Volltext Seite (XML)
(Nachdruck verboten.) Tie Kirche in Ander»- in Kranzösisch-Alander«. Zwei Schwestern. Erzählung von B. von der Lancken. kommen zu lassen, und sie schien es auch gar nicht zu vermissen. Kläre, die um sechs Jahre Jüngere, war das direkte Gegen teil der Schwester, — eine lustige, zierliche und doch tippige Brünette mit Schelmenaugen und Grübchen im Kinn, die-mit klarem Blick ins Leben schaute, weder dichtete noch Novellen schrieb und dem frohen Lebensgenuß die erste, den Pflichten die zweite Stelle einräumte. — Sie hatte schon zwei Heirats anträge gehabt, beide hatten ihrer Ansicht nach zu wenig reellen Hintergrund und boten ihr nicht die gewünschten Garantien für ein sorgenloses Dasein, wie sie es beanspruchte. „Aber ich dachte, du liebst Franz Hogemcister", sagte Her- Winter oder Sommer, verlebten die Roderichs in Quastendorf; fuhr der Sanitätsrat über Land, setzte er seme Töchter dort ab und sprach nach beendeter Tour wieder vor, um bei Bremer zu Abend zu speisen und die Töchter wieder mitzunehmen. Eigent lich hatten die beiden Herren wenig gemeinsame Interessen, ihre langjährige Bekanntschaft ergab aber manche Anknüpfungspunkte, in der Politik stimmten sie auch überein, so geriet die Unterhaltung eigentlich nie ins Stocken. Da sehr oft die Pastor- oder eine Nachbarfamilie eingeladen war, gqh's auch zur Abwechslung einen gemütlichen Skat, und so kam es, daß die beiden Herren immer das Gefühl hatten, prächtig miteinander zu harmonieren, was Rechnen aufkommen ließ. gerade nicht ihre Liebhaberei, das frühe Aufstehen, mit dem Mädchen auf den ja im Grunde auch der Fall war. Der Sanitätsrat-war gleich falls Witwer und fein Hauswesen leitete seine älteste Tochter Hermine mit großer Gewissenhaftigkeit und Umsicht. Sie war das geborene Hausmütterchen, obgleich ihre hohe, elegante Er scheinung und eine gewisse Vornehmheit des Wesens nicht den Gedanken an einfache häusliche Beschäftigung und sparsames Rechnen aufkommen ließ. Es war auch Wochenmarkt gehen, sich um die Küche kümmern und all die hundert Kleinig keiten, aus denen sich das Getriebe ei nes Hauswesens zusammeysötzt, aber sie hielt es für eine ernste Pflicht, der sie mit großer Gewissenhaftigkeit nach kam und dem Vater und der jüngeren Schwester das Heim dadurch mit Son nenschein und Behagen füllt». Ihre Mußestunden füllte sie mit der Lektüre guter und auch wissenschaftlicher Bücher aus und ganz im geheimen verfaßte sie kleine Novellen und dichtete sehr hübsch und stimmungsvoll; durch chre Prosa und ihre Lyrik ging ein stark phantastisch idealistischer Zug und äußer lich kühl und beherrscht verbarg sie da hinter ein liebeheißes und leidenschaft liches Herz. Sie war ein schönes Mäd chen und wurde von den Männern be wundert, aber irgendeine Annäherung wagte niemand, und so war Hermine achtundzwanzig Jahre alt geworden, ohne daß sich ihr Gelegenheit geboten hätte, zu heiraten. Man hatte sie auf Bällen oder sonstigen geselligen Ver gnügungen stets mit einer gewissen Aus zeichnung behandelt, aber es mischte sich zu viel Hochachtung und Reserve hin ein, um ein wärmeres Interesse auf Rittergutsbesitzer Fritz Bremer stand am Telephon; er hatte sich mit dem Sanitätsrat Doktor Roderich in der Kreisstadt verbinden lassen und wartete nun, den Hörer am Ohr, auf den Anruf. Bremer ist ein großer, stattlicher Mann, anfangs der vierziger Jahre, blond und blauäugig, sein Antlitz zeigt die frische leicht gebräunte Farbe von Menschen, die sich viel im Freien aufhalten sein Anzug, von tadellosem Schnitt, ist einfach, ohne besondere Eleganz. Er wartete ohne Ungeduld und Erregung, wie Menschen,-dje eigent lich keine Nerven haben. „Hier Roderich." „Hier Bremer. Morgen Herr Sanitätsrat. — Ich wollte Sie bitten, heute nachmittag herauszukommen, meine Kleine ist nicht ganz wohl." „Wo fehlt's denn?' „Es scheint mir starke Erkältung." „Fieber?' „Ja, so etwas, die Nacht war sie recht unruhig, wie meine Tante mir sagt, jetzt schläft sie seit zwei Stunden aber ganz fest." „Gut, um vier Uhr bin ich da." „Also auf Wiedersehen, Herr Rat." „Auf Wiedersehen." Bremer trat vom Apparat zurück. Eben fuhr draußen der Wagen vor; er hatte einen notwendigen Besuch beim Landrat zu machen; aber er ging noch mal ins Kinderzimmer hinüber, wo sein sechsjähriges Töchterchen in dem von weißen Mullgardinen umgebenen Bettchen schlief. Eine ältere Dame saß am Fenster und besserte zierliche Kin dersöckchen aus. „Tante Lulu, ich habe dem Sanitäts rat angeklingelt; er kommt heute nach mittag; wie geht es mit Lottchen?' „Ich meine, die Sache hat nichts auf sich, Fritz. Du bist nur immer gleich ein bißchen ängstlich", lächelte Frau Luise Goriß, die seit dem Tode der jungen Frau Bremer den Haushalt leitete und das einzige Kind betreute. Bremer hatte spät geheiratet, die Frau war vor vier Jahren gestorben, und er zeigte keine Neigung, zu einer zweiten Ehe zu schreiten. Er war auch mit ganzer Seele Landmann und die Bewirtschaftung seines großen Besitzes nahm ihn vollauf in Anspruch, an seinem lieblichen Töchterchen hatte er seine große Freude, und wenn auch manchmal Stunden kamen, in denen er sich so einsam fühlte, so wußte er doch sich damit abzusinden; er war eine etwas nüchterne Natur, erfreute sich in Stadt und Land allge meiner Achtung und Liebe, und war einer von denjenigen, die immer bereit waren, zu helfen, wo es zu helfen gab. Eine ganz besonders warme Freundschaft aber verband ihn mit dem Sanitätsrat Roderich; nie kam er in die Stadt, ohne bei dem alten Herrn vorzusprechen, und manchen Sonntagnachmittag, ob