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Sächsischer Landes-Anzeiger : 09.07.1891
- Erscheinungsdatum
- 1891-07-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-189107094
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18910709
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18910709
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsischer Landes-Anzeiger
-
Jahr
1891
-
Monat
1891-07
- Tag 1891-07-09
-
Monat
1891-07
-
Jahr
1891
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 09.07.1891
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lr. 156. — 11. Jahrgang. Sächsischer di» an jedem Wochentag Abend (mit dem datum de» folgenden Tage») zur Ber- k sendung gelangende unparteiliche Zeitung „Sächsischer Landes-Anzeiger" mit täglich einem Lxtra-Belblatt: 1. Kleine Botschaft L. Sächsischer Erzähler v. Sächsische Gerichtszeitung 4. Sächsisches Allerlei ». Jllnpr. Unterhaltnngsblatt 6. Sonntagsblatt 7. Lustiges Bilderbuch lostet bei de» Ausgabestellen nionatli'ch 70 Pfg., bei den Post-Anstalten 7b Psg. -Ailfklllel Donnerstag, S. Juli 18S1. Der Sächs. LandeS-Anzeiger ist für da» Jahr 1881 eingetragen in der deutsche« Post-ZeitungS-PreiSliste unter Nr. 5419>, in der Ssterreichischen unter Nr- Sb-L Für Abonnenten erscheint je einmal im Jahrr Jllnstr. Weihnachtsbuch (Jahrerbuch). Berbreitetstes unparteiisches tägliches Lokalblatt. Die Hauptblätter der »Sachs. Landes-Anzeigers" erscheinen (ohne dessen Extra-Beiblätter) auch in einer billigeren Sonder-Ansgabe als; „Chemnitzer Gene val-Anzeiger" für Chemnitz monatlich 40 Psg. freHnS Haus; außerhalb Chemnitz monatlich 80 Pfg.mit Zutragen. Postzeitnugspreisliste fär 1891: Nr. 1315. Berlags-Anstalt: Alexander Wiede Chemnitz, Theaterstraße Nr. 5. Fernsprech-Anschluß Nr. 188. Telegr -Adr.: Lander-Anzeiger, Chemnitz. «nzeigenpreis: — Unter „Klein ,, .. .. . Die Anzeigen finden ohne Preis aufschlag gleichzeitig Berbreitnng durch den preis: Raum der 6ge!paltenen Corpuszeile (ca- 10 Silben fassend) für in Sachsen wohnende Inserenten 15 Pfg., für außerhalb Sachsen wohnende Inserenten 20 Pfg. — Bevorzugte Stelle (Ispaltige Petitzeile) 30 Pfg. „Kleine Anzeigen die 8gespaltene Petitzeile (ca. 8 Silben fassend) 10 Psg. Anzeigen können »nr bis Vormittag angenommen werden, da Druck und Verbreitung der großen Auslage längere Zeit erfordern.— mm— ^Chemnitzer General-Anzeiger" (billigere Sonder-AnSgabe der Hanptblätter des „Sächsische» Landes-Anzeigers" ohne dessen tägliche Cxtra-Beidlälter). Drahtnachrichten unseres Anzeigers. Vom 8. Jnlk. Wie«. Die Pferde des zivischeu Peetzvurg «ud Hatuburg verkehreudeu PostwageuS wurden durch einen entgegenkommenden Radfahrer scheu gemacht. Der Postwagen stürzte mit den Passagieren die steile Strotzen- böschung hinab. Zwei Pastagiere wurden schwer verletzt. Elyria. In Elyria im Staate Ohio versuchte Mist Dentley mit einem Ballon anfzusteigen. In einer Höhe von 60 Kuh verwickelte sich derselbe 1» einen Banmwipfel. Mitz Dentley wurde herans- gefchleudert und getödiet. Temesvar. Der Weizenschnitt hat aller Orten be gonnen. Die Qualität erweist sich überwiegend als vor züglich, die Quantität zumeist jedoch nicht überaus reichlich. Petersburg. Die kaiserliche Familie gedenkt, im Laufe dieser Woche in Willmannstrand (Finnland) einzntreffen, um in der dortige» kaiserlichen Cottage mehrere Tage zu verbringen. Die national-finnischen Truppen — Infanterie und Kavallerie - sowie grötzere Abtheilttnge» der nach Finnland verlegten russische» Garnisonen sind in der Gegend von Willmannstrand znsammettgezogett worden. Warum? Chemnitz, 8. Juli 1891. Wenn man jetzt durch die Straßen von Berlin geht (und in anderen deutschen Großstädten werden die Verhältnisse wvhl ebenso liegen), sieht man häufig genug ganze Trupps von stellensuchenden jungen Leuten, die jeden Vorübergehende» darauf ansehen, ob er wohl im Stande sei, ihnen Arbeit zu gebe». Noch deutlicher tritt dies in die Erscheinung vor den Bnrcanx der Stellenverinittler und ähnlicher Einrichtungen, vor den Expeditionen solcher Zeitungen, welche zahl reiche diesbezügliche Annoncen enthalten, und an sonstigen Orte». Der großen Mehrzahl dieser arbeitslosen Persönlichkeiten sieht man es auf den ersten Blick an, daß ihnen Von der ursprünglichen Hoff- nungsfreubigkeit, mit welcher sie nach der großen Stadt kamen, schon ein ganzes Stück abhanden gekommen ist; a»S nicht weuigen Gr sichtern spricht direct die Sorge, aus verschiedenen auch die beginnende Verzweiflung. In den Taschen steckt vielleicht noch eine Mark von den dreißig, die man mitgebracht hat, vielleicht auch noch weniger, und wenn auch diese ansgegeben sei» wird, was geschieht dann? Da»» bleibt nur der Bettel oder noch Schlimmeres übrig. Es ist Thatsache, daß die Zahl der Slellcnsuchenden in den großen Städte» heute wieder eine recht starke ist, während aus dem flache» Lande und in den Mittet- nnd Kleinstädten vielfach Arbeitermangel herrscht. Es sscheint unmöglich, den Leuten die Wahnvorstellung anszulreiben, daß in den großen Städten das Geld nur so aus der Straße liege, daß man nur znzuqreifcn brauche, um es in Hülle und Fülle zu ver dienen. Einem oder dem anderen Bekannten ist es in der großen Stadt vielleicht einmal geglückt; er rcnommirt deshalb mehr, als gerade gut ist, unb reißt zwanzig und dreißig Andere, die seinem Beispiele folgen, dadurch in's Unglück. Schließlich schlagen sich einzelne junge Leute ja noch immer durch; aber das Schicksal von Familien, sie auf gut Glück das Gewisse verlassen und dem Ungewissen zu streben, ist ein doppelt beklagenswerthes. Warm» aber nun dieser un stillbare Zug nach den große» Städte»? Die Welt malt sich in den Köpfen vieler Menschen oft wunderlich, und so sind die Hauptgründe denn: daß in der großen Stadt ungeheuer viel Geld veroient wird, ungeheuer viel Vergnügen ist und ungeheuer wenig gethan zu werden braucht. Alle diese Voraussetzungen sind unrichtig in ihrer blinden -Ansfassung; die Dinge liegen ganz ander». Daß in jeder großen Stadt viel schärfer gearbeitet werden muß und auch gearbeitet wird als in kleineren Orte», liegt ans der Hand. Die gesammlcn Anlagen koste» weit mehr Geld, die hohen Unkosten zwingen zu einem schnelleren Geld-Ronlire», und dieses Letztere kann nur vor sich gehen, wenn die Arbeit eine schnellere und sichere ist. 7Dic großen industriellen Etablissements» die ihre» Ruf sorgfältig zu ^wahren gezwungen sind, müsse» ein Arbeitspersonal haben, bei welche!» Alles klappt nnd fliegt; da kann nicht lange unterwiesen oder Un- ! genügendes revarirt werden, da muß Jeder selbst seinen Mann stehen. Da wird meist sehr gut gezahlt, aber nicht immer; indessen dieses 'Held ist auch durch die vermehrten Anstrengungen verdient. Noch ^bindiger sieht es mit dem ungeheuren Vergnügen aus. Es giebt 1 «»endlich viele Familien i„ der Großstadt, die in ihrer Keller- oder Dachwohnung znsrieden sind, wenn sie satt zu essen und zu trinken haben, und keinen Schritt im Interesse des Vergnügtseins thnn. Dazu langt in de» allermeisten Fällen auch das Geld nicht zu. I» Berlin bekommen bcispielsweisediemeistenArbeiterwohlbis24—25Mark, rund 25 Mark gesagt, pro Woche, aber viele auch nur bis 18 Mark. Ein Wochenlvhu von 25 Mark bedeutet 1300 Mark pro Jahr. Die Miethe wird unter 225 Mark kaum sein, beträgt aber häufig genug bis 330 Mark und darüber» wen» der Arbeiter bis zur Arbeitsstätte nicht wer weiß wieviel Geld verfahren will. Es bleiben günstigen Falles also 1000 Mark pro Jahr. Davon gehen ab Steuern, die Cassenbeiträge und Unterhaltnng der Wohnung; denn die HanSwirthe denken sehr selten daran, auch nur einen Pfennig für die Instand. Haltung der Wohnung anszngeben. Die Lebcnsmittelpreise sind sehr hoch im Preise heule in Berlin, die Kleidung kostet trotz der „Goldenen Hundertzehn" erheblich mehr, die ganze Lebensweise erheischt mehr Ausgaben, nnd sind Kinder vorhanden, daun muß die Frau sehr tapfer 'Mitarbeiten und Geld zu verdienen suchen, wenn die Dinge gehe» sollen. Nu» braucht aber nur das kleinste Malheur, Krankheit re. zu kommen, dann steht Alles still. So geht cs den Berliner Arbeitern» di« Bescheid wissen. Was Zuzügler noch extra dranwenden müsse», wolle» wir gar nicht weiter sage», nnd ebensowenig, daß dieselben nwhl k-um mehr als 15 Mark pro Woche erhalten werde». Die Zahl der Arbeiter, die über 25 Mark und mehr bekommen, ist im Verhältnisse zur Gesammtheit nicht so sehr groß, und keinesfalls kan» »nn Jeder, der nach einer solchen Großstadt kommt, darauf rechne», ohne Weiteres in einen solchen Posten hineiuzuspringeu. Man kann gut und gern rechnen, daß die GesammtauSgaben in der Großstadt heute um ein Drittel höher sind als in der Kleinstadt, um mehr als die Hälfte höher wie auf dem platten Lande. Die scheinbar hohe» Löhne sind durch die veränderten Verhältnisse dictirt, und während man in der Kleinstadt und erst recht ans dem Lande noch häufig genug Gelegenheit zu allerlei Nebenverdiensten hat, fällt dieser in der Großstadt mit ihren weilen Entfernungen meist fort. Der allergrößte Jrrthnm ist es aber, zu glauben, die großstädtischen Arbeiter sähen den fremden Zuzug gern; das Gegentheil ist der Fall. Auch die Arbeitgeber verhalten sich vielfach kühl. Die Fertigkeit, die zu so vielen Betrieben in der Großindustrie gehört, hat nicht jeder Arbeiter; es wird in kleineren Betrieben ganz gewiß im Einzelnen mehr gelernt» aber wenn die Lvosnng bei der Stückarbeit ist: „Nur schnell und sicher!" dann hapert es oft genug. Am allerungünstigste» sind die Aussichten in der Großstadt für Landarbeiter. Der groß städtische Tagelöhner trägt heule auch keine Schätze nach Hause, und Landarbe-ter. die meist gewohnt sind, stark zu essen» werden sich bei den großstädtischen Preisen doppelt »»behaglich fühlen. Beim Zuge nach der Großstadt ist heute das Meiste nicht Gold, was glänzt; cs sind viele, unsagbar viele Enttäuschungen dabei. Niemandem kann ja verwehrt werden, sein Glück zu mache», aber dann muß das auch auf solide» Grundlagen geschehe». Bloß sagen: »Wir gehen nach der große» Stadt, und dort wird'S schon von selber gehen," ist ein Un verstand sonder Gleichen. Ist der unüberlegte Schritt gethan, dann giebl'S freilich kein Rückwärts mehr. Darum sollte es sich Jeder doppelt nnd dreifach überlegen, ehe er aus, wenn auch bescheidene», aber doch sicheren, feste» Verhältnissen heraustritt in das Ungewisse der Großstadt. Politische Nu„dschir,t. Chemnitz» den 8. Juli. Deutsches Reich. Zum Kaiserbesnch in England. Die Londoner Zeitungen, welche bisher stets hervorhobcn, daß der Besuch des deutschen Kaiserpaares keine besonderen politischen Folgen haben würde, werden nachgerade etwas anderen Sinnes. So schreibt die „Times", die sonst freilich als recht arge politische Mantellrägerin bekannt ist: „Es besteht kein Zweifel über die Aufrichtigkeit der Empfindungen, welche die große Menge des englischen Volkes anläß lich der sichtbaren Beweise beseelt, doß die Elemente jener großen Allianz, welche vor dreiviertel Jahrhunderten Europa befreite, zu bestehen nicht aufgehört habe». Das englische Volk nimmt nicht ohne Befriedigung wahr, daß die Elemente dieser Allianz eine Stärkung durch das Band erfahren haben, welches die Herrscherhäuser von Deutschland und England verknüpft. Diese Festigung der teutonischen Staaten birgt keinerlei Bedrohung irgend welcher anderen Macht; dieselbe ist nur eine weitere Sicherung dafür, daß der Welt ber Friede» bewahrt Jeibt." Das ist auch gerade genug. In Paris wird diese Sprache schon verstanden werden. Auch viele andere britische Zeitungen äußern sich im gleichen Sinne. — Ueber die Hochzeitsfeierlichkeiten in Windsor, welchen der Kaiser und die Kaiserin beiwohnten, liegt folgender interessante Privalbericht vor: I» der schönen alten golhischen Sanct George's-Chapel auf Winvsor-Castle fand Montag zivischeu vier nnd fünf Uhr die Trauung des Prinzen Aribert von Anhalt mit der Prinzeß Luise von Schleswig-Holstein in Gegenwart des deutsche» Kaiserpaares, der Königin und der ganzen königlichen Familie statt. Die hübsche Stadt war auf's Festlichste geschmückt mit Fahnen und Blumen. Vor de» Fenstern ans dem Plateau ri»gs um den Capellcn- Nnndthurm, im Schloßgebäude vor dem alten Fachiverk-,ä»schen nnd längs der Mauern harrte die Menge der Zugelassenen. Das drei- schifsige, von prächtigem Steingcwölbe überdachte Innere der Gcorgs- capelte füllte sich zu beiden Se-te» des breiten rothbedeckten Mittel- ganges vom Westportal zni» Chore hin mit eingeladene» Damen nnd Herren der Gesellschaft in Promenadentoilette, zuvorderst eine Reihe greiser Officiere oder Georgsrilter i» Scharlachrvcken. Das prachtvoll geschnitzte gothische Cborgestühl, über welchem von den Gemälden, Fenstern und den Pfeilern in langen Reihe» die Banner mit de» Wappen der Prinzen und Edlen hereinhängen, war dem Hofe und den fürstlichen Trauzeugen Vorbehalten. Einzeln und in Gruppe» kamen von drei Uhr an hohe deutsche und englische Hofbeamle, Officiere und Damen der hohe» Aristokratie in großer Hostoilelte vom Westporlal her durch das Mittelschiff geschritten nnd wnrdcn zu ihre» Plätzen im Gestühl des von farbiger Dämmerung erfüllten Chores geleitet. Der Herzog von Cambridge, Herzog Teck nnd Gemahl!»' der Erbprinz von Waldeck-Pyrmont, die Prinzen Eduard von Weimar nnd Victor von Hohenlohe erschienen dort. Ter Lord-Chamberlain, ei» Herr mit langem grauen Barle, einen langen Helle» Stab tragend, harrte am Westportal, zu dem vom Schlvßhofe ein roth und weiß bekleideter Zellgang führte, auf die Ankunft der höchsten Gäste. Um 3 Uhr 30 Minuten erklang die Orgel, Chorknaben und Geistliche in weißen Chorhemden zogen durch das Mittelschiff dem Portale ent gegen. Am Altar standen der Erzbischof von Canlerbury und die Dekane, bekleidet mit weißen Chorhemde». Das Chorgestühl füllte sich mehr nnd mehr. Herzog Fife mit einem schottischen Plaid auf der Schulter, sowie der Herzog nnd die Herzogin von Edinbnrg l kamen hercingeschritle», ferner der Herzog von Anhalt und Gcmahlii., Herzog Ernst Günther von Schleswig-Holstein, der Herzog von Mecklen- burg-Strelitz, endlich der Kaiser und die Kaiserin» der Prinz und die Prinzessin von Wales mit ihrem Gefolge. Der Lord Chamberlain führte rückwärts gehend und das Gesicht den Herrschaften zngcwendet, den Zug zur Kirche hinein. Der Prinz von Wales im rothen Koller und in hohe» Stiefeln geleitete die Kaiserin, welche eine Robe vom zartesten Wasscrgrün mit weißen Spitzen, das Band des Schwarzen Adlerordens, ein Brillanlencvllier und Smaragde von außerordentlicher Größe i», Digdem trug. Dtt Kaiser, in der Uniform de» 1. Garde- Dragoncr-NegiincnlS mit dem großen Bande des Ordens Albrecht'S dcs Bären, führte die Prinzessin von Wales. Sie nahmen ihr« Plätze auf de», Hauptpas nördlich des Altars. Die Orgel schwieg lange; es wurde die Ankunft der Königin vergebens erwartet. End lich um 4 Uhr 25 Minuten kam sie mit der Mutter der Braut und den anderen Prinzessinnen, in Schwarz >»it weiße» Spitzen gekleidet, durch das Südportal in den Chor geschritten und ließ sich neben dem Kaiser nieder, der ihr ehrfurchtsvoll die Hand küßte. Der Bräutigam mit seinen beiden Brüdern war bereits erschienen. Der Gesang der Chorknaben und Sänger am Westportal erklang in den lieblichsten Weisen. Die Braut im weißen Schleier und Atlas-Schlepp kleide, mit dem Brautkränze und einen großen Strauße weißer Blumen tragend, schritt zwischen ihrem Vater und Bruder herein, gefolgt von sechs Brautjungfern mit Sträußen gelber Rosen. So schritt der Zug zum Altar, wo der Bräutigam die Braut empfing. Der Erzbischof von Canterbnry vollzog die Trauung. Zwischen der Predigt und dem Gebet erklang immer wieder jener Helle, zarte, srendige, kaum an kirchlichen Ernst erinnernde Gesang des Knabenchores. Al» di« Ringe gewechselt nnd die Ceremonie vollzogen war, wurde das Braut paar von der Königin, dem Kaiserpaar und den Anderen beglück wünscht, und unter dem Orgelklange von Mendelssohn'- Hochzeits- marsch verließ das Brautpaar in der vorigen Ordnung die Capelle. Draußen wurde es von lansendstimmigen Zurufen der Menge begrüßt. — Am deutschen Kaiserhofe wurde am Dienstag der Geburtstag des Prinzen Wilhelm Eitel-Friedrich, deS Zweitältesten SobneS des Kaiserpaares, festlich begangen, au» welchem Anlaß gleich zeitig in der Georgshalle de» englischen Konigsschlosses Windsor ein Prnnkmahl stattfand. Der Prinz, welcher sein elftes Lebensjahr voll endet, befindet sich zur Zeit mit seinen ältesten Brüdern in Felixtown an der Themsemündung, Ivo dieselben den Sommer verbleiben werdeiu — Große Beachtung findet in London eine soeben erschienen« Bro schüre: „Der junge Kaiser", die psychologisch den Wechsel nachznweisen sucht, der den streng militärisch-gesinnten Prinzen Wilhelm in de»' Votksfreund und Friedenssürste» Kaiser Wilhelm II. umgewandelt hat. — Die Ministerreise nach Ostpreußen. Der Finanz- minister vr. Mcquel und der Handelsminister von Berlepsch sind in Begleitung des Regierungspräsidenten von Holwedi Dienstag Vor mittag von Danzig in Elbing eingetroffen und begaben sich sofort vom Bahnhofe ans mit dem Oberbürgermeister Elditt, dem Landrath Etzdorf nnd dem Vorsteher der Kaufmannschaft Commercienrath Peter« zur Besichtigung der Messingwerke von Räuber und der Schichait'sche» Werft, hierauf unternahmen die Minister mittels Dampfer- eine Fahrt nach de» Hafenanlage». Nachmittags besichtigten sie andere größer« Etablissements. Nach dem Diner fan.en Berathnngen statt, abend- ersolgte da»» die Weiterreise nach Königsberg. — Nach einem Beschlüsse des Bnndesrathes über Ausprägung von Reichs-Silbermünzen sollen etwa 7 Millionen Mark in silbernen Fünfmarkstückcn, etwa dieselbe Summe in Zweimarkstücken und etwa 6 Millionen in Einmarkstücken geprägt werden, und die Vertheilnng dieser Prägung anf die einzelnen Münzstätten nach den bisher üblichen Procentsätzen erfolge». — Uebcrdie Untersuchung in der BochnmerStempel. Angelegenheit macht die „Wests. Volksztg." auffallende Mit- theilunge». In einer Erwiderung gegen die „Köln. Ztg." erklärt da» Blatt: „Am 4. Juni, Morgen» 9 Uhr, hat unser Verlheidiger, Rechtsanwalt Kohn, dem Ersten Staatsanwalt Schlüter und dem Staatsanwalt Landmeyer in Esse» mündliche Anzeige von de» auf dem „Bochniner Verein" vorgckommenen Betrügereien erstattet. Er hat den Herren genau angegeben, in welcher Werkstättc die falschen Stempel angefcrtigt und aufbewahrt würden, und einen ortskundige» Führer gestellt, damit auf dem „Bochniner Verein" sofort eine Haus suchung vorgenommen werde. Leider hat die königliche Staatsanwalt schaft sich hierauf nicht eingelassen. Die von uns verlangte Haus suchung hat nicht stattgcfnnde», und die auf dem „Bochniner Verein" aufbewahrle» falschen Stempel sind natürlich sofort nach dem Bckannt- werden nuferer Beschuldigungen in den Schmclztiegel gewandert. Hätte die königliche Staatsanwaltschaft unserer wohlüberlegten und gut begründeten Forderung entsprochen, so hätte sic die falschen Stempel jetzt nach Dutzenden im Besitze." ES bleibt abznwarten, was für Maßregeln die Staatsanwaltschaft aus diese verdeckte Anschuldigung der Pflichtversäninniß ergreifen wird. — Die Steuerfreiheit des Branntweins für Heil zwecke. Hinsichtlich dem Bnndesrathe zugegangcner zahlreicher Ein gaben betreffs der Steuerfreiheit des Branntweins für Heilzwecke hat sich derselbe insofern ablehnend verhalte», als die Eingaben nachträglichen Erlaß oder Vergütung erlegter Branntweinsteuer verlangten; i>» llebrigen aber, soweit diese Eingaben eine allgemeine Regelung der Steuerfreiheit des Branntweins für Heilmittel, insbesondere auf die Ausstellung eines Verzeichnisses solcher Heilmiitcl, für welche steuerfreier Brannt wein verwendet werden darf, erstrebten, wnrdc» dieselben dem Reichs kanzler überwiesen. — Das Verhältnis, zwischen Neichsversichcrnngsamt nnd Berufs- genosscnschstzften hat sich neuerdings wesentlich anders als früher gestaltet, indem eine festere Ordnung aller Einrichtnngen ein größeres Vertrauen auf Seile» der Behörde hervvrgerufcn hat. Nachdem schon in der Frage der Errichtung eigener Krankenhäuser da» Ncichs- versichcrnngsamt bereitwillig die Mittel und Wege gewiesen hat, durch welche die erforderlichen Beträge ohne Verstoß gegen die bestehenden Satzungen aufgebracht werden könne», ist auch die Frage der Pcnsivnirnng der Beamten der Genossenschaften neuerdings in Er- wägnng gezogen worden. Es ist dabei von großer Wichtigkeit, daß unter Abschnng von der Ausstellung besonderer Statuten und PensionS- cassen die Regelung dieser Frage in einem bestimmten Umfange de» Vorständen frei überlassen werden kann. Nachdem Präsident Or. Bödicker selbst eine wohlwollende Stellung zur Sache genommen, weil man den Genossenschaften, die sich in jeder Beziehung bewährt habe», Gelegen heit zur Gewinnung tüchtiger Arbeitskräfte geben muß, steht zu erwarte», daß unter amtlicher Zustimmung der Behörde demnächst die Pensionirung der Beamten der Berufsgenossenschaften nach Maßgabe de» Bedürfnisses zur Durchführung gelangen wird. ^
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