegt keinem Zweifel, daß das Teltower Projekt vom Standpunkte des Allgemein interesses das weitaus mehr sympathische ist. Das Kriegsministerium hat sich, wie die glatte Bewilligung der Verträge mit Teltow im Reichstage ergeben dürf te, das hohe Verdienst erworben, dem Süden Berlins, wenigstens soweit dies möglich war, auch für die Zu kunft erträgliche sanitäre Lebensvorbedingungen erhal ten zu haben. — Verwendung Gefangener bei Lan deskulturarbeiten. Der Oberstaatsanwalt in Kiel hat die Einschränkung der Gefängnisarbeit und die Verwendung von Gefangenen zu Landeskulturar beiten, namentlich zur Aufforstung von Oedländereien verfügt Der Regierungspräsident unterstützte dieses Vorgehen und empfahl die Einstellung von Gcrichts- gefangenen namentlich wenn freie Arbeiter in genü gender Zahl nicht zu haben sind. Die günstigen Er folge rn Westfalen veranlaßten die Oberstaatsanwalt schaft, den Heidekulturverein der Provinz Schleswig- Holstern aufzufordern, der Sache näher zu treten. Die Leitung des Vereins teilte mit, daß jetzt eine größere Fläche Landes aufgeforstet und die Verwendung Gefan gener ernstlich geprüft werden solle. Vesterreich-Ungar». — Wien, 15. Oktober. In der gestrigen Sitzung des Ausschusses der österreichischen Delegation bestä tigte der ehemalige Handelsminister Baerenrei- ther, daß sich zwischen Deutschland, Oester reich-Ungarn und der Türkei ein Einverständnis vorbereite, das eine sehr große militärische Bedeutung habe und vom Belt bis zum Bosporus eine starke Frie- dcnsaufstellung bedeuten werde. gfrankreich. — EineVerschwörungzurSabotage. Die Ausstandsbewegung auf den französischen Staatsbah nen ist jetzt fast vollständig zum Stillstand gekommen und der Verkehr auf allen Linien ist nahezu normal. Die Zahl der Reisenden hat wieder zugenommen und die Beförderung ist größtenteils glatt von statten ge gangen. Dagegen mehren sich die Nachrichten von Ge waltakten, die sowohl gegen Arbeitswillige als gegen Material begangen werden. Laut nachstehenden Mel dungen soll sogar die Polizei Beweise dafür bekom men haben, daß eine förmliche Organisation zur Zer störung des Eisenbahnbetriebes vorbereitet war. — Paris, 15. Oktober. Ungeheures Aufsehen er regt es hier, daß es der Polizei gelungen ist, die Spuren einer Verschwörung auszudecken, zu deren Organ sich das bekannte sozial-revolutionäre Blatt des Pro fessors Hervs gemacht hat. Es fiel den Behörden auf, daß so ziemlich gleichzeitig mit dem Beginn des Eisen- bahncrstreiks Mitteilungen einer unbekannten Ver schwörergruppe im „Sozialen Krieg" erschienen, in wel chen die zukünftige Sabotage bei den Eisenbahnen ver herrlicht wurde. Eine solche Glorifikation ist auch in der heutigen Nummer des „Sozialen Krieges" veröf fentlicht worden, in welcher gleichzeitig die Eisenbahner vor der Beschuldigung in Schutz genommen werden, daß sic es sind, welche die Beschädigungen des Bahn körpers, der Weichenanlagen und die Durchschncidung der Telegraphen- und Telephondrähte verübt haben. Diese Sabotage verübte vielmehr eine den Eisenbahnern fern stehende Gruppe, und sie werde, so wird angc- droht, mit dem Zerstörungswerke so lange fortfahren, als nicht die über die streikenden Eisenbahner verhäng- ten Bestrasungen und Maßregelungen zurückgezogen werden würden. Die Verhaftung der beiden Redak teure des „Sozialen Krieges" hängt mit der Aufdeckung