Volltext Seite (XML)
Beilage zu Nr. W -es „Amts- und Anzeigeblattes". Eibeustock, dm 26. April 1914. Ob ihr leidet um der Gerechtigkeit willen, so seid ihr doch selig. (1. Petri 8, 14.) Zum Sonntag Miscrilordias Domini. (SonntagStktt: 1. Petri 2, 20—2L) „Mutz" ist ein bitter Kraut. Was Wunder, daß dir dein Kreuz noch bitter ist? Ich frage dich: wie geht's dir? Du antwortest Es muß sich leiden. Das „Muß" macht dir dein Leiden bit ter. Ich habe zwei Honigtröpflein, die mir all mein Leid versüßen. Sie heißen: kann und will. Jenes macht dir dein Kreuz leidlich, dies lieblich. Wie geht es? Leidlich; es läßt sich noch tragen. Wie geht es? Lieblich, mir ist all wohl dabei. Muß ich denn nicht leiden? Allerdings. Wir müssen durch viel Trübsal ins Reich Gottes gehen. Mußte nicht Jesus leiden? Golt hats von Ewigkeit beschlossen. Seinen Rat werd ich nicht umstoßen. Er hats mir in seinem Wort vor hersageil lassen; sein Wort werd ich nicht zur Lüge ma chen Ich bin ein Mensch. Der Mensch ist ein kurzer Inbegriff der ganzen Welt. In ihm als den Mittel punkt eines Zirkels kommt alles Leid zusammen, so in der Welt zu finden ist. Will ich ein Mensch sein, so m uß ich leiden. Ich bin ein Christ. Christ und Kreuz- träger ist ein Mann. Christum im Herzen, das Kreuz auf dem Rücken. Will ich ein Christ sein, so muh ich leiden. Aber es lautet doch besser: ich kann. Ich vermag alles durch den, der mich mäch tig »lacht, Christus. Bin ich schwach ? Ich kann ooch tragen, was Gott mir hat aufgelegt. Schwach in mir, stark rn Gott. Seine Kraft muß in meiner Schwachheit mächtig sein; davon, hat er Ehre. Ich will meinem Gott die Schande nicht antun, daß ich sagen sollte: Es ist unleidlich; es läßt sich nicht mehr tragen. Am allerbesten aber tue ich, wenn ich sage: ich will. Denn damit liegt das Kreuz schon aus dem Rücken und ist geschlagen. Kehr ich ihm den Rücken und lauf davon, so läufts mir nach. Geh ich ihm aber forsch unter die Augen und spreche: Sei mir will kommen; du bist mir ein lieber Gast; da ist mein Rücken, lege dich darauf, arbeite, drücke, bis du müde wirst, so nimmts Reißaus und denkt: hier ist keine gute Her- berge für dich; solch Trotzen und Klopfbieten steht dir nicht an. Du weißt, lieber Christ, was ich dir oft gesagt habe: Wenn Gott uns hat nach seinem Willen, so ha ben wir ihn wieder nach dem unsern. Will ich gern tragen, so will Gott mein schonen. Er nimmt den Willen für das Wort. Je williger daran, je eher da von. (Aus Müllers Geistlichen Erquickstunoen). Amen. 8t. Aus der Zelt der BesieimgSlriege. Nachdruck »«rb-ua 2 6. April 1814. Als Napoleon auf seiner Rei se »ach Elba bis vor Aix kam, mehrten sich die Unruhen und Kundgebungen gegen ihn derartig, daß er sich umkleidete, einen runden Hut mit auffallender wei ßer Kokarde aufsetzte und allein in einer armseligen Herberge abstieg, wo er sich für den britischen Oberst Campest ausgab. Die Wirtin der Herberge gab nun der Hoffnung Ausdruck, das Volk werde Napoleon den Garaus machen, bevor er auf das Schiff komme: wenn das aber nicht gelinge, so werde man hoffentlich ein Mittel finden, ihn tm Meere zu ersäufen. An diesem Tage war Napoleon so niedergeschlagen, daß er zu seinem Kammerdiener Pelart sagte „Man biete mir die Krone von Europa an, ich verlange sie nicht." Zur selben Zeit, da Napoleon im Begriff war, Frankreich zwangsweise zu verlassen, landete König Ludwig XVM, aus England endlich herüberkommend, wo er in der Verbannung gelebt hatte, in Calais In seiner Beglei tung befand sich sein Liebling und Vertrauter Graf Blacas, der ihm, ebenso wie zahlreiche andere unver- bcjscrliche Emigranten, ewig sagte, daß alle Welt sich »ach der Wiederherstellung der alten Zeiten sehne Dies paßte vollkommen zu seinem eigenen Sinne und so kam dieser seltsame König mit dem Gedanken nach Frank reich, daß alles, was seit einem VierteljahrhunderL g- schehen, gewissermaßen nur ein Traum gewesen 2 7. April 1814. Alle Beschönigungen können die Tatsache nicht aus der Welt schaffen, daß sich Na poleon auf seiner Reise nach Elba, allzu besorgt um sein kostbares Leben, als Feigling gezeich hat. In La Ca lade war es an diesem Tage, als Napoleon in seiner Angst die österreichische Generalsuniform anzog, die preußische Feldkappe auf den Kopf setzte und sich den Mantel des Russen Schuwaloff umhing. Der Adju tani des letzteren mußte sich bequemen, Napoleons Ue- berrock und Hut zu nehmen, um, wie der Oesterreicher Koller sagt, nötigenfalls für den Kaiser angesehen, in sultiert und erschlagen zu werden.. Aber die Liebe ist die größte. . .. Novell» von L. Gerhard- (8. Fortsetzung). „Sag s noch einmal, daß du dich von mir trennen willst, daß du deinen Schwur, vor dem Altäre geleistet und tausendmal in deinem Herzen wiederholt, brichst, die Treue nicht hältst, weil ich strauchelte." „Die eine Sünde zieht viele andere nach sich. Boll beseligenden Vertrauens lebte ich neben dir, und du täuschtest mich schon lange in Wort und Tat. Ich kann dir nicht mehr glauben." „O Irene, sei nicht so hart, so grausam' Willst du denn unser Kind des Vaters berauben?" „Soll dein Sohn die Augen einst Niederschlagen vor seinem Vater?" Er stöhnt markerschütternd auf. „Du verstehst es, zu treffen, Irene. Gut, der Sünder wird verschwinden aus deiner Nähe, du Makellose. Kehre heim und schalte nach deinem Gefallen in Rheinau und Alixhvf." „Dort ist dein Platz Ich gehe mit dem Knaben zu meiner Mutter." „Nein. Bin ich des Zusammenlebens mit dir und unserm Sohne nicht würdig, so darf ich auch nicht mehr den heimatlichen Boden betreten. Leb' wohl!" Da flackert jähe Angst in ihr auf. „Wohin gehst du, Alexander?" „Das Recht zu dieser Frage steht dir nicht zu " Ohne einen Blick rückwärts zu werfen, verläßt er cur Saal, das Haus. Ohnmächtig sink Irene zu Boden. * -i- Mehr denn vier Jahre sind vergangen. Der Som mer ist über das blühende Rheinland geschritten und hat es in Farbe, Glanz und Duft getaucht. Die weiße» Kerzen der Kastanien sind schon abgeblüht, aber die Linden haben ihre zartgrünen Blüten a»fgeta». Fast betäubend weht ihr Wohltzeruch. Rosen und wieder Rosen erschließen ihre königlichen Häupter dem Li' > an den Hängen färbt sich die Traube rot, blau und g-uo unter dem brünstigen Kuß der Sonne. Und überall aus den Gärten, von den Bergen, von dem mächtigen Strom tönt zu jeder Zeit der Sang fröhlicher Stimmen, der Hall jubelnden Lachens. Nur im Herrenhause zu Rheinau herrscht Lastende Stille, an Schwermut grenzender Ernst. Dort waltet Irene von Truchseß als unumschränkte, immer tätige, doch auch stets streuge, unnachsichtliche Herrin. Ihre Untergebenen wie die Bewohner des Dorfes schätzen sie hoch, sie danken ihr unzählige Wohltaten, aber sie lieben sie nicht; und ihr herbes Antlitz, das selten ein Lächeln erhellt, verrät keine Liebe zur Menschheit. Alle Rheinauer und Alixhöfer sehnen Alexan'x, zurück, den gütigen Herrn, der ihr Leid, ihre Freui. verstand, dessen lebendige Teilnahme sie alles Schwere seichter ertragen ließ, dessen sonniges Lachen sie elektri fierte, sie bereit machte, für ihn zu schaffe» ohne Un lerlaß. Er sei krank und werde lange fern bleiben, hat die Herrin gesagt, als sie völlig verändert aus dem Süden heimkehrte. Alle ahuen eiu dunkles Geheimnis: nie mand kann sich Alexander Truchseß, diese Bejahung blühendsten Lebens, krank denken. Anfangs hat hin und wieder einer der Leute Irene nach dem Befinden des Herrn Baron gefragt; ihre Antworten waren aber kurz und abweisend gewesen. Da verstummten die Fragen. Aber heimlich spricht man umsomehr vou dem Fer ne» in den Spinnstuben, auf den Weinbergen, in den Weinstuben, und so »achyalng ist der Eindruck seiner Persönlichkeit, daß Irene selten auf Schwierigkeiten stößt. Aus Liebe zu dem, der noch einmal zurückkehren und sich seines Besitzes, seiner Leute freuen mutz, tuu sie alle ihre Pflicht und mehr als das. Die Bekannten aus den Kreisen des Verschollenen kommen mit ihren Vermutungen der Wahrheit sehr nahe; sein spurloses Verschwinden hat ungeheures Aussehen gemacht, ebenso seine lange Trennung von der Frau, die er abgöttisch geliebt. Man ahnt, daß Prinz Jsingen eine Rolle in dem seltsamen Drama ge spielt; er ist aber nicht mehr in die Garnison zurückge kehrt, und traf er einmal einen der früheren Kamerad.» so verweigerte er jede Auskunft in seiner hochmüti gen Weise. Schloß Rheinau ist allen ehemaligen Freunden verschlossen. Im ersten Jahre wurden alle abgewiesen; seitdem kommt niemand mehr, und Irene ist es recht so. In ihr tiefes Leid soll kern fremdes Auge blicken. Sie lebt nur der Verwaltung des Gutes und der Erziehung ihres Knaben. Auch zu ihm ist sie unnach sichtlich streng; kein kleines Versehen läßt sie ungerügt, und doch liebt der Knabe seine schöne, ernste Mult r und zeigt es ihr voll kindlichen Ungestüms. Zuweilen kommt es dann wohl vor, daß heiße Zärtlichkeit plötzlich den streng geschlossenen Kerker ihres Innern sprengt, daß sie des Sohnes Antlitz, das so sehr dem Alexanders gleicht, mit Küssen bedeckt, wäh rend Tränen ihren Augen entströmen. Bald aber faßt sic sich und ist wieder streng, ernst, unnahbar Nie spricht sie von Alexander, und doch gibt es keine Stunde am Tage, in der sie nicht seiner gedenkt, keine Nacht, in der sie nicht von ihm träumte! Oft sicht sie ihn hohläugig, „zerrissen und bleich", wie cs :w Liede heißt, voller Vorwurf sie anschauend, so daß sic m't jähem Schrei emporfährt, oft unter geschminkte. Weibern am Spieltisch, der Zügellosesteil einer. Dann kommt's, daß sie beim Erwachen ihr Kissen feucht von Tränen findet. Wo mochte er weilen, wohin trieb ihn seine Le.cur schäft? So hatte sie sich oft und oft gefragt. Ein Jahr nach ihrer Trennung gab er selbst ihr darauf die Ant wort. Aus einem französischen Seebade erhielt sie einen vcn Zähren halb verlöschten Brief. „Irene, du hattest recht, mich zu verachten. Da- mals schalt ich dich hart und grausam. Jetzt ver achte ich mich selbst. Ich watete im Schlamm, uno von mir zu dir, zu unserm Kinde führte keine Brücke mehr. Vergib, daß ich dich nicht an mich fesselte, und leb' für ewig wohl!" Stundenlang hatte sie sich an jenem Tage cinge- schlvssen, und als sie wieder erschien, erschraken alle Sw sah wie eine Sterbende aus. Doch das Leben forderte gebieterisch ihre Arbeit, und sie leistete sie. Früh am Morgen erhebt sie sich vom Lager, inspiziert die Jnnenwirtschaft und dann reitet sie mit den, alten Verwalter, von den, sie aus merksam alles ihr Fremde erlernt, über die Felder, durch den Wald, auf die Weinberge. Wohl fügt sie sich in streitigen Fragen stets der Einsicht des un Dienst.- der Truchseß ergrauten, tüchtigen Beamten, aber ihre r- yerc Intelligenz lehrt sie bald, oft besseren Rat zu crieilen. Bewundernd und verehrend führt ihn der Ver Walter aus. Er staunt die zarte Frau an, die so selbst verständlich die Pflichten eines Mannes erfüllt und da bei nie die der Hausfrau und Mutter versäumt. In feimm schlichten Gemüt schreibt er ihre Leistungsfähig keil der Kraft ihrer Liebe zu, und als er sie einmal be sonders blaß und düster findet, erlaubt er sich, leise, mit tröstlicher Stimme zu sagen: „Frau Baronin -müssen nicht so traurig sein; ein so kräftiger Man», wie der Herr Baron werden sicher genesen, und wie wird er sich freuen, wenn er bei seiner Heimkehr alles hier in bester Ordnung findet." Sie nickt nur, kein Wort ringt sich über ihre Lippe». Sie kann auch dem Getreuen nicht sagen: „Ich habe kcinc Hoffnung, daß er wiederkehrt, ich arbeite für seine» Soh» und weil unablässige, ermüdende Tä tiglcit Schlaf bringt." Der Sommer vergeht und der Herbst kommt mit seiner berauschenden Farbenfülle. Unter jauchz-nde» Lieder» werden die Trauben geschnitten und in große» Bütten ins Haus gebracht. Es ist soviel des Segens, daß noch fremde Leute zur Hilfe angenommen werden niüssen. Sie bringen einen unheimlichen Gast mii, den Typhus. Bald ergreift er hier ei» Opfer und dort eins der s:.'mischen Bevölkerung: wo sonst Frohsinn geherrscht, tie Sorge eingekehrt; statt des Lachens und Singens ertön» Wehklagen und Weinen. Wohl tritt die Seuche dank der vorzüglichen sanitären Einrichtungen, die 5 nchjcß getroffen, nicht in ihrer gefährlichsten Form .»s, aber viele wirft sie auf ein langes Krankenlager. Irene sorgt für Aerzte, für geschultes Pflegeper sonal, sie schickt den Leidenden Stärkungsmittel und Wein und mehr.ckls das — sie selbst geht trotz der Bitten des Verwalters, des Hausarztes von einem Kranken zyi!» andern. Für sich kennt sie keine Furcht, und ehe j ihren Knaben wiedersieht, nimmt sie ein Bad und Neidet sich um. Hingebend pflegt sie die Leidenden, tröstet sie, richtet ihre Angehörigen auf. Sie ahnt es nicht, das; sic sich in dieser Zeit manches Herz gewinnt, daß die Leute erkennen, ihr Ernst, ihre Strenge entstammen einer aus tausend Wunden blutenden Seele. (Fortsetzung folgt.) Zeitgemäße Betrachtungen. — ——— vtebaten) Der verweigerte Salut! Jndeß in unsrer alten Welt, — wohin auch unsre Blicke gleiten wohl jedes Land auf Frieden hält, den nur der Balkan stört zu Zeiten; — indeß auch in Britannia die Ulsterleute wieder schweige» geht drüben in Amerika — erneut der Ruf zum Waffcnrei gen! - Denn einen Ausweg gibt es schwer aus der verwickelten Geschichte, — nun kommen über Land uno Meer tagtäglich neue Drahtberichte - „Huerta weigert den Salut," geschürt vom Unverstand der Massen und solche Grobheit kann nicht gut der andre sich gefallen lassen! Man läßt das nicht auf sich beruh«, man hat ja Flotte und Soldaten, drum hatten plötzlich viel zu tun — die beiderseit'gen Diplomaten. — Huerta aber sagt sich still: — Vorläufig sitz noch ich am Ruder, — drum geht es nicht wie Wil son will, — ich trotze selbst dem großen Bruder! Doch Uncle Wilson kalten Bluts — meint: Wird die Sache mir noch bunter, - dann schick ich wegen des Saluts ein Kriegsschiff nach dem andern runter, - - die werden dann als mein „Erlaß" — die Küsten Mexikos blockieren - und der Geschütze grober Baß -- wird alles dann zum Guten führen! Daß Höf lichkeit am Platze ist — muß man den Mexikanern sa gen und manchem, der den Gruß vergißt - wird grob der Hut vont Kopf geschlagen — das gilt als derb, doch nicht als Norm, — im diplomatischen Ver kehre - wählt man deshalb die bessre Forni — und schickt Kanonen hin zur Lehre! Nun blickt die ganze Welt gespannt — zur neuen Welt in diesen Tagen, — wird wohl am mexikan'schen Strand — die nächste große Schlacht geschlagen? - Ost kann schon eine iUcinigkeit des Krieges Fackel jäh entfachen — und Uncle Sam ist jetzt bereit — mit seiner Drohung ernst zu machen! Wie wars uns einst doch einerlei, sodaß wir kein Bedenken trugen, — wenn hinten weit in der Türkei — die Völker aufeinanderschlugcn' Drum soll uns heute aus Prinzip — es weder kümmern noch verdrießen, - ob Yankee sich und Pferdedieb vertragen oder ob sie schießen! Wir wolln uns unsrer Heimat freun — an diesen schönen Frühlings tagen — da alle Fluren sich erneun — und froh die Nachtigallen schlagen — da bald ins Kraut der Spargel schießt — solch Schießen schadet niemand weiter, — da reicher Segen uns ersprießt — im blütenduft'gen Hain' Ernst Heiter