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—- 143 formen, denen man es an- sah, daß ihre Träger schwere Tage und unmenschliche Strapazen hinter sich hat ten. Sie kamen direkt aus der Hölle, vom Jsonzo her auf. Was sie dort in den Karstfelsen unter den: wahn sinnigen feindlichen Trom melfeuer mitgemacht hat ten, dagegen war Galizien ein Kinderspiel gewesen. Rosl war mit dem Holz händler vors Haus getreten; dort hatte sich die Mehrzahl der Dorfbewohner einge funden, und fröhliche Zu rufe grüßten die heimat lichen Truppen. Auf dem großen Dorfplatze machte das Regiment zu kurzer Rast halt. Von allen Seiten eil ten nun die Leute herbei, um den wackeren Soldaten Speise und Trank zu bieten. sprach, zu: „Frau Hochen- egger,Kaiserjäger kommen!" „Was sagst du?" rief Rosl und erhob sich rasch. „Kaiserjäger, eine ganze Menge; die ersten sind schon beim Wegkreuze draußen; der Franzl vom Bäcker hat sie gesehen und ist ihnen auf seinem Rade vorausgefah ren. Sie kommen in die Berge hinauf, der Welsche werde unruhig da droben." Rosl sah den Gast, einen reichen Holz- und Viehhänd ler aus der großen Tal gemeinde, fragend an. „Es wird schon so sein, Frau Hochenegger", meinte dieser. „Ich habe auch et was davon gehört, daß die Italiener vielleicht den Ver such machen wollen, bei uns durchzubrechen. Aber sie kommen zu spät. Viel zu spät. Alle unsere Edelweiß truppen sind schon bereit, den Verräter zu empfangen." Eine halbe Stunde spä ter rückten sie im Dorfe ein. Ein ganzes Regiment. Schwer bepackt, Offiziere und Mannschaften in Uni vtick in einen von deutschen Lruvpen besetzte« französischen Minentrichter vor Verdun, ans dem da» ange- sammelte Wasser mühsam heransgepumpt werde« m«ß. Französische Flüchtlinge aus Verdun in Bar-le-Due, etwa 4« Von hier aus werden fie über ganz Frankreich Der sehnlichste Wunsch der braven Älpler ging bald in Er füllung. Erst jetzt bekam der Krieg für sie den richtigen Charakter, da es galt, die eigene Heimat gegen den Feind zu verteidigen. — Im „Goldenen Löwen" war es noch viel stiller geworden als unmittelbar nach Kriegsausbruch. Denn jetzt waren beinahe keine Männer mehr im Dorfe und Tale, und die Weiber gingen nicht ins Wirtshaus. Obwohl das Dörfchen nicht gerade weit von der Grenze entfernt lag, hatte man bisher auch vom neuen Kriege nichts gehört und nichts gespürt, denn in diesem Grenz abschnitte zeigte der Welsche keine Angriffslust und hatte, wie es schien, auch nur schwache Grenzposten aufgestellt. So verging der Sommer. Der zweite Kriegssommer. Die Italiener hatten sich am Jsonzo und im welschen xSüdtirol schon blutige Köpfe geholt, ohne irgendeinen Erfolg erringen zu kön nen. Hier aber war er ruhig geblieben, und nur dann und wann wechselten Grenzwachen und Patrouillen ein paar Schüsse mit einander. Eines Tages, es war gegen Ende September, wurde im „Goldenen Löwen" die Türe der Wirtsstube aufgerissen und mit vor Aufregung ganz rotem Gesichte rief eine der Mägde Rosl, die eben mit einem Gaste Besonders die Einheimischen wurden begrüßt, und da und dort gab es rührende Wiedersehensszenen, da sich viele plötzlich und unerwartet dem Gatten, Sohn oder Bruder gegenübersahen. (Fortsetzung folgt » Kilometer von Verdun entfernt, verteilt. Die Nervosität und ihre Heilung. Von Hermann Borkenhagen. .(Nachdruck verboten.» «»nser Zeitalter wird häufig das nervöse genannt, weil die —Zahl der Nervenkranken von Jahr zu Jahr zunimmt. Als die Ursache dieser Erscheinung wird oft die erschwerte Existenzmög lichkeit und das Hasten und Jagen im Erwerbsleben angesehen. Namhafte Arzte und Gesundheitspfleger sind aber der Meinung, daß dies nicht immer zutrifft und sie behaupten, daß die Mehrzahl der Nervösen aus den Kreisen stammt, wo anstrengende und regel mäßige Arbeit am wenigsten zu finden ist. Dagegen steht aber bei ihnen das gesellschaftliche Leben in hoher Blüte. Die Menschen hasten und jagen von einem Vergnügen zum anderen, stete Ab wechslung ist ihr Ziel und dabei vergessen sie ihre Gesundheit zu pflegen und sich auszuruhen. Ehe sie sich's versehen, flieht der Schlaf ihr Lager, sie werden unruhig in ihrem Tun und Lassen,