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Sächsischer Landes-Anzeiger : 11.10.1891
- Erscheinungsdatum
- 1891-10-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-189110110
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18911011
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18911011
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsischer Landes-Anzeiger
-
Jahr
1891
-
Monat
1891-10
- Tag 1891-10-11
-
Monat
1891-10
-
Jahr
1891
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 11.10.1891
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1.Beilatte zuNr. 237.-11. Jahrg. Der jeden Wochentag Abend (mit Datum der folgende» Tages) zur Versendung gelangende,.SüchilscheLanveS-Anzciger" mit tägliel, einem Extra-Beiblatt: l. Kleine Botschaft L. Lächsischer Erzähler S. Eächsiiche lScrlchtSzritinig 4. CnchsiichcS Allerlei 5. 2ll«slrirteS UntcrlmltungSblatt 6. SonntagSblatt 7. Lustiges Bilderbuch kostet bei den Ausgabestellen monatlich 7V Psg., bei den Post-Anstalten 75 Pfg. (Pvst-Zeilnnge-Prcikl.sür 1891: Nr. 5419) «S» ililil SAchsischrn Landes-Aiyeigrr (Chriliiliiltr Gencml-Alyeigki). Sonntag, den 11. Oktober 1891. Bon den HanptblättcrndcS „Sächsische» Landes-AnzcigerS"erscheint (ohne dessen tägliche Extra-Beiblätter)eine billiger» Sonder-Ausgabe unter -cm Titel: Chemnitzer General-Slnzeiger, für monatlich nur 40 Pfg. mit Zntragcn, austcrhalb Chenmib invnatl. SO Pf. „i.sjtr. Der „Chcnniiger Generalanzeiger" ist in' der Post-Zcitnttg'Z-PrciSlislc snr 1891 unter Nr. 1815 eingetragen. Für Abonncntcncrscheintcinmalim Jahr: IliiistrirlcSZahresb»chi>ezl!an!>cZ.AttjkigerS. Nach zwanzig Jahren. Nach einem französischen Motiv von Oskar Damm. Nachdruck verboten. Es war auf dem Bahnhöfe zu Epernay. Ich hatte es mir in der Ecke eines leeren Waggons bequem gemacht, die Thür geschlossen, und hoffte, allein zu bleiben, als die Thür plötzlich ausgerissen wurde und ich eine Stimme hörte, welche rief: „Nehmen Sie sich ja recht ln Acht; wir sind hier gerade am Kreuznngspunlte mehrerer Linien, und der Perron ist sehr hoch gelegen." „Ja Wohl", erwiderte eine andere Stimme, ich werde schon vor sichtig sei» und beim Aussteigen meine Hände benutzen." Darauf erschien ein Kopf unter einem runden Hute, und zwei Hände, die »ach dem Geländer an der Thüre griffen, schoben einen große», starken Körper i» den Wagen; die Füße des auf diese Weise Hereinbesördcrlcn machten auf den Platte» des Perrons ein Göränsch, wie wen» ein Spazierstock auf Steinplatten trifft. Als mein Reise gefährte vollends in dem Waggon drin war, bemerkte ich, daß seine zwei Füße, obschon täuschend nachgemacht, aus Holz bestanden, »m welches sich schwarze Beinkleider legte». Hinter ihm trat ein Be dienter ein, offenbar ein ehemaliger Soldat, der auf den Arme» eine Menge in Papier gewickelter Gegenstände trug und dieselben i» das Reiscnetz, das oben am Rande des Wagens angebracht war, legte. „Hier ist Alles," sagte er, „fünf Packele: Bonbons, die Puppe, die Trommel, die Flinte und der große Ball." „Es ist gut, Du kannst gehen!" „Glückliche Reise, Herr." Der Diener ließ uns allein, und ich hatte Zeit, als der Zug sich in Bewegung setzte, mein Gegenüber zu beobachten. Er mochte etwa fünfnnddreißig Jahre zählen, obwohl seine Haare fast ganz weiß waren; er trug mehrere Orden, und sein Bart, der in zwei mächtige Spitzen anslief, gab ihm ein martialisches Aussehen. Man sah dem Manne an, daß er sehr gegen seinen Willen durch sein Ge schick von der Bühne des Lebens abzutreten gewungcn war. Er trocknete sich die Stirne ab — es war sehr heiß — und blickte Mich an. „Geuirt Sie das Rauchen mein Herr?" frug er. „Nein, nein." Dieser Auge, diese Stimme waren mir bekannt. Aber wo und wann mochte ich diesem Manne begegnet sein? Gewiß, ich mußte ihn einst gekannt haben, obwohl es lange, sehr lange her war. Auch er sah mich jetzt an, nnd schien offenbar bemüht, seinem Gedächtniß zu Hilfe zu kommen. Wir blickten uns beide gegenseitig an, und konnten doch zu keinem Resultate kommen. So mochte etwa eine halbe Stunde vergangen sein. Schließlich sagte ich: „Mein Gott, wäre es nicht besser, anstatt daß wir uns so gegenseitig unstarren, zusammen zu versuche», ob wir nicht heransbekommen, unter welchen Umständen Wir uns einst kennen gelernt haben?" Da haben Sie recht," antwortete mein Gegenüber. „Mein Name ist Heinrich Bonclair." Er überlegte einige Secundc», dann sagte er mit vor Aufregung halbersticktcr Stimme: „Ja, ich erinnere mich jetzt; wir haben uns bei Beginn des letzten Feldzuges bei Poincels kennen gelernt." „Ah, nun weiß ich, wer Sie sind", antwortete ich. „Sie sind Leutnant Nivalis«, nicht wahr?" „Ja, ich bin Leutnant Rivaliere — oder richtiger, ich war es, bis mir eine Kanonenkugel bei Sceaux vor Paris beide Beine weg riß. Jetzt bin ich nur ein elender Krüppel." Dentsch-Ostafrika nnd sein kolonialer Werth. Bortrag des Herrn Professor vr. Alfred Kirchhofs aus Halle im „Kans »iännischenBerei n" zu Chemnitz, Donnerstag, den 6. Oktober 1891. Schon in einem früher» Vortrag im hiesigen „Kaufmännischen Verein", a»> 21. Oktober 1886, verbreitete sich der berühmte Geo graph der Universität Halle über unsere Besitzungen in Ostafrika. Aber damals waren es, wie er sagte, nur bescheidene Skizzen, die er zu bieten vermochte; denn vor fünf Jahren war die Erforschung dicses Gebietes »och nicht so weit gediehen, und die Grenzen waren »och sehr unbestimmt. Jetzt aber wissen wir. was uns gehört, und Deutsch Ostafrika ist scharf abgegrenzt gegen seine Nachbargebiete. Der gewandte, mit erschöpfender Sachkenntniß ausgerüstete und mit dem scharfen Blick des kundigen Forschers begabte Gelehrte ver breitete sich nun in anschaulichen und außerordentlich fesselnden Schilde, »uiigcn über jene Länder nnd erörterte etwa folgendes: Deutsch. Ostafrika, wie cs nun schars umrandet vor uns liegt, besitzt ein Areal von mindestens 900 600 festem, das sich in der Gestalt eines unregelmäßigen Vierecks vom indischen Ocean bis zu der Seenlvelt Jnnerafrikas erstreckt und beinahe doppelt so groß wie das deutsche Reich ist. Es entsteht nun die Frage, ob sich in diesem gewaltigen Rahmen ein geographisches Bild einschließt, das für uns von Wichtig keit und Bedeutung ist. Oft malen wir nnS »ach Reiseberichte» dieses Bild gar zu verheißungsvoll nnd rosig aus; dann erschrecken wir wieder, wenn unser kundiger Landsmann Hermann Wiß- mann die Behauptung ansspricht, daß fast vier Fünftel dieses Länder- bcsitzes dürre Steppe und demnach nicht viel iverth sei. Seiner Obcrflächcnsorm »ach ist unser Schutzgebiet echt süd afrikanisches Hochland von einer Durchschiiitlshöhe im Inner», die den höchsten Gipfeln unseres Erzgebirges ungefähr gleich kommt. ES ist nicht durch Empvrhebung entstanden, sonder» cs ist vielmehr hoch liegcngebliebener Boden, dessen Gcsteinsbeschaffcnhcit(krystalliiiischcs Urgcbirge) ans uralte Zeit zurückweist. Diese Granitmassen nach den Seen zu und diese Gncismasscn nach dem Osten zu bilden ein Stück uralten Brnstpanzcrs unserer Erde, während die geschichtete» Gesteins- masscn des Küstenstriches den leer gewordenen, trocken gelaufenen Meeresboden erkennen lassen. - Nun geben im unser,» gemäßigten Klima Granit- und Gneisbvden eine recht durstige nnd magere Acker krume; aber im tropischen Klima findet eine viel umfassendere Ver witterung statt, und so konnte auch dort ein recht fruchlbarerLciterit.Bode» entstehen, der nur bei lang andauernder Dürre den Charakter der Unfruchtbarkeit anniinmt. An der Küste nun ist zwar fast kein Monat ohne Regen, obwohl die Hanptrcgcnzcit daselbst erst eintrilt, wenn die Sonne durch das Zcnich gegangen ist. Darauf folgt dann die Haupttrockenzcit, während die kleinc'Ncgenzcit beim zweite» Eintritt der Sonne in s Zcnith erfolgt und die llcilie Trockenzeit zur Folge hat. Ich erinnerte mich, ihn einst gekannt zu haben als jungen, statt liche» Mann, der aus den Bällen der Garnison mit außerordentlicher Gewandtheit den Cvlillo» anführle; aber, cs gab da noch eine Ge schichte, die sich an seinen Namen geknüpft hatte, die ich einst gewußt, ans die ich mich aber jetzt nicht mehr besinnen konnte. Auch die Liebe hatte dabei eine Nolle gespielt, und ich empfand noch jetzt eine gewisse Aufregung, aber ans Näheres konnte ich im Augenblicke nicht kommen. Allmählich indessen wurden meine Gedanken klarer. Vor nieinem geistigen Auge erschien die Gestalt eines jungen, schönen Mädchens — richtig, Fräulein von Mandat; es war in der Thal eine Liebesgeschichte gewesen, aber eine sehr alltägliche. Das junge Mädchen liebte den jungen Mann damals, als ich ihm zuerst be gegnet war, und man sprach allgemein von ihrer bevorstehenden Ver mählung. Er schieii selbst sehr glücklich z» sein. Ich richtete meine Blicke nach dem Netze, wo der Diener die Gegenstände nntergebracht hatte, und im Ohr klangen mir noch dessen Worte: „Hier ist Alles; fünf Sachen, Bonbons: die Puppe, die Trommel, die Flinte und der große Ball." Der Roman war fertig: Das junge Mädchen hatte nach dem Kriege und der Verstümmelung ihres Geliebten denselben, treu ihren. Verspreche», geheirathet. Ocer — waren sic Beide schon vcrheirathet gewesen, bevor der Krieg ansbrach, lind sie mußte jetzt den armen Gatten trösten, ihn nnfhcitcrn nnd ihn das Unglück seines Lebens vergessen mache»? Solche Gedanke» gingen mir durch den Kopf, und gar zu gern hätte ich gewußt, ob er glücklich war oder nicht. Ich dachte mir: ec hat offenbar drei Kinder; die Bonbons für die Frau, die übrige» Sachen für die Kleinen. Kurz entschlossen, »m mir Gewißheit zu verschaffen, richtete ich die Frage an ihn: „Sie sind Vater, mein H"r?" „Nein", antwortete er. Ich fühlte mich verlegen und bat ihn um Entschuldigung wegen meiner Zudringlichkeit. „Oh", erwiderte er," das hat nichts zu sagen. Ich bin übrigens überhaupt nicht verhcirathct. Es ist bei den Vorbereitungen dazu geblieben." „Richtig, richtig, Sie waren verlobt mit einem Fräulein vo» Mandal, wenn ich nicht irre." „Sie haben ganz recht", versetzte er. „Und, ich erinnere mich auch", fuhr ich kühner geworden fort, daß Fräulein vo» Mandel einen Herrn geheirathet hat." „Herrn von Flenrel." „Ja, ja, und bei dieser Gelegenheit hörte ich auch von Ihrer schweren Verwundung im Kriege." Er erröthete über und über und sagte mit verzweislungsvoller Entschlossenheit, gleichsam, als wüßte er im Voraus, daß er eine aussichtslose Sache -bekenne: „Man hat Unrecht, den Namen Frau von Flcurels mit mir in Beziehung zu setzen. Als ich im Kriege meine beiden Beine verloren halte, hätte ich es nie, niemals angenommen, daß sie meine Frau würde. Wenn man sich verheirathet, so will man alle Tage, alle Stunden, Minuten und Secunden a» der Seite des geliebten Gegenstandes weilen, und wenn der Mann, wie ich, zum Krüppel geworden ist, so wäre eine sulche Ehe schlimmer als der Tod. Oh, ich verstehe, begreife jedes Opfer, wenn es eine Grenze hat, aber ich kau» cs nicht zugeben, daß eine Fian auf ein ganzes Leben voller Glück, ans alle Freuden verzichten soll, nur aus über schwänglichem Edelmuth. Wen» ich aus den Dielen meines Zimmers das Geräusch meiner Stelzfüße nnd das Aufstampfen meiner Krücken höre, so möchte ich wahnsinnig werden. Und ein solches Loos sollte Leider aber sind die erwähnten Trockenzeiten im Innern länger und demgemäß die Rcgenperioden kürzer. Erst in der Nähe der Scengebiete gleicht sich dicses Mißverhällniß wieder mehr aus. Diese inailliigfaltigen klimatischen Erscheinungen, verbunden mit der Boden-Gestalt und Beschaffenheit, rufen die größten Gegensätze hervor, und so wechseln den» i» imserm Schutzgebiet herrliche, srncht bare Gegenden mit dürren Gebiete» ab, in denen höchstens Busch- Steppen Vorkommen. Die Umgebung des Bergriesen Kilimandscharo beispielsweise gleicht einem wahren Paradiese, namentlich die südliche Vorrampe. Hier finden wir Wald und Wiese, wie in Deutschland, mit unserer Licblingsvcgctatio». lieber diesen herrlichen Gelände» nnd zwar bis zu 2400 ,u Höhe schießt dann der üppigste Tropen wald hervor; dann folgen anscinandcr lichter Wald, Alpenmallen und ewiger Schnee. — An der Küste herrscht drückende Tropenhitze, die deshalb so unerträglich wird, weil sie Tag und Nacht sortdanert. Nach dem Inner» aber nimmt diese hohe Temperatur ab, so daß bis zu den Seen diese Abnahme etwa 6 Grad beträgt, so daß dort eine Durchschnitlslemperatnr von 21 ° 0.^16 "k. herrscht. Also ist da selbst nie eine größere Hitze, wie bei uns zu beobachten. Die Nicdcrschlagsfülle, an der Küste außerordentlich groß und ergiebig, nimmt, wie schon aiigcdeutet, landeinwärts ab, so daß im er» die Regenzeit sehr abgekürzt erscheint. — Was die Boden verhältnisse selbst nnlaugt, so unterscheidet der Eingeborene Grasland, d. h. dürres Buschsteppenland nnd fruchtbares Waldland; letzteres namentlich an de» Flußläufen nnd auf den Höhen. Demgemäß scheidet sich auch die Bevöllcrung in Hirten- und Jägervölker und in friedsame, ackerbautreibende Völker. Zn den erste«» sind vor allem die furchtbaren Massai zn rechnen» diese wilden, unbezähmbaren Räuber des Norden- mit ihrem kriegerischen Sinn und ihrer spar tanischen Verfassung. — Setzen schon diese bösartigen Gesellen vcr friedsamcn Bevölkerung besonders der Bantnncger zn, so wurde über diesen überdies noch die furchtbare Geißel der Sklavcujägcr geschwungen. Schon seit dem Mittelalter saßen nämlich in den vstasrikauischcn Küstenländern die kapitalkräftige» indischen Großhändler, während die wagehalsigen, gierige» Araber in's Innere streifte» und Jagd machten a»f Elfenbein und noch mehr auf Sklaven. Diese Schreckenszeit dauerte viele Jahrhunderte, und entsetzlich waren die Folgen für die arme» Neger, bis endlich 1873 durch einen Erlaß des Sultans Said Bargasch die offene Sklaverei verboten wurde. Aber heimlich dauerte der barbarische Unfug fort, und die thatsächliche Abschaffung der Sklavenjagd und des Sklavenhandels war erst deutscher Kulturmissi on Vorbehalten. Unsere nationale Geschichte hat seit dem herrlichen Siegcsjahr 1370 kein glorreicheres Blatt auszuweise», wie das, worauf die Siegesthatcu WißmannS von 1888/89 verzeichnet stehen. Habe» wir den» »nn aus diesen Siegen für unsere Vvlk-wvhl- ich dem einzigen Wesen znmnthe», dessen Schicksal ich heiter und froh und glücklich machen wollte? .'. Er schwieg in trübem Sinnen. Was sollte ich ihm sagen? Ich fand, daß er recht hatte, daß er als wahrer Ehrenmann gehandelt hatte. Lange saßen wir uns stillschweigend gegenüber, endlich frug ich ihn: „Frau von Flenrel hat also Kinder?" „Ja, zwei Knaben und ein Mädchen, nnd für diese habe ich die kleinen Geschenke initgebracht. Ihr Manu und Sie sind sehr gut gegen mich." Der Zug langte am Bestimmungsorte an. Ich bot dein in» validen Osfizicier meine Hilfe beim Anssteigen an, als sich ihm schon zwei Hände durch die geöffnete Thür cnlgcgenstreckte», und eine Stimme sagte: „Willkommen lübcr Rivalierel" „Ah, guten Tag, Flenrel." Hinter dem Man» erschien die Frau, freundlich lächelnd, nnd ihrerseits den Ankommenden herzlich begrüßend. Ihr zur Seite stand ei» kleines Mädchen, das ganz außer sich vor Freude war, als es die Puppe und den Ball erblickte, und zwei hübsche Knaben blickten mit begierigen Angen auf die Trommel und die Flinte, die ich meinem Reisegefährten ans dem Wagen reichte. Ans dem Perron nochmals ein freudiges Umarmen; eine Equipage fuhr heran, man hob den Invaliden hinein, der glücklich lächelte; neben ihm nahm die Familie Platz. Der Zug pfiff, das Bild entschwand meinen Blicken — die letzte Szene eines Dramas, dessen Titel lautet: „Nach zwanzig Jahren!" Der standhafte Bürgersoldat. Humoreske von E. Ludwig. Nachdruck verboten. Vor etwa vierzig Jahren war es, als eine unsrer kleinen Han» dclsstädte, — nennen wir sie Hansa — »nler dem treuen Schutze der Bürgersoldaten stand, einer Anzahl ehrlicher gcmüthlichcr Herren, die zumeist durch ihre martialische Uniform der jüngere» Generation einen heilsamen Schreck und Respect einflößten. Jahraus, jahrein vcr» sahen diese imposanten Kriegergcstallen i» den verschiedenen Wacht- stnben ihren Dienst, theils in Erfüllung der eigenen Bürgerpflicht, theils als Stellvertreter derjenigen Kameraden, welche grade And.reS zu thuil und Geld genug halten, um den Ersatzmann zu bezahle». Es war eine herrliche Armee und sicher würde Moltke, wenn sie zur Zeit nicht schon ausgelöst gewesen Ware, sie bei dem Kriege gegen die Franzosen in's Vordertreffen gestellt haben. Den Oberbefehl führte der Bürgermeister, die Osficiere wurden durch Beschluß des hohe» Senats ans den Bürgern erwählt, die ohne Widerspruch, wen» die Wahl auf sie fiel, sich mit dem Schwert nmgürten und die schwere Verantwortlichkeit des Kriegsdienstes auf ihre Schultern nehme» mußten. In Fri'cdenszcsten bestand dieser Dienst fast »nr /» -er Be setzung der verschiedenen Wachtstnben, doch war er genügend, ui» den biederen Bewohnern von Hansa das wohlige Bewußtsein zu gebe», daß sie unter dem Schutze ihrer heldenhaft?» Mitbürger ruhig schlafe» konnten. Da geschah es eines Tages, daß Herr EglisiuS, Leutnant des ersten nnd einzigen Hansa-RegimcnteS mit einer Schaar von sechs Mann in der Vorstadt von St. Petrus die Wache bezog. Er war ein guter und wegen seines trefflichen Humors allgemein beliebter Kamerad, der nur den einen Fehler an sich hatte, nicht „nein" sagen zn können. Machte sich dicses Unvermögen schon im bürgerlichen nnd häuslichen Leben oft genug zu seinem Schaden geltend, so vertrug fahrt etwas zu erwarten? — Bis jetzt steckt »nr Geld und Kummer dort, und immer noch sind Unkosten und Opfer zu erwarten. Sind denn alle diese Opser berechtigt im Hinblick auf die Zuknnst? — Sehen wir uns das Land darauf hin an. Die Aussicht auf mineralische Ausbeute ist bis jetzt ungewiß nnd unsicher. Um so größere Hoff nungen dürfen wir auf die animalischen Schätze setze». Von den 15—17 Millionen Mark, die die Ausfuhr von Elfenbein aus Afrika beträgt, gehen 10 Millionen über die Oflküstc. Wenn »nn in nnscrm Schutzgebiet ans eine Schonzeit der Elefanten hingearbeitet wird, so wird erstens der Gewinn an Elfenbein ein vielversprechender, und zweitens wird die Benutzung des wohl zähmbare» afrikanische» Elefanten von größter Wichtigkeit für den Eisenbahnbau ». s. w. Dann läßt sich in den Steppcnländcrn, wie Emin Pascha schon be- sürwvrtet, das Kamccl cinführcn. Auch eine Art der Antilope kan» sehr nutzbar werden als Zug- und Milchthier, durch Haut nnd Ge hörn. Unendliche Wcidcgründe aber gehen einer gewaltigen Zukunft entgegen: Bichwirthschast mit Natzcnkreuznngen wird daselbst gedeihen, wie die Schaf- und Ziegenzucht auf den Höhen sich zu entwickeln verspricht. Hauptsache aber für alle Zeit bleibt die Einfuhr europäischer Maaren und die Ausfuhr der dortigen Pflanzencrzengnisse, Sesam, Erdnüsse, Cocosfrüchtc, Datteln, Palmöl und schließlich der edel» Trias Tabak, Kaffee und Baumwolle. Gerade für diese drei letzteren Dinge zahlen wir jährlich 65 Millionen (Tabak), 150 Millionen (Kaffee) nnd 175 Millionen (Baumwolle) Zölle an's Ausland. Welch eine Wandlung kann da eintrcte», wenn wir nur kapital- nnd thatkräftig handeln! — Wenn Wißmann recht hat. daß »nr ein Fünftel unseres Gebietes sehr fruchtbares Land ist, so sind das immer etwa 200,000 (Dkm, die schon jetzt in Kultur genommen werde» können für jene drei Artikel. Und wenn auch vorläufig infolge der klimatischen Verhältnisse vielleicht nur eine flukluircnde Schaar von Auswanderer» vcn Generalstab für die dortigen Plantagcnarbeiten abzugcbcn vermag, so genügt dieses ja angesichts der Thalsache, daß die Eingeborene» arbcitstüchtig, bescheiden und willfährig sind. Für die Einfuhr unserer gewerblichen Erzeugnisse aber steht bei den drei Millionen Eingeborenen unseres Schutzgebietes schon jetzt ein großer Absatz z» erwarte», und dieser Absatz steigert sich bei der Zunahme der Bevölkerung, die durch Gcsetzcsherrschast, Gerechtigkcitspflege und Hebung des Volkswohles sicher zn erhoffen ist. Also: Geld und Blut sind nicht verloren, wenn wir nur unsere Aufgabe daselbst thatkräftig ecfüllen. Die daraus entspringende Förderung unseres Nationalwohles aber danken wir in erster Linie den beiden großen, unvergeßlichen Männern, dem Kaiser Wilhelm I. und seinem gewaltigen Natbgcbcr Bismarck! — Herzlicher, lang an dauernder Beifall folgte diesem gediegene», von Sachkenntniß ge- ragcneu nnd von echt nationaler Begeisterung beseelten Vortrag. L. / , c
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