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Z aufmerksam zu, aber sie freute sich scheinbar gar nicht über den neuen Schü ler. „Wann will er denn zu der ersten Stunde er scheinen?" „Bereits morgen, An nelieschen." „Aber das patzt doch sehr schlecht, Mut ter. Mein Tag ist dann voll besetzt, wäh rend ich die nächsten viel freie Zeit habe." „Das wuß te ich Wohl, Kind. Aber er drang auf diesen nahen Termin. Er schrieb mir ganz groß auf einen weißen Zettel, daß er den „Mardi" als Beginn wünsche.Nun, konnte ich da anders?" Da sprach Anneliese Weber nichts mehr dage gen. Schließ lich ließ sich diese Stunde bei einigem guten Willen noch einschieben und der Spazier gang unterblieb dafür. , - Am nächsten Tage saß ße gleichgültig vor dem kleinen Tisch in ihrem Unterrichtsstübchen und erwartete den neuen Schüler. Pünktlich zu der festgesetzten Stunde öffnete ihm die kleine Bedienung. Anneliese Weber empfand keinerlei Neugier. Lediglich aus einem Anstands gefühl heraus hatte sie sich erhoben und ging ihm entgegen. Plötzlich aber schien der Boden unter ihren Füßen zu wanken, denn vor ihr stand der Fremde, an den sie diese Tage voll heimlicher Sehnsucht gedacht hatte. Er bemerkte ihre Verwirrung scheinbar nicht. Sein Gesicht sah völlig ruhig, nur ein wenig kummervoll auf sie herab. In gutem Französisch erklärte er ihr auch sein Benehmen. „Sie müssen mich für sehr aufdringlich gehalten haben," hieß es auf deutsch, „weil ich Ihnen öfters gefolgt bin. Ich legte nämlich besonderen Wert darauf, gerade von Ihnen unterrichtet zu werden. Ich lerne sehr schwer, mein Fräulein. Drei Lehrer schickten mich bereits fort. Und da mir ein befreundeter Herr rühmte, daß sie seinen Sohn mit viel Langmut unterwiesen, wollte ich Sie auch um das gleiche bitten. Nun hatte ich aber Ihre Adresse vergessen und als ich Sie eines Tages aus dem Hause meines Freundes kommen sah, beschloß ich, Ihnen das mündlich zu sagen. Meine Schüchternheit und die Furcht, nicht ganz von Ihnen verstanden zu werden, hießen mich dann später einen Brief schreiben, in welchem ich meine Bitte ausdrückte. Sie nahmen ihn leider nicht. So mußte ich Ihnen denn eines Tages bis zu Ihrer Wohnung folgen, denn mein Freund hatte inzwischen eine längere Reise angetreten und ich konnte mit diesen Stunden unmöglich nun noch länger warten." Eine lähmende Traurigkeit überkam sie bei diesem Geständ nis. Das also war nun das Ende von ihren scheuen, seligen Träumen. Mit aller Kraft nahm sie sich zu sammen, damit er nichts merken sollte. Und es gelang ihr auch vortrefflich. Er blieb stets ruhig und ein wenig kummervoll. Und diese Stimmung war nicht unbe gründet. Es er wies sich auch als nahezu un möglich, ihn in die Geheimnisse der deutschen Sprache einzu führen. Anne liese Weber er kannte sofort,daß es sich um einen hoffnungslosen Schülerhandelte. Und dennoch ver mochte sie eö nicht, diese Stun den aufzugeben. Es war ein be ständiges Lau schen und War ten in ihr. Sie hatte doch da mals seine Blicke gefühlt, eine Bitte in sei'ncm alles nur eine törichte, unselige Einbildung gewesen sein? Gewiß — so war es. Und an dem Tage, wo sie dies erkannte, überwand sie das zuckende, sehnsüchtige Herz und sagte ihm, daß sie leider diese Stunden aufgeben müsse, weil Ihre Langmut seinen Erwartungen doch wohl nicht ganz gleichkäme. Ihre Stimme klang ruhig, aber ihre Lippen zuckten und ihre Wangen glühten. Er sah sie lange an — und plötzlich lag er ihr zu Füßen und stammelte in gutem, fließendem Deutsch hervor: „Also ich soll gehen? Warum denn nur? Du hast mich ja ebenso lieb wie ich Dich. Du scheue,. liebliche Rose. Herrgott — Mädel — wie sollte ich denn anders an Dich herankomnmn als durch diesen kleinen Betrug. Ich spielte Dir eine Komödie vor. Ich bin ja doch ein richtiger guter Deutscher, der lediglich drei Jahre in Paris lebte. Aber nur auf diese Weise konnte ich Deine Schüchternheit besiegen und die Aus. richtigkeit meiner Liebe dartun. Nun mußt Du mir aber endlich meine Lektion bezahlen." Und diese durchaus gerechtfertigte Forderung erfüllte die selige Anneliese nur zu gern. „Goti sei Dank, sie haben sich!" Gesicht aufleuchtcn sehen.. Sollte denn 5ckat1enleile. „Seit ich Aviatiker bin, geht es mir schlecht!" „Wieso denn?" „Ach, jetzt gibt mir meine Frau gar kein Taschengeld mehr, weil sie sagt, droben in der Luft brauch' ich nichts."