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all die häßlichen Keime zu ersticken. Versucht Hube ich's gewiß ehrlich." ' - - Axel Maisenburgs Gesichtsausdruck hatte sich bei diesen Wor ten, die so manche Jugenderinnerung in ihm weckten, merkwürdig verändert. In seinem rassigen, schmalen Aristokratengesicht zeigte sich ein so ausfallender Zug von Seelenpein, daß der Rentmeister diese Veränderung mit stiller Freude beobachtete. Er trat da her noch einen Schritt näher an seinen ein stigen Schützling heran und sagte ganz leise und eindringlich: „Herr Gras, lassen Sie sich warneü! — Noch gibt es sür Sie eine Umkehr. Noch weiß niemand, was ich weiß, nein, — nur ahne." Axel war zurückgefahren. Ängstlich for schend ruhten jetzt seine Augen auf dem alten, treuen Beschützer. „Was — was soll das, Markert?" stot terte er endlich. Doch der Rentmeister stand schon an der Tür. Aber ebenso schnell hatte Axel ihn am Arm ergriffen und mitten ins Zim mer zurückgezogen. Und des jungen Edel manns Stirn zeigte drohende Falten, als er jetzt beinahe zischend hervorstieß: „Antwort will ich haben, Markert! Was soll Ihre Bemerkung vorhin?" Markert schaute traurig zu ihm auf. „Diefe Antwort gebe ich Ihnen nie, nie! — Nur eines will ich Ihnen sagen, was sie vielleicht interessieren dürfte, Herr Graf. Ich habe es zwar felbst unter dem Siegel tiefster Verschwiegenheit von meinen! Freunde Gruber, dem Polizeiinspektor, erfahren. Denn die ganze Sache sollte ganz geheim bleiben. Aber mit Ihnen — mit Ihnen mache ich eine Ausnahme — der früheren Zeiten wegen." Seine Stimme war zu vorsichtigem Flüstern herabgesunken, als er weitersprach: „Man hat aus Berlin einen Kriminalkom missar verschrieben, der heute eintreffen und die geheimnisvollen Diebstähle untersuchen soll. Und dieser Kommissar, der in: Deut schen Kaiser' ein Zimmer bestellt hat, nimmt unerkannt an dem Maskenball beim Landrat von Oppen teil. — Adieu, Herr Graf." Geräuschlos verließ der Alte das Zimmer. Eine Antwort auf feinen Abschiedsgruß hatte er nicht erhalten. Denn Axel Maisen- burg stand noch eine ganze Welle wie versteinert da, als Markert längst mit trippelnden Schritten seiner Woh nung zueilte. Endlich ermannte er sich. Wie aus einem bö sen Traum erwachend, schaute er um sich. Seine wohlgepflegte Rechte mit den polierten, glänzen den Nägeln fuhr über die Stirn hin, als wollte er dort etwas sortwifchen. Und dann begann er wieder die ruhelose Wan derung durch das Zim mer. Seine Gedanken jagten sich. Und unwill kürlich formten seine Lip pen immer häufiger kaum verständliche Sätze. „Markert schien das Richtige zu ahnen —" Ein kurzes Auflachen. „Mager. Seiner bin ich ja sicher. Er wird schweigen." Dann ein Stocken in dem hastigen Auf und Ab von einer Wand zur anderen. „Was nun — was nun? — Ich muß — ich kann's nicht hinausfchieben " Wie ein drohendes Zischen das Folgende: „Dieser Kommissar — höchst unbequem. — Wenn man wenigstens wüßte, welche Maske er trägt —" Grübelndes Vorsichhinstarren. Endlich ein befreiendes Auf blitzen in den scharf markierten Zügen. „So muß es gehen, muß! Kalnein steigt ja immer im Deut schen Kaiser' ab. — Wie spät haben wir? — Ein Viertel neun. — Also ist's noch Zeit —" Eilig verschwand Graf Axel in feinem Schlafzimmer, um sich für das Fest umzukleiden. Eine Viertelstunde später betrat er dann die Vorhalle des Hotels ,Deutscher Kaiser', stellte sich ohne weiteres vor die große Tafel, auf der die Zimmernummern mit den Namen der Gäste vermerkt waren, und wandte erst lässig den Kopf, als der Por tier herbeikam und dienernd nach den Wün schen des Herrn Grasen fragte. „Ist Baron Kalnein heute angekom men?" fragte er sehr von oben herab. „Bedaure, nein. — Nur ein Doktor Gulling aus Königsberg, sonst niemand", erklärte der Portier diensteifrig. „Ich nehme beinahe an, daß sich unter dem Namen dieses Doktor Gulling ein Be kannter von mir verbirgt", meinte Axel kühl. „Und zwar Baron Kalnein, der viel leicht seine Person auf dem heutigen Mas kenball durch diesen Scherz besser vor dein allzufrüh Erkanntwerden schützen will." „Herr Graf irren", beeilte sich der Por tier zu antworten. „Den Herrn Baron kenne ich —" „— aber wohl nicht den, den ich meine", unterbrach ihn Axel schroff. „Nun — ich kann mich ja mal überzeugen", fügte er dann etwas liebenswürdiger hinzu. Damit eilte er die Treppe empor, während der Portier sich achselzuckend wieder in seinen Verschlag begab. Gleich darauf klopfte der jüngste Maisenburg recht kräftig an die Tür von Nummer 12. Drinnen ries jemand herein. Axel riß mit einem lauten: „'n abend, Kalnein, — wie geht's?" die Tür weit auf, trat aber sofort wieder zurück. „Verzeihung, mein Herr," entschuldigte er sich mit gewinnendster Liebenswürdigkeit, „ich habe mich geirrt. Ich glaubte einen Be kannten überraschen zu können. — Nochmals — Verzeihung." Zufrieden stieg er wieder die Treppe hinab und verließ das Hotel. Denn der Herr, den er so schlau überrascht hatte, konnte ja niemand anders sein als der für heute gemeldete Kriminal kommissar. Und daß dieser einen roten und grünen Clownanzug angehabt hatte, war ihm nicht entgangen. Und mehr brauchte er ja nicht zu wissen. — Der mißtrauische Fehl hauser aber erkundigte sich bald darauf sehr ern- gehend bei dem Portier nach dem in einen lan gen, hellgrauen Ulster gekleideten Herrn, der vorhin das Hotel betre ten haben mußte, — et wa vor fünf Minuten. Worauf ihm der red selige Mann ganz ein- gehnde Auskunft gab und auch die Geschichte von dem Baron Kalnein vor trug, der einen fremden Namen angenommen ha ben follte. „Also Graf Axel Mai senburg. Das muß ich mir merken", dachte Fehl hauser, als er wieder in sein Zimmer zurückkehrte. 3. Kurz vor neun Uhr be gab sich der Kommissar in einer Droschke nach dem dicht vor der Stadt in einem weiten Park gelegenen Hause des Landrats und Geheimen Regierungsrats von Oppen. Fehlhauser hatte die Zeit richtig abgepaßt. Er war der erste der Gäste, der die festlich erleuchteten Räume betrat. Nachdem er dem nn Vorflur postierten Diener feine Einladung flüchtig vor gezeigt und Mantel und Hut in der Herrengarderobe abgelegt hatte, Generalmajor vr. v. Gröner Lie Stadt Prizren an der albanischen Grenze, die die letzte Zuflucht der leiblichen Regierung bildete. Die von einer ölten türkischen ZitadeNe gekrönte Stadt liegt am Nordfuß des Schardagh und ist ein wichtiger Straßenknotenpunkt