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Ums Geld. Original-Roman von W. Harb. «Fortsetzung., 2. mold von Haakes Leib ruhte in der Familiengruft. Betäubt, zermartert und entkräftet durch die nerven- quälenden Anstrengungen der traurigen Stunden war Karla in ihre Elternwohnung znrückgekehrt. Sie be durfte Ruhe und Sammlung. Aber die wollten nicht kommen. Äußerlich, in der Zurückgezogenheit des täglichen Da hinlebens, war sie wohl vorhanden. Denn was gibt es Einsame res, Ungestörteres als die Tage einer Witwe, für die die Außen welt kaum existiert, an deren Schwelle der Pulsschlag des Lebens halt macht? Dennoch fand sie keinen Frieden. Das neugemietete Mädchen, das für Karlas Haushalt sorgte, wuuderte sich über die Ratlosigkeit und den Unfrieden, mit denen ihre Dame behaftet Ivar. Karla hatte sonst einen gesunden Schlaf gehabt; jetzt konnte sie mitten in der Nacht aufstehen und im Zimmer umherwandeln. Oft fuhr sie aus wilden Träumen empor und suchte vergeblich der Hetze ihrer eigenen Gedanken zu entrinnen. Es war Juli geworden. Fast täglich konnte man in den vormittags wenig besuchten Parkanlagen der Elbstadt die hohe, schlanke, schwarzgekleidete Gestalt wandeln sehen, deren wunder bare Schönheit durch die Witwentracht eher gehoben als beein trächtigt wurde. Diese Stunde des Spaziergangs war die ein zige, in welcher Karla mit der Welt in Berührung kam. Sonst lebte sie ganz für sich und empfing selten Besuch. Auch ihre Lebenshaltung war gegen früher wenig geän dert, obwohl die Erbin des von Löserschen Vermögens sich einen größeren Luxus und Aufwand wohl hätte ge statten können. Sie bewohnte noch immer dieselben Räume, die sie mit ihrem Gatten einst innegehabt hatte. „Ihre Trauer ist wirklich ernst und echt", sagte man allgemein. Aber man sagte auch noch anderes. Die Millionenerb- schaft war natürlich noch eine Zeitlang Tagesgespräch. Tie Begleitumstände derselben Der Strauß als Zugtier, waren ja so eigentümlich und ausnehmend interessant, daß nicht nur die Juristen, sondern auch die Laien sich damit beschäftigten. Sie hat ein riesiges Glück gehabt! hieß cs. Nur eine eurige Stunde hat Herr von Haake länger gelebt als sein Onkel, Herr von Löser! Eine einzige Stunde, und die entschied darüber, in wessen Hände sich der Goldregen ergoß. Hätten den Gemahl der schönen Karla die Lebenskräfte ein wenig früher verlassen, dann hätte die Witwe das Nachsehen und der viele Mammon wäre den: Rittmeister Franz Eginhart von der Borcht zugefallen. Der ist nun erledigt und kann sich den Mund wischen. Klipp und klar beweisen ja die beiden dem Gericht vorliegenden gültigen Testamente das Erbrecht der jungen Frau. Kein Advokat kann dagegen etwas machen. Man wird auch die Anfechtung der Rechtsgültigkeit der Schriftstücke wohl im Ernst nicht versuchen. So beschäftigte sich die Welt mit Karla von Haakes Erbe. Rittmeister Franz Eginhart von der Borcht war bei dem Begräbnis seines Vetters Arnold zugegen gewesen. Karla hatte mit gesenktem Auge den Raum betreten, in dein die letzte Feierlichkeit stattfand. Der Sarg, unter der Blumen fülle kaum sichtbar, befand sich in der Mitte, Wachslichter und Blütenkelche verbreiteten einen betäubenden Geruch. An den Wänden standen in andächtiger Trauerhaltung die Leidtragenden. Ein Knabenchor sang eine Motette. Langsam und feierlich hallten die Klänge durch das Gemach. Karla hob unter ihrem schwarzen Schleier den Blick und traf die hoch aufgerichtete Gestalt des Rittmeisters. Er war in Uniforni. Den Helm hielt er in der Hand, den Kopf mit dem kurz geschnittenen dunklen Haar, ein wenig zur Brust gesenkt. Karla erkannte ihn sofort wieder, nach dem Bilde, das sie von ihm gesehen hatte. Ein edles, schönes, männliches Gesicht hatte er, und in der ganzen Er scheinung etwas auf den ersten Blick Sympathisches. Die Augen der Tiefverschleierten suchten sein Bild immer wieder. Und ihr Herz schlug merkwürdig unruhig. Die tiefe Stimme des amtierenden Geistlichen redete. Sie spendete wohl Trost, sie beleuchtete wohl die Lebensschicksale des Entschlafenen, sie hob sein frühes Ende hervor. Für Karla waren es nur Worte, Worte, deren Sinn sie nicht faßte. In ihr war nur ein Gedanke lebendig: Der glänzende Offizier dort wäre der Lösersche Erbe, wenn ihr Zeugnis über Arnolds Tod anders gelautet hätte. Und dann trat er hernach zu ihr, als alles vorüber war, als der Sarg in der Gruft verschwun den war und der Kirchhof sich leerte. Er sprach gute, zu Herzen gehende Worte. Karla fühlte, sie kamen auch von Herzen, sie waren so ge meint, wie sie gesprochen wa ren. „Ich komme von dem von Löserschen Begräbnis," sprach er, „und muß nun heute schon wieder eine trau rige Pflicht erfüllen. Der Tod räumt auf mit denen, die mir nahe stehen. Aber ich will nicht von mir reden: Sie, teuerste Kusine, die ich leider erst heute kennen lerne, haben ja den größeren Ver- (Mit Text.) lust erlitten." Karla wußte nicht recht, was sie erwidern sollte, so weltgewandt sie sonst war. Unwill kürlich drückte sie seine dargeboteiw Hand. Sie gingen eine Weile mrteinander, dann trennten sie sich. Karla bestieg ihren bereitstehenden Wagen. Er verbeugte sich ritterlich und umfaßte ihre Gestalt noch einmal mit einem warmen Blick. Er hatte solch em sonniges Auge. Karla hatte durch ihn erfahren, daß er in das Regiment ver setzt sei, das eine Bahnstunde von ihrer Stadt garnisonierte. So würde sie ihn Hinfort öfter sehen. Denn er hatte sie um die Erlaubnis gebeten, ihr seine verwandtschaftliche Aufwartung machen zu dürfen. Was sie dabei empfand, war ihr selbst nicht ganz klar: nur das erkannte sie mit unmittelbarer Deutlich? !: